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Betriebsbesuch – Die Präsenzstelle O-H-V | Velten baut Brücken zwischen Schulen, Hochschulen und der regionalen Wirtschaft

Die Präsenzstelle im Bahnhof Velten. Das Foto ist von Thomas Roese.
Mareen Curran und Josephine Stolte, Mitarbeiterinnen in der Präsenzstelle O-H-V Velten. Das Foto ist von Thomas Roese
Schüler besuchen zur Berufs- und Studienorientierung das Unternehmen ME-Meßsystemein Hennigsdorf
Photo : Thomas Roese
Präsenzstelle im Bahnhof Velten
Photo : Thomas Roese
Mareen Curran und Josephine Stolte, Mitarbeiterinnen in der Präsenzstelle O-H-V Velten
Photo : Nadja Bossmann
Schüler besuchen zur Berufs- und Studienorientierung das Unternehmen ME-Meßsystemein Hennigsdorf

Warum kippt ein Feuerwehrauto nicht um, wenn seine Leiter zur Seite ausfährt? Dr. Holger Kabelitz kann das erklären: „Weil Sensoren, die wie Pflaster an den belasteten Teilen des Fahrzeugs kleben, bei Gefahr von Überdehnung Alarm schlagen.“ Kabelitz stellt solche Sensoren in seinem Unternehmen „ME-Meßsysteme“ im Industriepark Hennigsdorf Nord her. Das Kürzel „ME“ steht für Magneto Elastischer Dehnungsmessstreifen. Begeistert erzählt der Ingenieur im Konferenzraum seines Unternehmens von den Einsatzmöglichkeiten der Streifen, die von der Röntgen-Kanone bis zur Strohballen-Presse reichen. Sein Publikum sind 17 Schüler aus dem Leistungskurs Elektrotechnik des Oberstufenzentrums Hennigsdorf.

Sie folgten der Einladung der Präsenzstelle O-H-V | Velten, einer Einrichtung der Universität Potsdam und der Technischen Hochschule Brandenburg, die Brücken baut zwischen Schulen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen. „Termine wie heute sind genau unser Ziel“, sagt Mareen Curran von der Präsenzstelle. „Wir verbinden Schulen mit Unternehmen, um den Jugendlichen Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen. Gleichzeitig verknüpfen wir das ‚Netzwerk Studienorientierung Brandenburg‘ mit unserem regionalen Wirkungsbereich hier in Oranienburg, Hennigsdorf und Velten.“

Mathias Lichtenheldt arbeitet in diesem Netzwerk und gibt vor Ort einen Schnellkurs in Sachen Hochschule. Er wirft Torten-Diagramme an die Wand und erläutert die aktuellen Studienbedingungen. Etwa, dass statt der früher möglichen 900 Bachelor-Studiengänge heute rund 10.000 Fächer zur Wahl stehen. Er informiert über Bafög und Stipendien und erklärt, warum Zulassungsbeschränkungen in Städten wie Berlin und Potsdam höher sind als anderswo und dass es zum Beispiel an der Technischen Hochschule Brandenburg gar keinen NC gibt. „Sich umschauen und bewerben, Hochschulen, Ausbildungsbörsen und die Präsenzstelle besuchen – Handeln hilft bei der Suche nach dem richtigen Studienplatz“, sagt er und wünscht den Schülern „Handlungsmut“. Ihr Beifall lässt vermuten, dass sie die Aufforderung annehmen.

Die Wahl des richtigen Studiums ist nicht ohne. Auch Holger Kabelitz wusste nach dem Abitur erst einmal nicht, was er werden wollte, und studierte kurzfristig Musik. Heute beschäftigt er 80 Leute, die 30.000 Sensoren pro Jahr herstellen. Das Berufsangebot bei „ME“ klingt nach einer Spielwiese für den physikaffinen Leistungskurs. Es reicht vom Bauteilchen-Entwickler bis zum Prototyp-Konstrukteur. „Wer will was mit Technik machen?“, fragt der Firmenchef. Die Mehrzahl der Schüler hebt die Hand.

Der Besuch bei „ME-Meßsysteme“ sei pandemiebedingt ihr erster Termin zur Berufsorientierung, sagt Fachlehrerin Uta Pototzki. Sonst gebe es in der 12. Klasse Besuche von Science Labs und Berufsmessen. Dieser Jahrgang tendiere aber eher in Richtung Ausbildung statt Studium.
Auch dafür hat Holger Kabelitz ein Angebot: „ME“ bildet Elektroniker, Mechatroniker und kaufmännische Angestellte aus. „Daraus lässt sich ja auch ein duales Studium machen oder man studiert im Anschluss“, sagt der Ingenieur und führt die Schüler durch das Werk. Er stellt die verschiedenen Prozesse der Fertigung vor, einige Mitarbeiter erklären ihre Projekte. Die Jungen erkennen Stoff aus dem Klassenraum wieder.

Was hat der Vormittag gebracht? David Sonnenberg, 18, will eine Ausbildung zum Elektrotechniker oder Informatiker machen. „Ich finde es beängstigend, wie wenig Ahnung wir wegen Corona bis jetzt von unserer Zukunft haben. Darum sind die Einblicke hier sehr wichtig. Aber ich mache lieber eine praktische Ausbildung, als zu studieren. Die Schule ist gerade stressig genug.“

Alen Cerkez, 20, will Informatik studieren. Er findet die Präsentationen spannend und informiert sich gern weiter. Bisher sei das nur in der Schule und online geschehen. Die Präsenzstelle zu besuchen, war ihm vor diesem Termin nicht in den Sinn gekommen.

Mareen Curran ist zufrieden. „Seit unserer Eröffnung im vergangenen Jahr haben wir von zwölf weiterführenden Schulen neun im Boot, mit denen wir jetzt Projekte planen können oder sogar schon umgesetzt haben.“ Parallel sind sie und ihre Kollegin Josephine Stolte mit 30 regionalen Unternehmen im Gespräch. Und wie ist das Feedback bisher? „Die Schülerinnen und Schüler sind dankbar, dass sie nicht nur beschallt werden, sondern wir auf ihre Lebenssituation eingehen. Je mehr Möglichkeiten sie haben, desto mehr wächst auch ihre Unsicherheit. Den Beruf Lehrerin kann man sich vorstellen, den einer Customer Relationship Managerin eher nicht. Da vermitteln wir nicht nur Wissen, sondern auch Mut. Und das Gefühl: Dies muss keine Festlegung fürs ganze Leben sein.“

Präsenzstellen wie die in Velten gibt es im ganzen Land Brandenburg. Die erste wurde 2005 in der Prignitz eröffnet. Mittlerweile hat das Projekt zehn Standorte. Josephine Stolte beschreibt die Bandbreite des Engagements: „Wir sind die Türöffner in die Hochschulen in hochschulfernen Regionen. Wir bieten erste Informationsgespräche zur Studienwahl, die mittlerweile dank Mundpropaganda sehr gefragt sind. Aber unsere Unterstützung hört nicht auf, wenn das Studium anfängt. Dank unserer vielen Unternehmenskontakte können wir auch Praktika oder Nebenjobs vermitteln.“

Die beiden Frauen organisieren aber auch Events wie den ersten „Brandenburger Science Slam“ am 13. Mai 2022. Ein Wettstreit aller brandenburgischen Hochschulen, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in zehnminütigen Vorträgen versuchen müssen, ein Laien- Publikum für ihre Forschung zu begeistern. Wer mitmachen will, kann sich bewerben: bis 31. Januar bei allen Präsenzstellen.

www.praesenzstelle-velten.de

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2021/22 (PDF).