2017, gleich nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus der Universität Potsdam, hat der Professor für Angewandte Geoökologie mit seiner ehemaligen Arbeitsgruppe das Start-up InterEnviroCon gegründet, spezialisiert auf internationale Beratung und Projektarbeit im Umweltbereich. „Weil die Arbeit weitergehen muss“, sagt Blumenstein. Wie man Bodenprobleme löst, hatte er jahrzehntelang in Potsdam erforscht, auch schon vor Gründung der Universität. Seit 1983 gehörte er zur Pädagogischen Hochschule, unterrichtete Physische Geografie und Landschaftsökologie. Zuvor hatte er selbst sieben Jahre in Riesa als Lehrer Erfahrung gesammelt und schon mit seinen Schülern Böden untersucht. „Das Stahlwerk dort leitete seine metallhaltigen Dämpfe durch die Fenster ab. Der Elbe-Zufluss schäumte, es roch abwechselnd nach Seife oder Nudeln. Und wenn Schichtwechsel war im Reifenwerk, musste man die Wäsche von der Leine nehmen.“
Damals verschrieb sich Blumenstein dem Umweltschutz. „Nicht als Aktivist, sondern als Wissenschaftler!“ An der Brandenburgischen Landeshochschule forschte er gemeinsam mit Chemikern, Physikern, Biologen und Mathematikern. Das weitete den Blick – nachhaltig: Im Zentrum seiner Doktorarbeit stand die Geofernerkundung, bei der Habilitation die Systemtheorie – alles heute noch gültig. Nachdem 1991 die Universität Potsdam gegründet wurde, erstritt Blumenstein mit anderen den Studiengang „Geoökologie“. Den ersten in Ostdeutschland. Bis heute aktualisierte Lehrbücher aus seiner Feder entstammen dieser Zeit.
Mit Studierenden ackerte er mit Schwermetallen verseuchte Rieselfelder im Süden Berlins durch. „Schlimm, aber nicht aussichtslos“, so seine Folgerung. Bis in die Äpfel dortiger Bäume reichten die Gifte nicht. Die Sanierung der Böden ist möglich und inzwischen das Geschäftsfeld von InterEnviroCon. Weil es dafür aber weitere Forschung und Messgeräte braucht, kooperiert das Start-up bis heute mit der UP Transfer GmbH an der Universität und wissenschaftlichen Instituten weltweit.
Auf Abraumhalden in China, Griechenland, Afrika und Indien hat Blumenstein mit seinen Erkundungstrupps Erfahrungen gesammelt; gerade in Schwellenländern hinkt die Umweltgesetzgebung dem Profitinteresse der Konzerne hinterher. Dort werden giftige Ausschwemmstoffe mit dem Abraum buchstäblich auf Halde geworfen und dem Regen ausgesetzt, der die Stoffe herauslöst und damit das Grundwasser vergiftet. Die Wissenschaftler haben Verfahren entwickelt, mit denen die giftigen Stoffe gebunden werden können.
Das kann man auch auf einem 2,5 Hektar großen Areal in der Lausitz sehen, der Spreetaler Kippe. In schlimmster Erinnerung ist den Menschen vor Ort noch die schlammbraune, stinkende Spree, die vor einigen Jahren durch den Spreewald floss. Weil der Bergbau in der Nähe eingestellt worden war, stieg das Grundwasser und beförderte Eisenhydroxid-Schlämme in den Fluss. Blumenstein brachte diese ausgefällten Mineralien als Dünger auf die „Kippfläche“, eine Brache, auf der dadurch ein Wald entstand. Ein sichtbarer Erfolg, auch wenn das Ergebnis sozusagen verwässert wurde, bedauert Blumenstein. „Wäre nicht so viel Regen gefallen, hätte man die Wirksamkeit noch besser gesehen.“ Am deutlichsten dort, wo er und sein Team die Ausfällstoffe aus der Spree mit dem hauseigenen, patentgeschützten „Bodenbalsam“ vermischten, um damit den Boden der Brache anzureichern.
Den Bodenbalsam hatte Blumenstein bereits an der Uni mit seinem Team entwickelt. „Ist meinen Studenten noch in bester Erinnerung“, grinst der Firmengründer. „Die mussten mit der Schaufel ran.“ Das Rezept ist so einfach wie genial: Abgestimmt auf die Bedürfnisse des Bodens, der zu sanieren ist, werden mineralische, natürliche Komponenten dem Boden beigemischt, dazu ein Substrat, das die Wasseranbindung fördert. Damit das Wasser in der Nähe bleibt, hat Blumenstein mit seinem Team – seinen ehemaligen Studenten, dem Geoökologen Frank Pustlauck und dem Kaufmann Marcus Straka – ein Verfahren entwickelt, das Erosionsprozesse im Gestein nachbildet. „So entstehen unterirdische Reservoire mit Regenwasser aus natürlichen Substanzen“, sagt Blumenstein. Die Kombination beider Verfahren, weltweit einzigartig und patentiert, ermöglicht beispielsweise echte Maisernten in der Kalahari.
Mithilfe der UP Transfer GmbH an der Uni Potsdam gelang es Blumenstein, den Produktnamen „Bodenbalsam“ schützen zu lassen. Seither sind zwei Patente dazugekommen. „Ohne die Beratung und die gemeinsamen Projekte hätten wir das Start-up nicht gründen können“, sagt Blumenstein. Patentanmeldungen kosten schon mal fünfstellige Summen – „ohne Gewinngarantie!“ Weitere Messgeräte für Schadstoffe, Seltene Erden und digital abrufbare Wasserstandsmeldungen sind in Arbeit, denn durch Trockenheit drohende Ernteausfälle und Überschwemmungen gilt es zu verhindern. Ein echtes Zukunftsfeld, auch mitten in Brandenburg.
https://www.interenvirocon.de/
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer - 2022/2023 (PDF).