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Dr. Norbert Marwan

Jemand hält auf einer Fridays-for-Future-Demo eine Pappe hoch: "There is no Planet B"

Wissenschaftler

am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)


Was machen Sie beruflich? Welche Berufsbezeichnung geben Sie sich selbst?

- Physiker

- Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

- Stellvertretender Abteilungsleiter „Komplexe Systeme“
 

Was haben Sie studiert? Welche Studienschwerpunkte haben Sie sich gesetzt und hatten Sie damals schon ein berufliches Ziel vor Augen?

Vor meinem Studium hatte ich eine geowissenschaftliche Facharbeiterausbildung (mit Abitur) gemacht. Danach habe ich an der TU Dresden Physik studiert mit dem Schwerpunkt Nichtlineare Dynamik und Komplexe Systeme im Hauptstudium. Parallel dazu hatte ich einige geowissenschaftliche Vorlesungen an der Bergakademie Freiberg gehört und später auch als studentische Hilfskraft am Geotechnischen Institut der TU Dresden gearbeitet. Während des Studiums hatte ich noch kein konkretes Ziel vor Augen. Ich hatte mich vor allem von meinen Interessen leiten lassen.
 

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen? War es für Sie immer ein Wunsch, an einem Forschungsinstitut zu arbeiten? Zu welchem Zeitpunkt Ihres Studiums/ Ihrer Promotion haben Sie das entschieden?

Schon als Kind wollte ich „Forscher“ werden. Das Interesse für Geologie war durch die Tätigkeit meines Vaters auch schon sehr zeitig geweckt, daher auch die geowissenschaftliche Facharbeiterausbildung, die es leider heutzutage nicht mehr gibt. Nach Abschluss meiner Ausbildung gab es leider durch die Wiedervereinigung wenige Perspektiven in der Geologie, daher hatte ich mich für meine anderen Interessen entschieden und Physik studiert. Am Ende des Studiums, als ich auf der Suche nach einem Thema für die Diplomarbeit war, hatte ich glücklicherweise Prof. Kurths von der Uni Potsdam kennengelernt, wodurch sich zufällig Physik und Geowissenschaften kombinieren ließen. Die Kooperationen mit Geowissenschaftler*innen, die sich damals ergeben hatten, pflege ich noch heute.

Wie vielen Doktorand*innen war ich während und nach der Promotion unsicher, ob ich in der Wissenschaft bleiben kann. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung meiner Forschungstätigkeit, zu der dann während der Postdoc-Phase auch noch medizinische Fragestellungen dazukamen, bekam ich das Angebot, zum PIK zu wechseln.
 

Welche drei Sachen haben Sie auf der Arbeit zuletzt erledigt?

Ein wissenschaftliches Manuskript für die Zeitschrift Communications in Statistics begutachtet; mit einer Doktorandin und einem Postdoc über deren aktuelle Fortschritte in einem Forschungsprojekt diskutiert; etwas programmiert und getestet, um Paläoklimadaten, die aus einem Tropfstein aus dem Pazifikraum stammen, mit verschiedenen anderen Daten zu vergleichen. Gerade Letzteres kommt leider oft zu kurz, macht aber am meisten Spaß, weil ich kreativ sein und mir neue Methoden ausdenken und testen kann.#
 

Sie sehen sich in Ihrem Berufsalltag ein Thema ganz genau an, das oft verdrängt wird, aber für uns alle relevant ist. Wie gehen Sie damit um? Fällt es Ihnen schwer optimistisch zu bleiben?

In meinen Forschungen untersuche ich u. a. auch das Klima von vor Millionen von Jahren, als es deutlich wärmer war als heute. Dadurch habe ich wohl eine etwas holistischere Sichtweise. Mich beunruhigen allerdings die Geschwindigkeit des Klimawandels, die damit verbundenen potentiellen Konflikte, aber auch die drohende Rohstoffknappheit, das Ignorieren der großen Probleme und der Erkenntnisse der Wissenschaften und die fehlende Nachhaltigkeit unseres Tuns. Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt, dass wider Erwarten selbst in offensichtlichen und akuten Krisen die Menschheit nicht in der Lage ist, gemeinsam die großen Probleme zu meistern. Das erschreckt mich und lässt meinen Optimismus weiter schrumpfen. Ich war bereits im Kindes- und Jugendalter im Natur- und Umweltschutz sehr aktiv und hatte bereits damals keine allzu optimistischen Erfahrungen machen können. Viele ändern ihre Meinung und Lebensweise wahrscheinlich erst, wenn sie selbst betroffen sind. Trotzdem ist es wichtig, wissenschaftlich zu zeigen, wohin die Reise gehen wird und welche Möglichkeiten der (Klima-)Entwicklung es gibt. Meine Hoffnung liegt in der jungen Generation, die wieder neuen Schwung in die Umweltbewegung bringt.
 

Wenn es in Ihrer Macht stünde: Was sollten wir alle ab heute schon an unserem Verhalten ändern, um den Klimawandel zu verlangsamen?

Nachhaltig leben, weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren, auf weitere Urlaubsreisen verzichten und Strom sparen kann eigentlich jeder. Viele andere Dinge (wie die Dekarbonisierung der chemischen und Zementindustrie oder Wärmedämmung der Gebäude) können aber nur von der Politik und der Wirtschaft gemeinsam angegangen werden, da sie nicht in der Macht der Einzelnen stehen.

 

„Meine Hoffnung liegt in der jungen Generation, die wieder
neuen Schwung in die Umweltbewegung bringt.“

 

Sprechen Sie bei der Arbeit überwiegend Englisch? Würde man in Ihrem Team auch ohne Deutschkenntnisse gut zurechtkommen?

Wir sind ein sehr internationales Institut, in unserer Abteilung haben wir sehr viele ausländische Promovierende und Postdocs. Das bedeutet natürlich, dass alle Treffen und Gespräche auf Englisch sind. Wir haben auch etliche Gäste bei uns, die keine Deutschkenntnisse haben und natürlich trotzdem gut klarkommen.
 

Wissenschaftler*innen welcher Fachrichtungen kommen in Ihrem Team zusammen? Wie gestaltet sich die interdisziplinäre Arbeit? Genießen Sie das oder ist es auch herausfordernd?

Momentan haben wir einen Mix aus Physik, Mathematik, Meteorologie, Geowissenschaften und verschiedenen technischen Wissenschaften. Wir hatten auch schon Kooperationen mit Medizin und sogar Kunst- und Medienwissenschaften. Vor allem letzteres war eine Herausforderung, weil sich die Arbeitsweise doch ziemlich unterscheidet, aber es war auch spannend. In der Regel verfolgen aber alle die gleichen Ziele und wenn man schnell eine gemeinsame Sprache findet, klappt es auch sehr gut. Wichtig ist, dass alle Seiten Verständnis haben und bereit sind, Neues zu lernen. Aus meiner Sicht ist es für alle Seiten eine Bereicherung und gewinnbringend. Leider ist aber die Förderlandschaft noch immer nicht so richtig auf interdisziplinäre Projekte ausgerichtet, auch wenn immer wieder behauptet wird, man wolle die interdisziplinäre Forschung fördern. Es scheitert meist an der Begutachtung, da die ausgewählten Gutachter*innen in der Regel nur Expert*innen für sehr spezielle Themen sind und dann selten Verständnis für interdisziplinäre Fragestellungen und Forschungsansätze mitbringen.
 

Studierende fragen sich häufig, wann sie welche Spezialisierungen wählen sollten. Wie war das bei Ihnen? Mussten Sie sich früh auf ein Forschungsfeld festlegen oder konnten Sie in verschiedene Bereiche reinschauen und sich dann orientieren?

Obwohl ich ein klassisches Physikstudium absolviert hatte, blieb ich doch meinen Interessen treu und habe mich nebenher weiter mit Geologie beschäftigt. Die studienbasierte Spezialisierung begann zwar im Hauptstudium mit einigen speziellen Vorlesungen, aber so richtig hat erst die Diplomarbeit die Weichen gestellt. Ein IAESTE-Praktikum im damaligen Jugoslawien während des Hauptstudiums war auch sehr hilfreich, wo ich interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Datenverarbeitung, Elektrotechnik und Geowissenschaften arbeiten konnte. Während der Promotion und des Postdocs konnte ich in weitere Bereiche (medizinische Anwendungen) schauen. Das lag aber auch an der Natur der Arbeitsgruppe an der Uni Potsdam, die extrem interdisziplinär unterwegs war. Aus meiner Sicht ist es wichtig, offen für Neues zu sein und immer neugierig zu bleiben.
 

Wenn Sie auf Ihr Studium zurückblicken, welche damals erworbenen Kompetenzen erscheinen Ihnen aus heutiger Sicht besonders wichtig für Ihre aktuelle Tätigkeit?

Wahrscheinlich die eher breite und interdisziplinäre Sichtweise und keine Spezialisierung in nur einer Richtung. So richtig prägend waren hingegen die Diplomarbeits- und Promotionszeit in Potsdam, in der ich in einer sehr offenen und kreativen Arbeitsgruppe arbeiten konnte. Das spiegelt sich auch in meinem Anspruch als Betreuer von Promovierenden wider: immer ein offenes Ohr haben, Offenheit gegenüber anderen Forschungsgebieten, neue Ideen und selbständiges Denken und Arbeiten fördern, und den Promovierenden die Neugierde erhalten.
 

Was begeistert Sie an Ihrem Beruf?

Die Freiheit, neue Ideen ausprobieren zu können sowie am Ende neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu erzielen.
 

Ihre Tipps für Berufseinsteiger*innen:

Auch wenn es während des Studiums oder der Promotion schwerfällt – es hilft sehr, sich schon frühzeitig die Frage zu stellen, ob man eine wissenschaftliche Laufbahn an einer Uni (oder Forschungsinstitut) oder lieber eine Karriere in der Wirtschaft anstrebt. Diese Fragen sollte man auch offen mit Betreuer*innen diskutieren. Sehr wichtig ist auch das rechtzeitige Knüpfen von Netzwerken, um später viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit nutzen zu können. Vielleicht ergibt sich daraus dann auch mal ein neuer Karriereweg?

 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die Tätigkeit als Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Dr. Norbert Marwan!

 

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