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„Dann gibt dir das sehr viel Mut“ – Eine Hochschulgruppe fördert Schülerinnen und Schüler aus Familien ohne Hochschulerfahrung

Katharina Lübstorf, Jan Liedtke und Marie Eggebrecht von ArbeiterKind im Interview.
Katharina Lübstorf und Jan Liedtke im Interview.
Jan Liedtke und Marie Eggebrecht.
Photo : Thomas Roese
Katharina Lübstorf, Jan Liedtke und Marie Eggebrecht von ArbeiterKind im Interview.
Photo : Thomas Roese
Katharina Lübstorf und Jan Liedtke.
Photo : Thomas Roese
Jan Liedtke und Marie Eggebrecht.

Abitur in der Tasche, fleißig und gut ausgebildet – da ist es zum Studium nur noch ein Katzensprung! Von wegen. Gegen Märchen wie diese setzt sich die lokale Hochschulgruppe von ArbeiterKind.de ein, und drohte dabei selbst im lokalen Dornröschenschlaf zu versinken. Mit frischem Wind, neuen Mitgliedern und Aktionen geht es nun vorwärts!

„In unserer lokalen Gruppe besteht zur Zeit etwas Aufbruchsstimmung, da wir bis vor Kurzem nur ein ‚harter Kern‘ von drei bis vier Personen waren. Jedoch ist es uns zuletzt gelungen, Nachwuchs zu gewinnen“, erklärt Jan Liedtke, der selbst bereits sechs Jahre bei ArbeiterKind.de aktiv ist und seit 2023 an der Universität Potsdam an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät promoviert.

Auch Katharina Lübstorf engagiert sich seit ihrem Soziologie-Studium in der 2016 gegründeten lokalen Gruppe und freut sich über neue Mitglieder, die nach einem groß angekündigten Workshop im Herbst 2023 hinzugekommen sind. Initiiert wurde er von einer Bundeslandkoordinatorin, die als Teil eines kleinen hauptamtlichen Teams der gemeinnützigen ArbeiterKind GmbH über 6.000 Ehrenamtliche unterstützt. In insgesamt 80 lokalen Gruppen in ganz Deutschland informieren sie Schülerinnen und Schüler über das Studium und sind nicht selten auch als Vorbilder für alle, die als erste Person in der eigenen Familie eine Hochschule besuchen.

Tatsächlich studieren laut des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Deutschland Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien deutlich seltener als Kinder aus Akademikerfamilien. Die Daten des Berliner-Studienberechtigten-Panels zeigt noch prägnanter, wie wichtig die Information zum Studium ist: So erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass studieninteressierten Schüler*innen aus nicht-akademischen Elternhäusern ein Studium aufnahmen, signifikant, wenn sie an einem Informationsworkshop zum Studium teilnahmen – auch wenn dieser nur 20 Minuten dauerte! Genau hier setzt auch ArbeiterKind.de an, erklärt Katharina Lübstorf: „Wir gehen frühzeitig in die Schulen, meistens im Rahmen von Berufsorientierungstagen und Projektwochen. Dort halten wir Schulvorträge, erzählen Grundlegendes zum Thema Studium und Studienfinanzierung und stellen ArbeiterKind.de vor.“ Damit spiegelt sich auch eine Erfahrung wider, die sie selbst gemacht hat: „Ich brauchte damals die Information von Leuten, die diesen Weg schon gegangen sind, und hatte das Glück, meine Cousine alles fragen zu können. In der Schule war das kein großes Thema – leider! Deswegen sind die Schulvorträge auch so wichtig. Weil hier klar wird, welche Möglichkeiten es gibt, ein Studium zu realisieren: ob durch Bafög oder auch Nebenjobs, berufsbegleitend oder auch in Teilzeit.“

Vorbildfunktion durch Engagement im Ehrenamt

Lübstorf hat den Schritt zum Studium gewagt und steht heute mit Abschluss in der Tasche als Berufsberaterin im CareerService der Uni Potsdam fest im Berufsleben. Diesen haben die letzten Neuzugänge in der lokalen Gruppe noch vor sich: Luca Springer und Marie Eggebrecht studieren jeweils am Hasso-Plattner-Institut im Master IT-Systems Engineering und an der Universität Potsdam Geschichte. Sie sind durch den Workshop auf die Gruppe aufmerksam geworden. Auch sie haben als erste in ihrer Familie ein Studium aufgenommen und waren aktiv auf der Suche nach einem Ehrenamt, bei dem sie eigene Erfahrungen einbringen können. „Ich habe schon immer nebenbei gearbeitet und mir vor dem Studium einfach selbst viele Infos zusammengelesen, vor allem zur Finanzierung. Denn auch bei uns gab es keine solchen Infoveranstaltungen an der Schule. Zum Beginn meines Masterstudiums bin ich dann auf Stipendienmöglichkeiten aufmerksam geworden, bei denen es vor allem wichtig ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm“, so Springer. „Dabei finde ich das sehr wichtig: Es sollte nicht nur um Noten und Leistung gehen, sondern auch um Engagement“, regt Springer an. Mit dem Praxismodul „Demokratisches Engagement“ werden an der Universität Potsdam Ideen wie diese seit einiger Zeit tatsächlich aufgegriffen und Selbstarbeitszeit im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements mit Leistungspunkten gewürdigt. Auch für Marie Eggebrecht spielt sozialer Einsatz eine große Rolle, weswegen sie sich schon vor dem Studium in den Sozialen Netzwerken informiert hat, wo ArbeiterKind vor allem auf Instagram aber auch mit einem eigenen sozialen Netzwerk präsent ist. „Ich habe mich auch deswegen dafür entschlossen, mich bei ArbeiterKind.de einzubringen, weil ich es aus meinem Bundesland nicht kenne. Ich möchte dazu beitragen, das zu ändern!“, erklärt Eggebrecht. So wichtig es ist, talentierte und interessierte Schülerinnen und Schüler mit Informationen zum Studium zu versorgen, so sehr setzt sich ArbeiterKind.de auch dafür ein, die Kinder zu bestärken. Denn Unsicherheit und Zweifel sind oft groß, weiß Lübstorf: „Was manchmal auch fehlt, ist der Mut, seinen Weg zu gehen. Stattdessen ist die Angst, etwas nicht zu schaffen oder nicht gut genug zu sein, viel größer.“ Das bestätigt auch Marie Eggebrecht: „Viele fragen sich, ob sie etwa wirklich gut genug für ein Stipendium sind, weil sie aus ihrem familiären Umfeld meistens kaum oder keine Vorbilder haben und weniger selbstverständlich zum Studium ermuntert werden wie Kinder aus Akademikerhaushalten. Und wenn dann ArbeiterKind.de nur für dich da ist – dann gibt dir das sehr viel Mut!“


Monatlich findet ein Treffen für alle Ratsuchenden in einem Café in der Innenstadt statt. Termine unter: potsdamarbeiterkindde
Alle, die sich engagieren wollen, die Gruppe als Mentor*in, mit Equipment oder mit einem verfügbaren Raum in der Innenstadt unterstützen wollen, melden sich unter: potsdamarbeiterkindde

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).