Euer Magazin nennt sich „Heckmag – Magazin für (un)nötige Aufregung“. Ihr spielt damit auf „Heckmeck“ an – ein schönes Wort für „unnötiges Getue“. Wann ist denn Aufregung angebracht und wann ist sie unnötig?
Unser Alltag ist in heutigen Zeiten oft chaotisch, einfach ein ganz schönes Kuddelmuddel. Heckmeck wird meist als etwas Unnötiges angesehen. Aber manchmal muss man sich doch auch empören dürfen und gleichzeitig auch im positiven Sinne aufgeregt sein können? Man muss nicht immer einfach alles hinnehmen, wie es ist. Unsere Plattform soll Alltagsphänomene hinterfragen und einen Diskurs anregen. Wann Aufregung wirklich nötig ist oder nicht, das liegt am Ende aber wohl im Auge des Betrachters. Wir bieten gerne einen Raum für unterschiedliche Seiten eines Diskurses und interviewen dafür Menschen oder lassen sie selbst zu Wort kommen.
Ist der Name auch ein ironischer Verweis auf die Stiefmütterlichkeit der Kultur(wissenschaft)? Wie notwendig ist Kultur, wie wichtig ist das Fach heute?
Im (kultur)wissenschaftlichen Kontext wird zwar vieles diskutiert und es werden neue Sichtweisen geschaffen, oftmals hat dies aber keine weiteren Auswirkungen außerhalb der eigenen (akademischen) Bubble. Als „Kultur“ lassen sich fast alle Facetten des Lebens beschreiben und die daraus resultierende Diversität ist so faszinierend wie wichtig. Dementsprechend sollten sich wissenschaftliche Betrachtungsweisen und künstlerisches Schaffen ergänzen und nicht ausschließen. Dass das nicht in jedem Rahmen möglich ist, ist uns klar, mit unserem Magazin wollten wir aber den Versuch wagen, beides zu vereinen. Vielleicht holt man damit auch neue Menschen aus anderen Bereichen und mit anderen Hintergründen ab.
Ihr studiert den Master „Angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik“ bei Prof. Dr. Eva Kimminich an der Philosophischen Fakultät. Haben alle bisherigen Titelgeschichten – Werbung, Insel, Mafia – einen Bezug zu Lehrveranstaltungen oder -projekten?
Die Idee, ein Magazin zu gründen, entstand durchaus aus der Motivation heraus, kulturwissenschaftliche und -semiotische Inhalte auch einem größeren, nichtakademischen Publikum zugänglich zu machen. Da war es natürlich naheliegend, mit Themen zu beginnen, mit denen wir uns bereits im Studium auseinandergesetzt hatten. Aufhänger für die erste Ausgabe „Werbung“ war auf jeden Fall ein Video, das unsere Redaktionsmitglieder Alina und Lana im ersten Semester zum Thema „Adbusting“ erstellt hatten.
Während die „Insel“-Ausgabe etwas freier ausgelegt war, sind sowohl die Ausgabe zum Thema „Mafia“ als auch die kommenden zwei Ausgaben an die Abschlussarbeiten unserer Redaktionsmitglieder gebunden. Insofern sind diese Ausgaben nicht direkt von bisherigen Lehrveranstaltungen beeinflusst, die finalen Beiträgen werden aber so im Nachhinein Teil unseres Studienkontextes gewesen sein. Das ist auf jeden Fall super spannend für uns.
Wie kam die Idee zu der Zeitschrift? Und: Wer braucht heute noch Magazine?
Die Idee, ein Magazin zu gründen, entstand, weil einige von uns die Möglichkeit unseres Studiengangs ausnutzen und keine klassische Masterarbeit schreiben wollten, die am Ende vielleicht drei Personen zu Gesicht bekommen. Wir wollten Abschlussarbeiten erstellen, mit denen wir unseren Familien und Freund:innen zeigen konnten, was Kultursemiotik eigentlich ist und wie uns unsere Studieninhalte dabei geholfen haben, verschiedene Alltagsphänomene auf diese Art neu zu sehen und zu reflektieren. Dass unsere Leserschaft mittlerweile sogar darüber hinausgewachsen ist, macht uns wirklich stolz!
Während die ersten zwei Ausgaben nur online erschienen sind, ist die dritte Ausgabe nun auch als Printmagazin verfügbar. Dabei haben wir gemerkt, dass die Wertschätzung auf beiden Seiten eine ganz andere ist, als wenn man „yet another online blog“ liest. Irgendwie ist es doch manchmal schön, in diesen digitalen Zeiten etwas Haptisches und liebevoll Gestaltetes in den Händen halten zu können.
Das Layout wirkt minimalistisch und dabei ausdrucksstark: Die aktuelle Ausgabe zum Thema „Mafia“ ist bis auf das Titelblatt ganz in Schwarz und Weiß gehalten, mit „selbstgemachten“ Fotos und Zeichnungen. Das hat etwas von einem Gesamtkunstwerk! Dazu Interviews, Reportagen, Reflexionen und literarische Formate. Welchen Anspruch habt ihr an Gestaltung und Textformen?
Uns war es immer wichtig, eine Mischung aus wissenschaftlichen und freieren, kreativen Beiträgen zu haben. Genau so ist es uns möglich, aufzuzeigen, wie unterschiedlich und divers die Assoziationen und Meinungen zu einem bestimmten Thema sein können. Hierbei ist es allen Mitwirkenden selbst überlassen, welche Text- oder Präsentationsformen sie letzten Endes wählen. Natürlich wird das Ganze am Ende dann doch so von uns kuratiert, dass ein stimmiger Mix aus verschiedenen Beiträgen entsteht. Diese Schnittstelle zwischen DIY-Zine und Magazin hat uns dafür gut gefallen, auch wenn es vielleicht nicht der konventionellste Ansatz ist. Wir haben derzeit einfach Spaß daran, uns auszuprobieren. Dass hier teilweise aber auch zeitliche und finanzielle Faktoren mit reinspielen, müssen wir natürlich nicht verheimlichen. Manche gestalterische Elemente sind ein Kompromiss zwischen Wunschvorstellung und realistischer Umsetzung.
Worum geht es in der nächsten Ausgabe?
„Unter die Haut“ ist das Thema des nächsten Hefts: Es geht um Tattoos über Piercings bis hin zu sichtbaren und unsichtbaren Narben, Körpermodifikationen – und einfach alles, was einem sonst noch unter die Haut geht. Derzeit läuft unser Open Call zu dem Thema und wir freuen uns über viele kreative Einreichungen.
Die Fragen beantworteten Friedrich Riemann, Alina Fetting, Lana Debus, Benedikt Sylvester und Carla Magnanimo.
Ausgaben und weitere Informationen: https://heckmag.com/
Fotos zum Download: Doppelseiten aus der aktuellen Ausgabe "Mafia". Fotos: Heckmag.