Mein Name ist Kristina Nistor. Ich bin 29 Jahre alt und komme aus Moldawien, aus einem kleinen Ort namens Purcari. Meine Eltern leben immer noch dort. In meiner Heimat habe ich Betriebswirtschaft studiert und zwei Jahre als Manager-Assistentin bei einer Firma gearbeitet, die Saunen herstellt. Leider wurde die Arbeit so schlecht bezahlt, dass ich von dem Gehalt nicht einmal meine Miete zahlen konnte und mit 24 Jahren noch auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen war. Das ging so nicht weiter. Ich zog nach Deutschland, wo meine Geschwister bereits lebten und wohnte zunächst bei meiner Schwester in Oranienburg.
Als ich ankam, konnte ich kein Wort Deutsch. In Moldawien spricht man Rumänisch, und ich hatte Russisch, Englisch, Französisch und ein bisschen Spanisch gelernt. Also besuchte ich erst einmal einen Deutschkurs. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Tag, denn die Lehrerin sprach nur Deutsch. Ich dachte: „Oh je, das schaffe ich nie!“ Aber ich habe nicht aufgegeben und weiter gelernt. Dann suchte ich mir einen Job in einem Café. Als Kellnerin musste ich viel sprechen und konnte so mein Deutsch verbessern.
Selbstvertrauen zurückgewonnen
Durch Zufall hörte ich, dass die Universität Potsdam einen Brückenkurs in BWL für Akademiker mit Migrationshintergrund anbietet. Ich habe mich gleich beworben, ein Vorstellungsgespräch bekommen und wurde angenommen. Natürlich habe ich mich sehr gefreut.
Der Kurs machte unglaublich viel Spaß. Ich vermisse diese Zeit, in der ich so viele Leute kennengelernt habe. Wir waren 18 Personen. Die meisten hatten schon Betriebswirtschaft studiert, bis auf zwei, die Juristen waren. Mit vier der Frauen bin ich bis heute sehr gut befreundet. Wir unterstützen uns gegenseitig. Sie kommen aus Bulgarien, Afrika, der Ukraine und Puerto Rico. Der Kurs hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.
Ich hätte mich ohne ihn nie getraut, mich um einen Job zu bemühen, der meiner Ausbildung entspricht. Das ökonomische Fachwissen – Management, Controlling, Buchhaltung – war für mich nur eine Auffrischung, das hatte ich ja bereits studiert. Aber die übergreifenden Fächer wie Kommunikation und Coaching waren extrem hilfreich, allein um zu wissen, wie man sich in Deutschland bewirbt, wie man ein Anschreiben formuliert – so etwas gibt es bei mir zu Hause nicht. Das habe ich erst in Potsdam gelernt. Wir übten Bewerbungsgespräche und filmten sie, damit wir danach sehen konnten, was gut lief und was wir noch verbessern mussten. Wir haben viel geübt, geübt und geübt.
Bestanden zu haben, war ein tolles Gefühl
Neben der Uni habe ich weiter in meinem Mini-Job gearbeitet und mich auf diese Weise finanziert. Nur für die letzten drei Monate des Kurses hat mich das Jobcenter finanziell unterstützt. Anders ging es nicht. Ich wohnte in Oranienburg und musste jeden Tag nach Potsdam fahren. Wenn ich abends nach Hause kam und die Hausaufgaben erledigt hatte, war der Tag fast vorbei. Das war schon eine sehr intensive Zeit. Wer Extra-Aufgaben annehmen und mehr lernen wollte, konnte das tun. Ich habe vor allem weiter mein Deutsch verbessert.
Unser Abschluss bestand aus Prüfungen in allen Unterrichtsfächern und einer Deutschprüfung in Berlin, ganz offiziell mit fremden Prüfern. Bestanden zu haben, war ein tolles Gefühl. Ich war sehr stolz. Und ich hatte Glück, denn für mein dreimonatiges Kurs-Praktikum kam ich bei der Opel Bank unter. Das verlief sehr erfolgreich, sodass ich gleich nach meinem Abschluss dort einen Job bekam, als Sachbearbeiterin im Ankauf. Zwei Jahre bin ich jetzt in der Bank. Die Arbeit macht Spaß, die Kollegen sind nett und die Arbeitsatmosphäre ist sehr freundlich.
Natürlich möchte ich in Deutschland bleiben. Meine Geschwister sind hier. Meine Eltern kommen oft zu Besuch. Ich kann mir gut vorstellen, mich hier weiterzuentwickeln und vielleicht in Potsdam Marketing zu studieren. Das überlege ich aber noch.
Ich glaube, das Wichtigste für Menschen wie mich, die ganz neu anfangen müssen, ist, nicht aufzugeben. Ich habe das zu oft gesehen. Jemand schickt zwei Bewerbungen raus, hört nicht gleich etwas und denkt: „Die wollen mich nicht, Deutschland ist nichts für mich, die wollen zu viele Unterlagen.“ Ich habe sie und mich dann immer motiviert: „Das hat nichts mit dir zu tun. Das braucht Zeit.“ Mein Bruder hat einen guten Job im Personalwesen. Dafür musste er 112 Bewerbungen schreiben. Aber es hat sich gelohnt.
Ich bin wirklich dankbar für all die Motivation und die Unterstützung, die ich an der Universität erhalten habe. Für all die Beispiele, die uns gezeigt haben, dass man es schaffen kann.
Brückenmaßnahme Betriebswirtschaft
Die Qualifizierung wird organisiert und durchgeführt von der UP Transfer GmbH an der Universität Potsdam. Die Kurse bauen auf der im Ausland erworbenen akademischen Ausbildung und den beruflichen Erfahrungen der Teilnehmenden auf. Neben erweiterten Deutschkenntnissen werden sowohl betriebswirtschaftliche Fachinhalte als auch überfachliche Qualifikationen wie der Umgang mit MS-Office vermittelt. Als Projekt des Förder-programms „Integration durch Qualifizierung“ zielt die Brückenmaßnahme auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationsgeschichte ab.
www.bwl-brueckenmassnahme.de
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2020/21 (PDF).