Warum wird es von Jahr zu Jahr enger an der Uni Potsdam?
Woithe: Dass die Universität wächst, freut uns natürlich – es ist ein Zeichen unseres Erfolgs. Doch für die zunehmende Zahl an Forschenden, insbesondere aus den Drittmittel-Projekten, fehlt der Platz. Flexible Nutzungen oder der heutige digitale Standard können in Flächenanmeldungen häufig nicht berücksichtigt wer- den. Die bauliche Infrastruktur aber muss mit den sich ändernden Anforderungen Schritt halten, etwa in der Anpassung der Raum- und Flächennormen des Landes Brandenburg.
Niendorf: Durch das Wachstum verändert sich die gesamte Infrastruktur der Hochschule, sodass die vor vielen Jahren ermittelten Flächenbedarfe oft gar nicht mehr passen. Wir reden nicht nur über Räume, die wir dringend brauchen, weil wir mehr Studierende und Mitarbeitende haben als früher. Es geht auch um ausreichend Plätze in den Mensen ebenso wie Parkraum oder Radwege. Wie erreiche ich die Universität? Wie ist die Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs?
Woithe: Hier sehe auch ich die Stadt in der Verantwortung. Eine Hochschule ist ein Standortfaktor und sollte viel enger in die Stadtgesellschaft eingebunden werden. Schulen, Verkehr, Wohnungsbau – all das müsste stärker gemeinsam diskutiert werden.
Wie können mittelfristig mehr Platz und eine bessere Infrastruktur geschaffen werden?
Niendorf: Wir behelfen uns mit kurzfristigen Programmen, die von der Politik unterstützt werden und darüber hinaus den Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) entlasten. Das heißt: Die Uni mietet selbst adäquate Flächen an. So konnten wir die Fakultät für Gesundheitswissenschaften im sogenannten H-Lab des Science Parks unterbringen. Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung (MWFK) übernimmt befristet die Kosten.
Woithe: Andere Bereiche bekommen solche Mietkosten nicht erstattet. Dafür müssen wir Geld aus unserem Haushalt nehmen, das dann für andere Dinge nicht zur Verfügung steht. Der Wissenschaftsrat hat in einem Positionspapier zum Hochschulbau Alternativen vorgeschlagen, wie Prozesse optimiert werden können. Vor diesem Hintergrund ist die neue Richtlinie Bau des Landes Brandenburg nicht der große Wurf. Ganz im Gegenteil, Prozesse werden noch komplexer und damit langwieriger aufgesetzt. Ich würde mir an dieser Stelle mehr Drive und Flexibilität wünschen. Beispielsweise könnte man über Modelle wie Mietkauf nachdenken. So etwas ist im Hochschulbau bisher nicht vorgesehen.
Auf dem Campus Golm wartet ausgerechnet das Gebäude mit dem größten Hörsaal seit Jahren auf die Sanierung. Warum dauert das derart lange?
Niendorf: 1999 haben wir die Sanierung erstmals beantragt, 2014 aktualisiert. Der neue Plan sieht einen Beginn 2024 vor. Das ist enttäuschend. Momentan wird das alte Gebäude durch unser Facility Management „am Leben gehalten“. Eine Schließung wäre der GAU, da es eines der wichtigsten Häuser am Standort ist – mit 15 Seminarräumen und einem großen Hörsaal.
Woithe: Das ist genau der Punkt: Wir sind Dienstleister für das Land, wir bilden Fachkräfte aus. Und wenn wir dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen können, geht das zulasten der Gesellschaft. Darum bremst der schleppende Hochschulbau die gesamte Dynamik!
Wenn Private bauen, wie die Hasso- Plattner-Stiftung das Institut für Informatik in Golm, geht es oft schneller. Sind mehr private Investoren die Lösung?
Niendorf: Das Beispiel passt nicht ganz. Das Informatik-Institut wurde nicht gebaut, um neuen Raumbedarf zu decken, sondern als Ausgleich für das Haus in Griebnitzsee, das die Uni nicht länger nutzen konnte. Dass das neue Gebäude die modernste Technik enthält, freut uns natürlich sehr. Dank an dieser Stelle noch einmal an die Hasso-Plattner-Founda- tion! Grundsätzlich können wir als Universität nicht allein entscheiden, ob private Investoren für uns bauen, weil der BLB dafür zuständig ist. Wir melden unseren Flächenbedarf beim MWFK an. Dann werden in einem komplexen Verfahren sämtliche Möglichkeiten geprüft: Was kommt infrage, Anmietung, Neubau oder ein Interims-Gebäude? Am Ende entscheidet das Ministerium. Woithe: Wir wünschen uns, dass die Spezifika für Hochschulen stärker berücksichtigt werden. Die Richtlinie Bau betrifft den gesamten öffentlichen Bereich. Dass wir als Hochschule andere Anforderungen haben als beispielsweise ein Gesundheitsamt, liegt auf der Hand. Wer den Wissenschaftsbetrieb kennt, sieht, dass wir flexibler sein müssen, auch in der Konstruktion.
Der Denkmalschutz spielt an den teils historischen Standorten der Universität eine große Rolle. Wie kriegt man dies mit den Technikanforderungen und variabler Nutzung unter einen Hut?
Woithe: Hier gibt es ein Umdenken. Entsprechende Gesetze werden gerade überarbeitet, sodass mittlerweile Klima- vor Denkmalschutz geht. Soll beispielsweise Technik für Photovoltaik installiert werden, müsste der Denkmalschutz gerichtsfest dagegen argumentieren. Er wird immer noch ins Feld geführt, hat auch oft eine berechtigte Rolle. Aber das ist gar nicht so unumstößlich.
Niendorf: Wir haben als Universität den Denkmalschutz von Anfang an berücksichtigt: In Griebnitzsee sind die Rechts- und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften untergebracht, die vergleichsweise wenig Hochtechnologie benötigen. Hier konnten die Büroflächen der denkmalgeschützten Gebäu- de genutzt und Neubauten sinn- voll ergänzt werden. So gehen wir auch am Standort der Hochschulverwaltung und der Philosophischen Fakultät am Neuen Palais vor. Selbst hier, inmitten des UNESCO-Weltkulturerbes, entsteht Neues, wie die aktuell laufende Campuserweiterung zeigt. Auf dem modernen Campus in Golm konnten wir all jene Bereiche der Human- und der Naturwissenschaften konzentrieren, die auf Labore und Technik angewiesen sind. Dort gibt es auch genügend Platz für Neubauten.
Von wo wünscht sich die Universität mehr Einsatz, Flexibilität und Unterstützung?
Woithe: In erster Linie von der Stadt und vom Landesbaubetrieb. Unsere eigene Rolle will ich gar nicht verkennen. Wir wollen mitgestalten und erledigen die Aufgaben von unserer Seite, schließlich nutzen wir die Flächen am Ende. Es geht uns aber nicht nur um Forschung und Lehre im engeren Sinne. Die Infrastruktur ist immanent für das ganze System, auch um als Landeshauptstadt Potsdam und als Land Brandenburg wettbewerbsfähig zu bleiben. Insofern ist mein Wunsch, dass wir alle an einem Strang ziehen, gemeinsam denken – jeweils im Bereich der eigenen Verantwortung – und nicht, dass jeder allein in eine andere Richtung läuft.
Niendorf: Ich wünsche mir von der Politik mehr Unterstützung bei Genehmigungsverfahren. Wenn in Golm seit Jahren im Ortsbeirat diskutiert wird, ob die Uni dort ein neues Institutsgebäude errichten darf oder nicht, wünsche ich mir von der Politik ganz klar mehr Haltung. Der Bebauungsplan muss jetzt zeitnah verabschiedet werden. Und ein weiterer aktueller Punkt: Obwohl wir, wie vom Landtag gefordert, von Jahr zu Jahr mehr Lehrkräfte ausbilden, gibt es dafür noch immer keinen Neubau. Auch hier verschieben sich die Termine nach hinten.
Woithe: Wir respektieren, dass Geld eine limitierende Größe ist. Aber bei dem, was wir uns dann noch leisten können, wünsche ich mir mehr Mut zur Lücke. Wir sollten weniger argumentieren, was nicht geht, und stattdessen Visionen entwickeln, wie wir den Hochschulbau gemeinsam voranbringen. Das muss doch die Motivation für das Land sein, Dinge möglich zu machen. Wie gesagt: Wir stehen zur Verfügung!
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2023 „Mentale Gesundheit“ (PDF).