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Merkels Flüchtlingspolitik war kein Migrationstreiber

Grafik, keine Verlinkung
Photo : Berechnungen der Autoren auf Grundlage von Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Asyl
Die Grafik zeigt die Entwicklung von a. Zuwanderung und Asyl sowie b. Migrationsabsichten von 2000 bis 2020. Jährliche Werte repräsentieren den Prozentsatz und sind relativ zum Wert im Jahr 2015 abgetragen – dem Jahr, in dem Angela Merkel die Grenzen für Flüchtlinge offen hielt. Zum Beispiel: Der Wert für Zuwanderung nach Deutschland im Jahr 2019 ist 50 Prozent, d.h. die Anzahl der Zuzüge nach Deutschland war im Jahr 2019 halb so groß wie im Jahr 2015 (100 Prozent).

Die hohen Zuwanderungszahlen im Jahr 2015 waren das Ergebnis eines Aufwärtstrends, der sich seit Jahren abzeichnete. Zudem hat die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel im September 2015, Tausende von Asylsuchenden über die Grenze nach Deutschland einreisen zu lassen, nicht zu einer dauerhaft erhöhten Zuwanderung geführt. Dies belegt eine neue Studie von Jasper Tjaden, Professor für angewandte Sozialforschung und Public Policy an der Universität Potsdam, und Tobias Heidland, Direktor des Forschungszentrums „Internationale Entwicklung“ am Institut für Weltwirtschaft, welche die Migrationsbewegungen und -absichten für die Jahre 2000 bis 2020 analysiert und mit anderen EU-Zielländern vergleicht.

„Eine offene Migrationspolitik für Menschen in Not führt nicht zwangsläufig zu einer langfristig anhaltenden Zuwanderung. Zwar verbreitete sich die Nachricht von Angela Merkels Entscheidung rasant über Medien und soziale Netzwerke, doch der von Kritikern befürchtete Pull-Effekt, dass sich erst deswegen viel mehr Asylsuchende auf den Weg nach Deutschland machen würden, trat nicht ein“, so Tobias Heidland. „Selbst die Auswanderungsabsichten potenzieller Migranten in den Herkunfts- oder Erstasylländern wie der Türkei stiegen höchstens kurzfristig an.“

Für die Studie untersuchten die beiden Autoren eine breite Palette von Datenquellen: verschiedene Datensätze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Europäischen Union, Umfragedaten in den Herkunftsländern und Google-Suchdaten. Die Ergebnisse zeigen, dass Merkels Entscheidung im Jahr 2015 keinen messbaren Einfluss auf die nachfolgenden Migrationsbewegungen nach Deutschland bis 2020 – dem Beginn der Corona-Pandemie – hatte.

Die hohen Migrationszahlen nach Deutschland im Jahr 2015 waren dagegen das Ergebnis eines Aufwärtstrends, der bereits 2010 begann und sich 2014 und 2015 zum Teil durch Finanzierungslücken bei der Versorgung von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeländern im Nahen Osten intensivierte. Statt sich weiter zu beschleunigen, gingen die Migrationszahlen nach 2015 deutlich zurück – sogar schneller als in anderen EU-Zielländern.

Eine Vielzahl von Faktoren ist für den starken Rückgang in der Migration nach 2015 verantwortlich, insbesondere die zunehmend restriktive Migrationspolitik Deutschlands (wie das EU-Türkei-Abkommen, die Schließung der Balkanroute, die Beschränkung des Familiennachzugs, etc.) sowie die verbesserten Lebensbedingungen für syrische Flüchtlinge in den Lagern des Nahen Ostens.

„Unsere Analyse zeigt sowohl, dass eine Willkommenspolitik nicht zwangsläufig mehr Zuwanderung produziert, als auch, dass Staaten sich schnell an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und Migration regulieren können“, erläutert Jasper Tjaden. „Was wir aus der deutschen Flüchtlingspolitik seit 2015 lernen können, ist auch für andere Staaten relevant: Sie können dringend benötigten Flüchtlingsschutz gewähren – und wieder begrenzen, wenn Kapazitäten erreicht sind.“

Weiterführende Informationen:

Publikation

Heidland, T., und Tjaden, J. (2021) Does welcoming refugees attract more migrants? The myth of the ‘Merkel effect’ Kiel Working Paper 2194. Institut für Weltwirtschaft, Kiel.

Grafik: Berechnungen der Autoren auf Grundlage von Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Asylanträge und Registrierungen), Statistisches Bundesamt (Zuwanderung), Gallup World Poll (Auswanderungsabsichten), Google Trends.

Anmerkung: Die Grafik zeigt die Entwicklung von a. Zuwanderung und Asyl sowie b. Migrationsabsichten von 2000 bis 2020. Jährliche Werte repräsentieren den Prozentsatz und sind relativ zum Wert im Jahr 2015 abgetragen – dem Jahr, in dem Angela Merkel die Grenzen für Flüchtlinge offen hielt. Zum Beispiel: Der Wert für Zuwanderung nach Deutschland im Jahr 2019 ist 50 Prozent, d.h. die Anzahl der Zuzüge nach Deutschland war im Jahr 2019 halb so groß wie im Jahr 2015 (100 Prozent).

Fachliche Ansprechpartner

Prof. Dr. Jasper Tjaden
Professor für angewandte Sozialforschung und Public Policy
Universität Potsdam
Telefon:  0331 977-362040
E-Mail: jasper.tjaden@uni-potsdam.de 

Prof. Dr. Tobias Heidland
Direktor
Research Center Internationale Entwicklung
Institut für Weltwirtschaft
Telefon: 0431 8814-367
E-Mail: tobias.heidlandifw-kielde