Herr Köhn, Mitte März wurden nicht nur Wirtschaft und öffentliches Leben heruntergefahren – auch die Universität Potsdam ging in einen Notbetrieb. Was bedeutete das für das ZIM?
Zunächst stellten sich für die Kolleginnen und Kollegen im ZIM dieselben Fragen, die alle Menschen im Land bewegten: Wie gefährlich ist die Krankheit Covid-19? Wie kann ich meine Familie und mich schützen? Und gleichzeitig musste überlegt werden, wie wir die Arbeit an der Universität Potsdam organisieren, ohne uns und andere zu gefährden. Uns war bewusst: Wir sind systemrelevant. Zentrale IT-Dienste müssen unter allen Umständen funktionieren. Gar nicht auszudenken, wenn beispielsweise die netzgestützte Kommunikation bis hin zur Telefonanlage ausfallen würde.
Hatten Sie dadurch anfangs weniger Arbeit – oder gleich mehr?
Für die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellten sich völlig neue Herausforderungen: War doch einerseits die eigene Arbeitsweise umzustellen, andererseits mussten zahlreiche Homeoffice-Arbeitsplätze für die Zentrale Universitätsverwaltung hergerichtet werden. Alle verfügbaren Laptops wurden umgerüstet und für den Homeoffice-Betrieb ausgestattet. Das hört sich einfach an, doch dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsnetz besonders gesichert ist; zahlreiche Einstellungen in den Servern und PCs mussten vorgenommen werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch von zu Hause aus eine gesicherte IT-Umgebung nutzen konnten. Insgesamt haben wir innerhalb von vier Wochen knapp 120 Homeoffice-Arbeitsplätze bereitgestellt.
Während der Präsenzbetrieb quasi über Nacht eingestellt wurde und alle, die konnten, ins Homeoffice gingen, ist das sicher nicht für alle Kollegen des ZIM möglich, oder?
Wir konnten mit hohem Einsatz für sehr viele Kolleginnen und Kollegen im ZIM Homeoffice-Arbeitsplätze einrichten. Beispielsweise haben wir die Arbeit der Service-Center komplett umgestellt: Die Telefonanrufe wurden weitergeleitet, Rechner so konfiguriert, dass auch im Homeoffice die eingehenden Tickets bearbeitet werden konnten. Die Administratoren können über das Netz die zentralen Server warten und kontrollieren. Manche Tätigkeiten, wie z. B. in der Druckerei oder die Bereitstellung und Auslieferung der Homeoffice-Arbeitsplätze, ließen sich allerdings nur in den Räumlichkeiten der Universität Potsdam erledigen. So mussten wir für jeden Arbeitsplatz Einzelentscheidungen treffen und nach der optimalen Lösung, sowohl für die entsprechenden Aufgaben wie auch für die Sicherheit unserer Mitarbeiter, suchen.
Wie organisiert man den Betrieb einer Uni, die von einem Tag auf den anderen quasi komplett digital werden bzw. online stattfinden muss?
Das geht nur gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In allen Teams wurden die wichtigsten Schritte gemeinsam beraten und abgestimmt. Die AV- und IT-Techniker wechselten sich mit den Präsenzzeiten ab. Die Teamstruktur des ZIM, die dezentrale Entscheidungen und ein hohes Maß an Selbstorganisation ermöglicht, hat sich bewährt.
Was waren die wichtigsten Aufgaben oder Probleme?
Es gab drei Herausforderungen: Erstens galt es, die persönliche Gesundheitsvorsorge und die aktuellen Arbeitsschutzvorschriften unter keinen Umständen zu vernachlässigen. Zweitens mussten wir die beschlossenen Maßnahmen sehr schnell umsetzen – es gab keine Zeit zum Testen und Probieren. Und drittens musste die Sicherheit der Systeme jederzeit gewährleistet sein.
Recht schnell war klar, dass das Sommersemester ein digitales werden würde. Was musste alles getan werden, damit das Sommersemester auch wirklich online stattfinden konnte?
Neben dem zügigen Ausbau der Homeoffice-Arbeitsplätze war die Vorbereitung des Onlinesemesters die zweite extrem große Herausforderung für das ZIM. Die erste wichtige Voraussetzung war, dass die Universitätsleitung sehr zügig beschlossen hatte, das Sommersemester 2020 online durchzuführen. Nach einer kurzen Markterkundung wurde schnell klar, dass für die zu erwartende Nachfrage nur das Videokonferenzsystem Zoom geeignet ist. Die etablierten Produkte konnten bereits vor Beginn des Semesters den sprunghaften Anstieg der Nutzung nicht abfangen. Auch die Entscheidung für Zoom wurde von Universitätsleitung und CIO schnell getroffen, sodass die Beschaffung rechtzeitig eingeleitet werden konnte. Bereits am 17. April konnten wir der Universitätsöffentlichkeit die Nutzung von Zoom.UP anbieten. Durch den Erwerb einer Campuslizenz waren wir in der Lage, die Sicherheitseinstellungen – im Vorfeld der Einführung waren Sicherheitsmängel bekannt geworden – eigenständig anzupassen.
Das hört sich locker an, war aber extrem herausfordernd und arbeitsintensiv: Niemand der ZIM-Administratoren hatte bisher mit diesem Videokonferenzsystem gearbeitet. Da wir so schnell wie möglich die Software bereitstellen wollten, gab es weder eine Testinstanz noch eine Testphase. Jede Änderung wurde am Live-System vorgenommen.
Parallel zur Einführung waren Abstimmungen mit dem Personalrat notwendig und auch der Datenschutzbeauftragte musste einbezogen werden. Das Zentrum für Qualitätsentwicklung in Lehre und Studium (ZfQ) hat in kürzester Zeit Handreichungen für die Lehrkräfte erstellt, Webinare zur Weiterbildung angeboten, Webseiten wurden angepasst und überarbeitet.
Daneben mussten wir etliche weitere technische Voraussetzungen für ein Onlinesemester schaffen. So hatten wir bereits Ende März beschlossen, die redundante Anbindung an das Wissenschaftsnetz auf 10.000 Mbit/s zu verdoppeln. Zudem wurden der Media.UP-Server mehrfach ausgebaut, um Aufzeichnungen von Lehrveranstaltung bereitzustellen, und das Softwareangebot erweitert, damit die Lehrkräfte die aufgezeichneten Lehrveranstaltungen bearbeiten können.
Was war die wichtigste Voraussetzung, dass so zügig die Bedingungen für ein Onlinesemester geschaffen wurden?
Die wichtigste Voraussetzung war die hohe Motivation und Einsatzbereitschaft der an dem Projekt Beteiligten, dann die schnellen Entscheidungen und der Rückhalt durch die Universitätsleitung und schließlich die kollegiale, ergebnisorientierte Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen und Gremien der Universität Potsdam, die sich in der zeitweiligen Arbeitsgruppe zur Sicherung der Online-Lehre zusammenfanden, also CIO, ZfQ, ZIM, Personalrat, der Datenschutzbeauftragter und die Projektgruppe eLiS.
Inzwischen läuft das Semester seit einigen Wochen. Wie lautet Ihr Fazit bisher?
Von den nackten Zahlen her können wir zufrieden sein: Die IT-Infrastruktur hielt der enormen zusätzlichen Belastung stand; das Netz war nie überlastet. Dort, wo es zu Engpässen kam, haben wir nachgerüstet, z. B. bei der Videoplattform Media.UP. Das Videokonferenzsystem nutzen inzwischen über 8.000 Universitätsangehörige; an manchen Wochentagen finden mehr als 1.000 Online-Veranstaltungen statt.
Inwiefern das Semester auch für die Studierenden und Lehrkräfte unter den gegebenen Umständen ein Erfolg ist, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Sicher wird sich an einigen Stellen Optimierungsbedarf ergeben. Insgesamt sehe ich uns aber auf einem guten Weg.
Was war Ihr schönstes Erlebnis?
Der kollegiale Zusammenhalt während der Krise war eine besonders schöne Erfahrung. Alle Kolleginnen und Kollegen hatten sich sofort Gedanken gemacht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Und es wurde nicht lange diskutiert, sondern angepackt, wo es notwendig war. Jeder hat etwas beigetragen. Und das alles unter den ungewohnten Bedingungen im Homeoffice, viele haben Kleinkinder zu Hause, mussten das Familienleben neu organisieren. Was von den Kolleginnen und Kollegen unter der Doppelbelastung durch Arbeit und Kinderbetreuung mit hohem persönlichen Engagement möglich gemacht und geleistet wurde, nötigt mir allerhöchsten Respekt ab!
Was ist Ihre größte Befürchtung?
Ein einschneidender, umfassender IT-Sicherheitsvorfall. Täglich registrieren unsere Admins Computerangriffe von außen auf die zentrale IT-Infrastruktur. In den letzten acht Tagen wurden beispielsweise 118 E-Mails mit dem Emotet-Virus abgefangen. Erst Anfang Mai wurde die Ruhr-Universität Bochum angegriffen; alle zentralen Verwaltungssysteme dieser Universität wurden heruntergefahren. Nach der Auswertung ähnlicher Angriffe auf unsere Uni im letzten Jahr hat das ZIM die sicherheitstechnischen Maßnahmen weiter ausgebaut. Trotzdem wird es immer Unsicherheiten geben.
Wir bitten daher alle Universitätsangehörigen darum, die Hinweise des ZIM zur täglichen Arbeit (https://www.uni-potsdam.de/de/zim/beratung-hilfe/sicherheitshinweise) zu beachten. Jeder kann und muss seinen Beitrag zur Informationssicherheit leisten! Das ist durchaus vergleichbar mit den aktuellen Hygienevorschriften.
Was steht bei Ihnen als nächstes an?
Die Universität Potsdam ist dem sogenannten Microsoft-Bundesvertrag beigetreten. Damit wird die dienstliche Nutzung der Microsoft-Produkte geregelt. Zusätzlich ist die private Nutzung von Office 365 für alle Universitätsangehörigen, also auch den Studierenden, abgesichert. In den nächsten Tagen werden wir über die Zugangsmöglichkeiten informieren.
Was denken Sie: Wie wird das Wintersemester?
Die Frage ist seriös nicht zu beantworten. Vermutlich wird es wieder vermehrt Präsenzveranstaltungen geben. Sicher scheint mir allerdings eins: Den Schub, den die Digitalisierung aus der Notlage heraus erhalten hat, wird sich auf Dauer positiv auswirken. In vielen Bereichen hat sich gezeigt, dass Homeoffice möglich und unter bestimmten Bedingungen auch hilfreich ist. Gerade kleinere Besprechungen können sehr gut über ein Videokonferenzsystem abgehalten werden. Lehrveranstaltungen können durch digitale Angebote ergänzt, wenn nötig auch ersetzt werden.
Aber, und das ist vielleicht die wichtigste, nicht überraschende Erkenntnis der letzten Wochen: Wir brauchen den unmittelbaren Kontakt, den persönlichen Austausch. Viele haben genau die individuelle persönliche Begegnung am stärksten vermisst und waren jetzt froh, dass langsam Teile des gewohnten Alltags zurückkehren.
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