21 Studierende aus Potsdam und Istanbul, drei Betreuer und ein Bus: Gemeinsam begeben wir uns auf Spurensuche nach Zeugnissen der geologischen Vergangenheit der Türkei, der Heimat des drittgrößten Hochplateaus der Erde. Die Topographie und Reliefverhältnisse kontinentaler Plateaus und ihrer Ränder entwickeln sich als Reaktion auf geodynamische (Prozesse im Erdmantel) und klimatische Prozesse; sie beeinflussen die atmosphärische Zirkulation und regionale Niederschlagsmuster sowie die Ausbreitung von Arten. Ähnlich wie das Himalaya-Tibet-Gebiet oder das Hochplateau der Anden bestimmt die Topographie des anatolischen Hochplateaus Klima- und Niederschlagsmuster und daher auch klimagesteuerte Erosions- und Sedimentationsprozesse in den angrenzenden Gebieten.
Nach unserem Flug von Berlin nach Adana über Istanbul beginnt die Reise am südlichsten Rand des Plateaus in der Stadt Adana in unmittelbarer Nähe zum Mittelmeer. Die Hoffnung, in dieser stark anthropogen geprägten Landschaft auf anstehendes Gestein zu treffen, bleibt unerfüllt, doch etwas außerhalb der Metropole werden wir fündig. Schon unser erster geologischer Aufschluss hilft uns, die Sedimentationsgeschichte kurz vor der Heraushebung des Plateaus besser zu verstehen. Er besteht zu großen Teilen aus Gips, der während eines Tiefstandes des Meeresspiegels im Mittelmeer, der sogenannten messinischen Salinitätskrise, auskristallisiert ist. Die messinische Salinitätskrise, in ihrer jüngsten Phase auch als Lago Mare-Ereignis bezeichnet, war ein besonderes geologisches und klimatisches Ereignis: Eine Unterbrechung der Mittelmeer-Atlantik-Verbindung durch tektonische Hebungsprozesse im Gebiet der Meerenge von Gibraltar führte zu einer nahezu vollkommenen Austrocknung des Mittelmeers zwischen 5,96 und 5,33 Millionen Jahren.
Von dieser Zeit zeugen Gips- und Salzablagerungen sowie fossile Überreste von Tierarten, die über den entstandenen Landweg von Afrika aus nach Norden wanderten – so auch ein früher Verwandter der Elefanten. Die Trockenphase endete, als der Atlantik das Becken mit der sogenannten Zanclean-Flut zurückeroberte. Diese spannende Episode wurde in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts durch kombinierte ozeanische Bohrprojekte und Geländeuntersuchungen im gesamten Mittelmeerraum im Detail erkundet und packend in Prof. Kenneth Hsüs Buch „Das Mittelmeer war eine Wüste“ erzählt. Wir sind beeindruckt.
Im Verlauf des Vormittags besuchen wir noch zwei weitere Aufschüsse, deren sedimentäre Zusammensetzung die räumlich-zeitlichen Veränderungen in den Sediment-Liefergebieten im heutigen Plateau reflektieren. Neben Gips und Kalkstein entdecken wir sogar Gesteinsfragmente (Klasten) vulkanischen Ursprungs, die von Flüssen weit aus dem heutigen Hochlandbereich transportiert wurden. Durch Hebung des Taurusgebirges am südlichen Rand des Hochplateaus wurde schließlich ein Großteil des Einzugsgebietes dieser Flüsse abgetrennt und die Klastenzusammensetzung im Verlauf der Zeit immer homogener.
Die Temperaturen nähern sich der 30-Grad Marke, als wir die Stadt Mersin erreichen. Uns plagt die Sorge um unseren schwächelnden Bus, der schließlich in die nächste Werkstatt eingeliefert werden muss. Indes picknicken wir im Park und lernen nicht nur die türkische Geologie, sondern auch kulinarische Spezialitäten kennen. Gestärkt geht es mit einem schnell organisierten Ersatzbus weiter. Am Meer stoßen wir auf sogenannte Küstenterrassen, die heute oberhalb des Meeresspiegels liegen – ein klarer Indikator für die Erdbebenaktivität in der Region. Da der Meeresspiegel über mehrere Tausend Jahre hinweg relativ konstant war, müssen die Küstenterrassen durch mehrere Erdbeben tektonisch angehoben worden sein. Die so entstandene Küstenlandschaft beeindruckt neben uns auch türkische Brautpaare, die sich vor der gebotenen Kulisse ablichten lassen.
Hintergrundinformationen zur Reise der Potsdamer Geowissenschaftler
Text: Ariane Mueting
Online gestellt: Sabine Schwarz
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde