„Erderwärmung jetzt stoppen!“ und „Scientists for Future“ ist auf den selbst gemalten Plakaten zu lesen, die eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Händen hält. Am Campus Griebnitzsee, direkt vor der Rotkäppchen-Figur mit dem erhobenen Zeigefinger, haben sich Gisbert Fanselow und andere Forschende aus Potsdam und Berlin versammelt. Seit dem 15. Mai 2019 trifft sich der Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft mit Kolleginnen und Kollegen an gut besuchten Orten auf Potsdamer und Berliner Campussen zum „Forschungsstrejk“. In ihrer Mittagspause werben die Wissenschaftler von der Uni Potsdam, der Technischen Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Universität Berlin, dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof und der Universität Leipzig jeden Mittwoch für den Umweltschutz. Der Name der Initiative ist angelehnt an die „Schulstreiks für das Klima“, die die Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufen hat.
Inspiriert wurde Fanselows Forschungsstreik durch das Engagement der Jugendlichen, die sich seit rund einem Jahr weltweit gegen den Klimawandel einsetzen. Mit seinen beiden Kindern hat Fanselow viele Fridays-for-Future-Demonstrationen besucht. Irgendwann wurde ihm klar: „Wir sollten nicht nur bei den Jugendlichen klatschen, sondern selber aktiv werden.“ Mit dem Linguisten Stefan Müller von der HU Berlin überlegte er sich, es den jungen Aktivisten gleich zu tun. Zunächst setzten sich die Forscher mit dem Netzwerk „Scientists for Future“ in Kontakt. Und sie sprachen Kolleginnen und Kollegen persönlich an, um sie für ihre Aktion zu gewinnen.
„Die Universität Potsdam ist im Vergleich zu anderen Hochschulen gar nicht schlecht aufgestellt, was Klimaschutz betrifft“, findet Fanselow, der auch Mitglied der Umweltkommission des Senats ist. Aber es geht immer noch besser, so der Professor. Ein aktuelles Ziel der Gruppe ist es, die Emissionen einzudämmen, die durch Flugreisen entstehen. „Wegen des internationalen wissenschaftlichen Austauschs ist der Flugverkehr ein wesentlicher Faktor bei den Treibhausgasemissionen der Hochschulen“, sagt Fanselow. Die Gruppe hat daher eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen, mit der sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbstverpflichten, künftig auf Kurzstreckenflüge unter 1.000 Kilometern zu verzichten.
Die 11 Professorinnen und Professoren im Department Linguistik haben die Selbstverpflichtung gleich geschlossen unterzeichnet. „Ich war sehr überrascht, wie viel schon passiert“, sagt Fanselow. Isabell Wartenburger und Barbara Höhle zum Beispiel fahren so oft wie möglichmit Nachtzügen ganz entspannt zu ihren Konferenzorten. Andreas Schmidt hat sogar eine 30-stündige Busfahrt nach Tartu in Estland auf sich genommen, um klimafreundlicher zu einem Workshop zu kommen. Man kann es aber auch so machen wie der Linguist Adamantios Gafos, der in diesem Jahr seinen Vortragseinladungen ins ferne Ausland per Videokonferenzschaltung nachkommt oder den Vortrag von Projektpartnern halten lässt, die näher am Konferenzort arbeiten. An Bord sind aber auch die anderen Fakultäten, vertreten beispielsweise durch den Physiker Frank Spahn, den Bildungsforscher Joachim Ludwig und die Anglistin Annette Gerstenberg.
Vorschreiben möchte Fanselow seinen Kolleginnen und Kollegen aber nichts. Nur sollte nicht bestraft werden, wer umweltfreundlich handelt – höhere Kosten, die durch eine Bahnfahrt entstehen, sollten nicht auf die Reisenden umgelegt werden. „Das System belohnt nur selten den, der umweltfreundlich handelt.“ Zumal der Professor glaubt, dass der Verzicht auf kurze Flugreisen positive Nebeneffekte auch auf den Karrieredruck in der Forschung haben könnte. „Wenn es gang und gäbe wäre, Vorträge im Ausland per Skype zu halten, käme das auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Kindern zugute.“
Am 20. September 2019, dem globalen Klimastreik der Fridays-for-Future-Bewegung, wollen die Aktivisten die Unterschriftensammlung beenden. Ihr Ziel ist es, dass bis dahin mindestens 1.000 Unterschriften zusammengekommen sind.
Weitere Informationen unter: climatewednesday.org
Text: Jana Scholz
Online gestellt: Jana Scholz
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