Das „Wassersportzentrum der Universität Potsdam Hermannswerder“ liegt – wie der Namen schon sagt – vis à vis der Halbinsel Hermannswerder am nördlichen Ufer des Templiner See. Hier überrascht der weitreichende Blick über den See: Wie im Urlaub! Vor dem 2018/19 modernisierten Gebäude erstreckt sich eine Wiese, an deren Ufer ein Holzsteg ins Wasser reicht. Boote schwanken hin und her, das Wassersportzentrum hat eine kleine Flotte neuer Segelboote. Um die sanierte Fassade des Gebäudes reihen sich Holzständer, auf denen moderne Ruderboote, bunte Kajaks, Kanus und zwei Drachenboote lagern.
„Für den Wassersport war Corona ein Segen!“
Plötzlich kommt Leben ins friedliche Stillleben: Sechs sportlich gekleidete Frauen kommen mit riesig anmutenden SUP Boards um die Ecke. Sie alle wollen den Yoga-SUP-Kurs ausprobieren. „Herzlich willkommen! Ich bin Nandi!“, stellt sich der Kursleiter vor. Die grell gelbe Sportkleidung unterstreicht seine gebräunte Haut, die verspiegelte Sonnenbrille steckt er ins Haar, das er zu einem französischen Zopf geflochten trägt. Nandi gibt Yogaunterricht – im Sommer auf dem Wasser und im Winter in der Halle. Eines sei jedoch immer gleich: „Es kommen deutlich mehr Frauen als Männer.“
Dieses ungleiche Männer-Frauen Verhältnis gebe es jedoch lediglich bei den Yogakursen, meint Ronald Verch, der seit dem vergangenen Jahr für die Wassersportkurse der Uni Potsdam verantwortlich ist. „Corona hat dafür gesorgt, dass die Leute noch lieber aufs Wasser wollten, als sonst schon.“ Dabei sei die Entwicklung zum Beginn der Saison völlig unklar gewesen. „Die Paddeltour fiel dieses Jahr wortwörtlich ins Wasser, abgesagt wurden weitere beliebte Events vom Hochschulsport wie das Bouldercup ClimbUP, PUTZdam und Workout-Mix, der AOK-Firmenlauf – Team Uni Potsdam und das Campus Festival und im Juli dann schließlich auch noch das beliebte Klitschnass Festival“, berichtet Verch achselzuckend. Selbst, als im Mai Sport unter freiem Himmel wieder erlaubt war, durften die Wassersportler noch nicht raus. Denn die Gewässer gelten nicht als „Sportstätten“, sondern als öffentlicher Raum. „Dort waren weiterhin nur zwei Personen erlaubt und Wassersport in der Gruppe weiterhin Tabu …“
Windsurfing war der neue Hit
Inzwischen haben die Teilnehmerinnen und ich die Schuhe am Ufer zurück- und die Boards vom Steg zu Wasser gelassen. Stehend sind wir in die gegenüberliegende Bucht gepaddelt, jeder in seinem Tempo, barfuß und mit einem SUP-Paddel bestückt. Ich bin weder abgetrieben noch ins Wasser gefallen, puh! Nandi hat unsere acht SUPs am Bug sternförmig aneinandergebunden, ein wackeliges Unterfangen, was jemanden wie ihn offenbar nicht aus der Ruhe bringt. „Um anzukommen, legen wir uns als Erstes auf den Rücken,“ sagt er. Und ich frage mich, was er mit „ankommen“ meint … auf dem Wasser, im Sportkurs, im „Hier und Jetzt“? Wahrscheinlich alles in einem. Anders als am Ufer merkt man auf dem Wasser jede Bewegung der anderen. Den Kopf zu drehen genügt, um alle Boards schwanken zu lassen. So sind wir jeder für sich und doch alle zusammen. Ich versuche besonders regungslos zu liegen – und überlege, wie man sich freiwillig ein Wasserbett anschaffen kann. „Wie fühlt sich das an?“, fragt Nandi mit bedeutungsschwangerer, sonorer Stimme, um uns weiter auf die spirituelle Kurzreise zu führen…
Als Ende Mai 2020 weitere Lockerungen kamen, reagierte auch der Hochschulsport schnell und sorgte für mehr Kurse – insbesondere beim Stand-UP-Paddling, Kanu und Windsurfen. „Beim Windsurfing kommt sich keiner zu nahe, da hat die Nachfrage unsere Kapazitäten um das Sechsfache überschritten. Überraschend gefragt war im weiteren Verlauf des Sommers auch Kanu-Polo; nur Drachenboot ging schlecht, sicherlich auch, weil hier viel zu viele Menschen in einem Boot sitzen“, sagt Ronald Verch. Trotzdem mussten sich die Verantwortlichen im Wassersportzentrum genau überlegen, wie die Abstands- und Hygieneregeln umgesetzt werden konnten. Bislang ist Verch mit dem Ergebnis zufrieden: „Es war toll, wie verantwortungsvoll und sensibel alle Beteiligten mit der Situation umgegangen sind. Vermutlich waren sie froh, endlich wieder Sport machen zu können, und wollten dies nicht aufs Spiel setzen.“
Mittlerweile schwitze ich bewegungslos in Rückenlage auf dem SUP – und die erste Asana (Übung) hat noch nicht mal begonnen! Die Kraft der Sonne überrascht, nur gut, dass ich mich mit LSF 50 eingecremt habe. Kurz blinzle ich in vereinzelte Sommerwolken und staune über das klare Blau des Himmels. Dann versuche ich, meine Konzentration nach innen zu richten. Es ist so grell, dass ich gar nicht anders kann, als die Augen zu schließen. Vereinzelt dringt das leise Rauschen von Autos herüber. Die Schulglocke einer nahe gelegenen Schule läutet … „Spüre nach …!“, ermahnt mich Nandi, meine Gedanken ziehen zu lassen.
Durch Corona hat sich der Fokus der Kurse einerseits klar auf Outdoor verschoben. Neben Yoga auf dem SUP gibt es mittlerweile auch Zumba, Pilates oder Salsa Kurse, die im Freien durchgeführt werden. Andererseits musste sich der Hochschulsport digital neu aufstellen, wie Julia Schoenberner vom Team berichtet: „Durch die Einschränkungen mussten wir umdenken. Der erste große Einschnitt war die Umstellung auf digital, live und on-demand. Wir haben in zwei Sporträumen recht professionelle Studios eingerichtet und dort unsere Kurse durchgeführt.“ Als die Lockerungen kamen, konnten zwar wieder mehr Präsenzangebote geschaffen werden, allerdings mit deutlich weniger Teilnehmenden als zuvor. Dadurch bleiben die digitalen Angebote wichtig: „Wir wollen die neuen Formate, also die On-Demand-Kurse und die Podcasts, weiterhin auf der Homepage verfügbar lassen. Außerdem werden noch weiterhin Kurse online angeboten, da viele Teilnehmende nach wie vor nicht in Potsdam sind.“
Wir, derweil äußerst präsent in Potsdam auf dem Wasser, versuchen uns in unterschiedlichen Yoga-Übungen – sitzend, stehend, im „Sonnengruß“. Ich gewöhne mich schneller als gedacht an das leichte Schwanken und werde gar nicht nass. Hier gibt es kaum Schiffsverkehr, ein kleines Boot zieht vorbei, die Wellen plätschern zaghaft. Das Gummi der Bretter reibt aneinander und verursacht ein eigentümliches, leises Quietschen. Zwischendrin stecke absichtlich meine Zehen ins grüne Nass, wie erfrischend! Ansonsten herrscht Stillstand auf dem Wasser. Wir legen uns auf Nandi’s Anweisung erneut in die Rückenposition und er fragt: „Was spürst Du jetzt?“ Die Schulglocke der nahegelegenen Privatschule läutet erneut. „Hat sie nicht eben erst geläutet? Kann seitdem schon eine (Schul)stunde vergangen sein?“ frage ich mich verdutzt. „Ist der Yoga- Kurs schon vorbei?“ Und ich stelle überrascht fest, dass sich die Stille auf dem Wasser, auch irgendwie auf mich übertragen hat.
Infoseite Hochschulsport: https://www.uni-potsdam.de/de/hochschulsport/sportprogramm/termine
Buchungstermine für das WiSe 2020/21 sind ab dem 20. Oktober 2020 online
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2020 „Digitalisierung“ (PDF).