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Saskia Brunst

Archivarin und Informationswissenschaftlerin

transkribiert als Selbständige alte Handschriften und koordiniert hauptberuflich ein bürgerwissenschaftliches Projekt zur Übersetzung musealer Archivunterlagen

 

Wie bist du zu deiner selbständigen Tätigkeit gekommen?

Ich bin zu der nebenberuflichen Selbstständigkeit und vor allem zu meinem Bachelorstudium durch mein Hobby, das Entziffern alter Handschriften, gekommen. Bereits vor dem Archiv-Studium bin ich mit den Handschriften Kurrent und Sütterlin in Kontakt gekommen und habe versucht, mir beide Alphabete beizubringen und einfache Texte zu transkribieren. Im Archiv-Studium habe ich daraufhin die ersten selbst erworbenen Fähigkeiten in Paläografie-Seminaren ausbauen können. Irgendwann kam dann der Gedanke auf, dieses Hobby zu professionalisieren und ein Kleingewerbe zu gründen. Zum einen, um durch Aufträge in Übung zu bleiben und zum anderen aus Neugier, was mit dem Kleingewerbe so alles an Drumherum auf mich zukommen wird. 2021 habe ich die Idee in die Tat umgesetzt und vor Kurzem das Transkriptionsgewerbe um Korrektorats- und Lektoratsleistungen erweitert.
 

Genügt deine Selbständigkeit, um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder hast du noch ein zweites Standbein?

Das genügt bei mir auf keinen Fall. Ich beschäftige mich auch hauptberuflich mit der Transkription alter Handschriften, da ich die Koordinatorin eines bürgerwissenschaftlichen Projekts bin, in dem ca. 40 engagierte Freiwillige auf Anfrage von Forschenden Unterlagen aus einem Museumsarchiv transkribieren. Ich bin während des Studiums mit dem Plan rangegangen, nach Abschluss des Masterstudiums eine Vollzeit-Stelle anzutreten. Vielleicht ist es in ein paar Jahren möglich, eine Festanstellung und die selbstständige Nebentätigkeit 50/50 aufzuteilen.
 

Ist es schwierig, deine Selbständigkeit und deinen Hauptberuf miteinander zu vereinen?

Ja, definitiv. Das Kleingewerbe während des Studiums zu betreiben, ließ sich gut einrichten. Nun, mit der Vollzeitstelle, sieht die Welt etwas anders aus. Ich versuche das Kleingewerbe als Hobby zu betrachten, um mich zu motivieren, auch abends nach der Arbeit noch Aufträge zu erledigen.
 

Gerade als Selbständige*r ist man darauf angewiesen von potentiellen Kund*innen gesehen zu werden. Wie hast du deine persönliche Lücke auf dem Markt der Transkriptionsleistungen gefunden?

Bevor es mit der Gewerbeanmeldung losging, habe ich bei Google nachgesehen, welche Angebote es bereits im Bereich der Transkriptionsdienstleistungen gibt. Dabei habe ich festgestellt, dass überraschenderweise allerlei Webauftritte vorhanden sind. Es galt also zu überlegen, 1. wie die eigene Website gut gefunden wird und 2. wie sie für Interessierte gestaltet werden muss, damit diese zunächst „verweilen“ und schließlich eine Anfrage an mich senden.

  1. Ich habe versucht, mich in Personen hineinzuversetzen, die mit den Begriffen Paläografie und Transkription bisher wenig Berührungspunkte hatten und dementsprechend nach Begriffen gesucht, mit denen eine fachfremde Person googeln würde. Weiterhin habe ich auf bestehenden Websites abgeglichen, welche Schlagworte bereits „belegt“ sind, um auf meiner Website und in meinem Gewerbenamen möglichst exklusive Schlagworte zu nutzen, welche die Auffindbarkeit der Website verbessern.
  2. Außerdem habe ich probiert, die Inhalte auf meiner Website so ansprechend, strukturiert und präzise wie möglich abzubilden, damit Interessierte alle für sie relevanten Informationen auf einen Blick parat haben.  
     

"Irgendwann habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet,
dass ich beim ganzen bürokratischen Akt viel dazulernen kann."

 

Was waren für dich die größten Hürden auf dem Weg in die Selbständigkeit und was hat dir geholfen, dran zu bleiben?

Mich hat hauptsächlich die Bürokratie im Rahmen der Gewerbeanmeldung prokrastinieren lassen. Irgendwann habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet, dass ich beim ganzen bürokratischen Akt viel dazulernen kann und es danach mit dem Fun-Part, der Gestaltung einer eigenen Website, losgeht und hoffentlich schnell die ersten Anfragen reinkommen.
 

Was fordert dich an deiner Tätigkeit heraus?

Es fordert mich besonders heraus, wenn ich einen Begriff nicht direkt entziffern kann. Das kann vor allem bei Personen- und Ortsnamen oder nicht mehr gebräuchlichen Begriffen vorkommen. Mit etwas Recherche kommt man aber meistens doch noch drauf und hat gleichzeitig etwas Neues gelernt.
 

Welche 3 Sachen hast du zuletzt für deine Arbeit erledigt?

Für mein Kleingewerbe habe ich zuletzt E-Mails mit einem Kunden geschrieben, einen Brief transkribiert und als letzten Schritt eine Rechnung aufgesetzt.
 

Ist es schwer, immer wieder neue Auftraggeber*innen zu akquirieren? Wie viel Zeit investierst du in Sachen Marketing und Eigenwerbung?

Da ich bisher keine aktive Werbung betrieben habe, bin ich allein auf meine Website angewiesen, um potentielle Kund:innen auf meine Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Mir war dabei von Anfang an klar, dass es viel Zeit (sogar Jahre) brauchen wird, bis regelmäßige Aufträge reinkommen. Die ersten zwei Jahre haben mich immer mal wieder Anfragen erreicht, was mich motiviert hat dranzubleiben. Ab dem dritten Jahr erhielt ich fast monatlich Anfragen und mittlerweile hat sich daraus sogar ein lieber „Stammkunde“ ergeben. Dieser Prozess hat natürlich auch damit zu tun, dass eine Website bei Google nicht unbedingt von Anfang an gut gefunden wird, sondern sich die Auffindbarkeit mit dem Traffic auf der Website steigert. Ich habe nicht versucht, diesen organischen Prozess durch Werbung oder andere Maßnahmen zu beschleunigen.
 

"Ich mag besonders gerne Ego-Dokumente,
beispielsweise Briefe oder Tagebücher, ..."

 

Was war der spannendste Auftrag/das spannendste Dokument, an dem du bisher gearbeitet hast?

Da fällt mir die Entscheidung sehr schwer. Ich mag besonders gerne Ego-Dokumente, beispielsweise Briefe oder Tagebücher, weil diese sowohl die privaten Gedanken einer Person als auch ihre Erlebnisse innerhalb eines ggf. historisch besonders relevanten Zeitabschnitts schildern. So ist man der bereits erlebten Geschichte ein Stück näher, als wenn man ausschließlich Fachliteratur lesen würde.
 

Wünschst du dir manchmal ein Team, mit dem du dich fachlich austauschen könntest oder ist es für dich kein Problem, immer alles mit dir alleine auszumachen?

Ja, den Moment gab es schon oft – vor allem, wenn man mit der Transkription bei schwierigen Stellen nicht weiter kommt oder Steuerangelegenheiten erledigen muss. Mit den schwierigen Stellen kann ich mich an eine Freundin und ehemalige Kommilitonin aus dem Archivstudium wenden, durch den Steuerkram muss ich alleine durch.
 

Wie sollte man als Selbständige*r für sich vorsorgen, um mit finanziellen Unsicherheiten, z. B. durch Krankheit oder mangelnde Aufträge umzugehen?

Hätte ich eine hauptberufliche Selbstständigkeit angestrebt, hätte ich mir vorher finanzielle Rücklagen gebildet und ausgerechnet, wie lange ich ohne Aufträge durchhalten kann und wie regelmäßig es Aufträge braucht, um gut über die Runden zu kommen.
 

Wie hoch ist der steuerrechtliche Aufwand? Holst du dir dabei Hilfe, z. B. durch Steuerexpert*innen oder ist das locker selbst zu schaffen?

Der Aufwand ist schon nicht ohne, vor allem wenn man die Steuer zum ersten Mal macht und sich durch das Elster-Portal kämpfen muss. Ich bin dabei recht naiv, getreu dem Motto „nach bestem Wissen und Gewissen“, vorgegangen. Mittlerweile bin ich auf andere Tools umgestiegen, die einen anhand von Fragen durch die einzelnen Formulare führen. Eine richtige Beratung habe ich mir bisher nicht eingeholt.
 

Welche Tipps hast du abschließend für Berufseinsteiger*innen, die mit dem Gedanken spielen, sich selbständig zu machen?

Einfach anfangen und ausprobieren!

 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke!

Das schriftliche Interview wurde im November 2024 geführt.