Während einer Exkursion in die Gedenkstätte des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstgefängnisses entwickelte Joulia Hoppen eine Methode, sich den fremden Erinnerungen zu nähern. Über viele Stunden schaute sie sich die dort ausgestellten Interviews mit Zeitzeugen an und porträtierte sie parallel. Sie versuchte, den stetig sich wandelnden Gesichtsausdruck im fluiden, bewegten Prozess festzuhalten. Diese schwierigere Methode einer getreuen Abbildung der so „Gezeichneten“ verweist auf die Unmöglichkeit einer realen Annäherung an das vergangene und zugleich gegenwärtige Leid der Opfer. Die inzwischen von der Gedenkstätte angekauften Arbeiten werden, bevor sie dort ausgestellt werden, nun noch einmal im Kontext weiterer Skizzen und Entwürfe zur Exkursion gezeigt.
Ebenfalls in der Galerie zu sehen ist die Installation „Abstammung“ von Student Marius Illgen. Auf drei Holzscheiten widmet er sich vier Generationen, die die weibliche Linie seiner eigenen Familiengeschichte verdeutlichen. Seine Acrylmalereien führt er mit einer solchen Präzision aus, dass sie mit der Nähe zur Fotografie spielen können. Dabei wechselt er getreu der technischen Entwicklung von Schwarz-Weiß zu farbig und erzählt eine transgenerative Abstammungsgeschichte, die, auf dem Boden platziert, Bildhauerei und Malerei gelungen zusammenführt.
Nadine Hoffmann widmet sich der „Transformation sich auflösender Erinnerungen“. Sie zeigt in der Galerie des KOSMOS die Installation eines ganzen Forschungsapparates, der Fotos verarbeitet. Fotografien werden hier in Einweckgläsern verschiedenen Säuren, Ölen, Schaumweinen oder einfach nur dem Wasser ausgesetzt. Der eingefrorene Augenblick der Fotografie beginnt sich dabei aufzulösen. Radikal kann das wie im Video (https://youtu.be/e9hVaes6Dhk) zur Auslöschung führen oder – wie in der Fülle von Exponaten – zu völlig neuen eindrucksvollen fluiden Erinnerungen an den 18. Geburtstag und weitere einschneidende Erlebnisse der jungen Künstlerin.
Student Leon Riedel zeigt in Aquarell gemalte Ohren von überdimensionaler Größe, die in den Veranstaltungsraum hineinlauschen. Wenn also hier die Wände Ohren haben, so verweist das gleich doppelt auf den historischen und gegenwärtigen Ausstellungsort, den Riedel damit einfängt. Während das alte Rechenzentrum in der DDR durchaus auch Ohren und Wände der sprichwörtlichen Überwachung haben konnte, so zeigen sich im heutigen KOSMOS des Kulturortes seine Ohren als Attribute der Neugierde für die vielen Konzerte, die dort stattfinden.
Studentin Lilly Hubatsch hingegen widmet sich skulptural und konzeptuell dem Fuß, genauer dem Fußpilz. Sie zeigt neben einem metergroßen Fußmodell mit ausgewachsenen, farbenfrohen Riesenchampignons einen komplexen Informationstisch, der zwischen professioneller Medikamentenwerbung und böser Satire changiert.
Mit Julius Jacobsen und Tabea Russo werden noch zwei Positionen gezeigt, die sich dem Schönen und Schwachen widmen: Jacobsen erzählt mit seinen freien und vergnügten Zigarettenmalereien Geschichten ausgerauchter Begegnungen in einem Aschenbecher. Und Russo spielt skulptural mit den süßen Früchten und Beeren, indem sie vergrößerte Erdbeerfrüchte und Melonen als Modell einer zuckersüßen Süßigkeit gegenüberstellt.
Ort: Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum, Dortustraße 46, 14467 Potsdam
Öffnungszeiten: 02.02.2022, 12:00-15:00 Uhr und 10.2.2022, 11:00-15:00 Uhr,
02.02.2022, 19:00 Uhr: „Gezeichnete“ - Portraits aus der Leistikowstraße von Joulia Hoppen
Weitere Besichtigungen können bis zum 10. Februar individuell vereinbart werden per Mail koselleckuuni-potsdampde. Es gilt die Regelung 2G+
Internet: https://rz-potsdam.de/cms/event/rundgang-studierender-der-uni-potsdam-im-fachbereich-kunst-2/