Der Beginn des Studiums ist eine wegweisende Zeit. So viel Neues bricht da auf einen jungen Menschen ein. Oft ist mit dem Studienbeginn auch ein Umzug in eine neue Stadt verbunden. Dabei stehen viele Fragen im Raum: Gefällt mir das Studium? Werde ich das alles alleine schaffen? Finde ich neue Freunde? All diese Unsicherheiten, Aufbruchsgefühle und Erwartungen kulminieren an einem Ort: dem Wohnheim. Gastautorin Josephine Kujau, Pressesprecherin des Studentenwerks Potsdam, über das Leben im Wohnheim und den wachsenden Bedarf an Wohnraum.
Das Studentenwerk Potsdam bietet mit seinen 17 Wohnanlagen Platz für 2.866 Studierende. Am Hochschulstandort Golm gibt es derzeit drei Wohnheime, ein viertes befindet sich im Bau und wird noch in diesem Herbst eröffnet: Vom Kasernenbau aus den 1930er Jahren bis hin zur modern anmutenden Wohnanlage am Mühlenteich, die 2011 fertiggestellt wurde – verschiedener könnten sie nicht sein. Die Plattenbauten an der Karl-Liebknecht-Straße mussten zuletzt weichen. Sie waren nicht mehr zu sanieren und wurden durch einen Neubau ersetzt. Dieser wird 308 weitere Studierende beherbergen. Mit Beginn des Wintersemesters 2019/20 werden dann insgesamt etwa 650 Studierende in Golm leben.
Einige Studierende bringen sich als Wohnheimtutoren ein, helfen beim Einleben und fördern den Kontakt zwischen den Studierenden. Das Programm gibt es bereits seit vielen Jahren und schafft noch mehr Gemeinschaft, wo sie ohnehin vermutet wird. Angelina Urbanczyk engagiert sich als Tutorin in Golm: „Ich möchte nicht nur an verschlossenen Türen vorbeigehen, sondern wissen, wer dahinter wohnt und welche Geschichten diese Person mitbringt. Ich hatte die Hoffnung, dass ich als Wohnheimtutorin eine Art ‚Zu-Hause‘-Gefühl etablieren kann“, beschreibt sie ihre ursprüngliche Motivation für die ehrenamtliche Tätigkeit. „Und nach inzwischen einem Jahr merke ich tatsächlich einen Unterschied“, fährt sie fort. „Die Leute sind dankbar. Die Türen stehen häufiger offen und bleiben auch offen, es ist mehr Bewegung auf den Fluren und die Küche wird häufiger frequentiert.“ In den Wohnheimen des Studentenwerks leben Studierende aus über 90 Nationen. Viele schätzen das internationale Flair. Für das kommende Semester bringt die Tutorin wieder neue Ideen ein, plant ein regelmäßiges internationales Frühstück, einen Kunstnachmittag zum Thema Upcycling und eine Jam-Session.
Der Platz im Wohnheim war für Angelina Urbanczyk dabei die Eintrittskarte in ihr Hochschulstudium: „Ohne diesen Wohnheimplatz hätte ich niemals in Potsdam studieren können. Es ist einfach viel günstiger als auf dem freien Wohnungsmarkt“, erzählt sie. „Und im Vergleich zu den WGs, in denen ich vorher war, ist die Wohnsituation doch schon ziemlich ähnlich. Ich fühle mich im Wohnheim gut aufgehoben und es gibt jederzeit einen Ansprechpartner auf dem Campus“, so Urbanczyk. Die Durchschnittsmiete für einen Platz im Wohnheim des Studentenwerks Potsdam liegt derzeit bei 238 Euro. Andere Apartment-Anbieter, die zuletzt auch in Golm vermehrt bauten, vermieten ab 410 Euro und bis hin zu 700 Euro.
Peter Heiß, Geschäftsführer des Studentenwerks Potsdam, beklagt die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt: „Lange konnten Studierende in Potsdam frei wählen, wie sie wohnen wollten, selbst wenn sie wenig Geld hatten. Doch in den zurückliegenden Jahren hat sich das stark gewandelt. Wir merken das an unseren Wartelisten, auf denen sich in den vergangenen fünf Jahren die Anfragen verdoppelten. Wo junge Leute ihr Studium anfangen, ist zunehmend an die Frage geknüpft, ob sie dort eine bezahlbare Bleibe finden. Das widerstrebt der Idee von Chancengerechtigkeit.“
Damit wenigstens ein paar mehr Studierende einen günstigen Platz in einem der Wohnheime bekommen können, geht das Studentenwerk Potsdam ungewöhnliche Wege. Als einziges Studentenwerk in Deutschland plant es aktuell in seinen Neubauten etwa 20 Prozent Zweitbettzimmer ein. Bei dieser Wohnform teilen sich zwei Studierende ein Ein-Zimmer-Apartment. Nachdem es bis in die 1990er Jahre hinein üblich war, auch mehrere Studierende in einem Zimmer unterzubringen, hat sich in den vergangenen 20 Jahren die konsequente Einzelbelegung durchgesetzt. Aufgrund der prekären Wohnraumsituation geht man nun wieder einen Schritt zurück. Kritik bleibt da nicht aus, berichtet Peter Heiß: „Uns ist bewusst, dass bei diesem Thema die Meinungen auseinandergehen und es einige sogar als entwürdigend empfinden, Studierende zu zweit in einem Zimmer wohnen zu lassen. Trotzdem haben wir uns für diesen Weg entschieden, in der Hoffnung, dass so ein paar Studierende mehr an ihrem Wunschhochschulort studieren können.“
Der wachsende Campus verlangt nach weiteren Wohnlösungen für Studierende. Deshalb ist das Studentenwerk Potsdam im Gespräch mit politischen Akteuren, um noch mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal 2/2019.
Text: Josephine Kujau
Online gestellt: Sabine Schwarz
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