Skip to main content

Meeresfrüchte vom Land – Das Start-up „numi“ entwickelt pflanzliche Alternativen für Garnelen, Krabben und Fisch

Marilena Schmich (l.) und Anton Pluschk (r.)
Dem Original täuschend ähnlich: vegane Garnelen
Photo : Tobias Hopfgarten
Marilena Schmich (l.) und Anton Pluschk (r.)
Photo : Tobias Hopfgarten
Dem Original täuschend ähnlich: vegane Garnelen

„Sie merken schon, wir sind Perfektionisten“, sagt Marilena Schmich lachend, während sie vorsichtig einige Kleckse lachsfarbener Chili-Mayonnaise auf dem Teller drapiert. Ihr Kollege Anton Pluschke hat zuvor eine Gurke in feine Scheiben geschnitten, den Teller mit grünen Blättern garniert und – das Wichtigste – eine frisch in der Pfanne gebratene Garnele daraufgelegt. Nun sieht es appetitlich aus. Doch das, was hier auf dem Teller liegt, stammt nicht aus dem Meer. Die Garnele, die dem Original tatsächlich täuschend ähnlich sieht, ist ein veganes Produkt auf der Basis von Erbsen und Linsen.

Im April 2022 haben Marilena Schmich und Anton Pluschke gemeinsam mit Fabian Machens und Stuti Singh das Start-up „numi“ gegründet. Unterstützt werden sie dabei von Potsdam Transfer, der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer der Uni Potsdam. Ihr Ziel ist es, vegane Ersatzprodukte für Meeresfrüchte und Fisch zu entwickeln, als gesunde und nachhaltige Alternative. Marilena Schmich ist eigentlich Politikwissenschaftlerin und bringt Erfahrungen aus der Unternehmensberatung mit. Eine Passion für Meeresfrüchte hat sie aber schon seit ihrer Kindheit: „Ich habe japanische Wurzeln und bin mit dem Geschmack von Garnelen, Krabben und Fisch aufgewachsen, das gehört zu meiner Kultur.“ Weil ihr aber Tierschutz und Nachhaltigkeit wichtig sind, konsumiert sie kaum noch tierische Produkte. Gerade die Seafood-Industrie verursache massive Umweltprobleme. „Ich kenne den Geschmack von Garnelen und vermisse ihn schon manchmal“, sagt sie. Aber müssen Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, tatsächlich darauf verzichten oder geht es auch anders?

Für Marilena Schmich kam der Aha-Moment in einem Restaurant, als sie zum ersten Mal einen veganen Burger bestellte. „Ich dachte zunächst, meine Bestellung wurde falsch aufgenommen und ich esse einen Fleischburger.“ Die junge Gründerin war Feuer und Flamme: „Das hat mich nicht losgelassen, dass man mit pflanzenbasierten Produkten so etwas Erstaunliches erreichen kann.“

Gemeinsam mit ihrem Gründungsteam, das aus der Molekularbiologie und der Lebensmittel- und Biotechnologie kommt, möchte sie nun den Geschmack von Meeresfrüchten und Fisch in vegane Produkte bringen. Das ist eine Herausforderung, denn ein Stück Lachsfilet oder eine Krabbe auf Pflanzenbasis zu entwickeln, ist nicht so leicht, wie etwa einen Patty für einen Burger herzustellen. Die entsprechende Produktpalette ist noch sehr übersichtlich. „numi“ sieht in dieser Marktlücke eine Chance für die eigenen Produkte. Zumal der Markt für Alternativen zu tierischen Lebensmitteln rasant wächst.

Rund 22 Millionen Menschen ernähren sich in Deutschland vegan, vegetarisch oder flexitarisch – vermeiden also den Konsum tierischer Produkte ganz oder schränken ihn stark ein. Milchalternativen wie Soja- oder Hafermilch machen inzwischen zehn Prozent des Gesamtverbrauchs aus und hatten vergangenes Jahr einen Umsatzzuwachs von mehr als 15 Prozent. Fleischalternativen haben erst einen Marktanteil von einem Prozent, aber auch hier legte der Umsatz um 22 Prozent zu.

„Das Wichtigste ist, dass Geschmack, Aussehen, Textur und Nährwert gut zusammenkommen“, fasst Anton Pluschke die Herausforderung für seine Produkte zusammen. „Um Alternativen zu entwickeln, muss man erst einmal das zugrundeliegende Original – in unserem Fall den Fisch oder die Garnele – verstehen.“ Dafür nutzt das Team wissenschaftliche Methoden, für die sie dank eines EXIST-Gründungsstipendiums auch Labore und Geräte an der Uni Potsdam nutzen können. Auf molekularer Ebene wird analysiert, welche Verbindungen für Geruch, Geschmack, Textur und Aussehen verantwortlich sind. Die aktuelle wissenschaftliche Literatur liefert weitere Hinweise auf die richtige Rezeptur. „Es gibt verschiedene Moleküle mit unterschiedlichen Funktionen“, erklärt Marilena Schmich. Was sind etwa die entscheidenden Bausteine der Garnele und wie sind sie miteinander kombiniert? Gibt es für diese Moleküle bereits pflanzliche Alternativen in der Natur? Oder können sie mithilfe der Lebensmitteltechnologie nachempfunden werden?

Es soll nicht mehr lange dauern, dann möchte das Start-up mit seinen ersten Produkten in ausgewählten Berliner Restaurants an die Öffentlichkeit gehen. „Das wird für uns ein Pilottest“, sagt Marilena Schmich. Um anschließend große Mengen für Supermärkte produzieren zu können, sucht das Gründungsteam noch nach Industriepartnern. „Wir sind noch nicht beim Endprodukt angekommen“, betont Anton Pluschke, der die Rezeptur permanent weiter verfeinert.

Das notwendige Feedback für Verbesserungen holt sich das Gründungsteam auch bei regelmäßigen Verkostungen von Potsdamer Studierenden ein. „Beim ersten Mal hatten wir dafür eigentlich drei Stunden vor der Mensa eingeplant, aber nach 45 Minuten waren alle 60 Proben schon aufgegessen“, erzählt Marilena Schmich. Die Testpersonen wurden anschließend gefragt, ob sie das Produkt auch kaufen würden. Ganz am Anfang beantworteten 25 Prozent diese Frage mit „Ja“, bei der letzten Verkostung im Juli waren es bereits 61 Prozent. Das ist schon phänomenal“, freut sich Anton Pluschke. Aber für den Gründer ist das noch nicht genug. „Es muss noch besser werden. Wir sind eben Perfektionisten.“

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2022 „Artensterben“ (PDF).

Published

Online editorial

Sabine Schwarz