Reinhold Kliegl ist Seniorprofessor für Allgemeine Psychologie an der Universität Potsdam. „Die Bedeutung des Werks Reinhold Kliegls liegt darin, dass er grundlegende Fragen der Kognitionspsychologie untersucht hat, die gleichzeitig auch von maßgeblicher Bedeutung für die Lösung von praktischen Bildungsfragen sind“, erklärt DGPs-Präsidentin Birgit Spinath.
Bahnbrechend sind Reinhold Kliegls wissenschaftliche Beiträge zur Analyse und zum Verständnis der Gedächtnisentwicklung im Erwachsenenalter. Gemeinsam mit Paul Baltes hat er das Konzept des „testing the limits“ entwickelt. Es zeigt, dass ältere Erwachsene ihre Gedächtnisleistung durch Training erheblich verbessern können, dass aber nach einem Training, insbesondere an den oberen Leistungsgrenzen, die Unterschiede zwischen trainierten jüngeren und älteren Erwachsenen nicht geringer, sondern eher größer werden. Es gelang ihm auch, altersspezifische Defizite in Prozessen exekutiver Kontrolle abzugrenzen von Prozessen allgemeiner Verlangsamung. In der nächsten Phase seines wissenschaftlichen Schaffens hat Reinhold Kliegl Augenbewegungen nutzbar gemacht, um kognitive Prozesse beim Lesen und die Kontrolle der visuellen Aufmerksamkeit zu untersuchen. Ergebnis dieser Forschung ist zum einen die Entdeckung, dass Mikrosakkaden, also schnelle, ruckartige Augenbewegungen, die Ausrichtung der Aufmerksamkeit im Raum widerspiegeln. Zum anderen war Kliegl an der Entwicklung eines Modells der Kontrolle der Augenbewegungen beim Lesen beteiligt. Die Entwicklung der Lesefähigkeit ist eine der zentralen Voraussetzungen für Bildungserfolg. Mit seinen Arbeiten wird die Voraussetzung geschaffen, individuelle Unterschiede in kognitiven Basisprozessen in Beziehung zu setzen mit Phänomenen wie dem der Lesebehinderung. In seiner gesamten Schaffenszeit hat Reinhold Kliegl intensiv an der Weiterentwicklung psychologischer Methoden gearbeitet, insbesondere – seinem aktuellen Thema – der reliablen Messung von individuellen Unterschieden in experimentellen Effekten.
Aus Sicht der Jury und des DGPs-Vorstands hat Reinhold Kliegl die wissenschaftliche Psychologie über Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen Teildisziplinen entscheidend mitgeprägt. Seine zahlreichen Arbeiten wurden in hochrangigen, internationalen Zeitschriften publiziert. Reinhold Kliegl hat eine Reihe von Studentinnen und Studenten inspiriert und für wissenschaftliches Arbeiten qualifiziert, die in der nächsten Generation seine Impulse weitertragen und weiterentwickeln.
Der Würdenträger
Reinhold Kliegl studierte Psychologie an der Universität Regensburg und der University of Colorado. 1992 habilitierte er an der Freien Universität Berlin. Von 1983 bis 1993 war Kliegl wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. 1994 nahm er einen Ruf an die Universität Potsdam an, wo er bis 2019 im Department Psychologie und aktuell als Seniorprofessor im Bereich Trainings- und Bewegungswissenschaften lehrt. Mit Kollegen aus der Linguistik war er verantwortlich für den Aufbau der Kognitionswissenschaften als Exzellenzbereich und Forschungsschwerpunkt der Universität Potsdam, den er von 1993 bis 2000 und von 2007 bis 2014 leitete. Von 2001 bis 2013 war er zunächst Mitglied des DFG-Fachkollegiums und dann des DFG-Senats. 2002 erhielt Reinhold Kliegl den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der DFG. Er ist seit 2003 Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und seit 2009 Mitglied der Leopoldina. Im Jahr 2008 wurde ihm die Wilhelm-Wundt-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Psychologie verliehen.
Ehrung für das Wissenschaftliche Lebenswerk
Mit dieser Ehrung werden Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Psychologie gewürdigt, deren wissenschaftliche Aktivitäten Forschung und Lehre im Fach Psychologie über einen langen Zeitraum hinweg nachhaltig beeinflusst haben. Die Bedeutung des wissenschaftlichen Werkes zeigt sich unter anderem an dem Einfluss, den es auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der nächsten Generation und auf Belange der Öffentlichkeit und der Gesellschaft hat. Zugleich würdigt die DGPs damit wissenschaftliche Leistungen, die als Markierungspunkte in der Geschichte der Psychologie gelten können.