Heute nimmt uns Dr. Heiko Pingels unter seine Fittiche. Heiko forscht in der Arbeitsgruppe von Manfred Strecker und hat zehn Jahre Erfahrung auf dem Puna-Plateau. Vor allem mit der radiometrischen Datierung vulkanischer Aschen sowie ihrer paläoökologischen Bedeutung hat er sich intensiv beschäftigt. Das in den Aschen zahlreich vorhandene vulkanische Glas wird durch Regenwasser hydratisiert und kann somit für isotopengeochemische Untersuchungen herangezogen werden. Anhand der zahlreichen Aschen konnte Heiko bereits große Teile der geologischen und paläoökologischen Geschichte des Hochplateaus entschlüsseln. Mit einer durchschnittlichen Höhe von 3700 Metern besteht das Plateau aus relativ flachen Bereichen mit Salztonebenen und den dazwischengeschalteten Gebirgsblöcken und Vulkanen, welche die Beckenregionen nochmals um weitere 3000 Meter oder mehr überragen. Das Puna-Plateau ist als südliche Fortsetzung des bolivianischen Altiplano somit nach Tibet das zweitgrößte Hochplateau der Erde.
Heiko erklärt uns, dass die San-Antonio-Region mit einem Einzugsgebiet von etwa 7000 Quadratkilometern eines der größten Entwässerungsbiete auf dem Hochplateau ist. Die vielen unterschiedlichen vulkanischen Aschen, die in den sedimentären Schichten zu finden sind, ermöglichen es, eine Altersabschätzung sowie Sedimentationsraten der mehrere Millionen Jahre alten Ablagerungen zu bestimmen. Die San Antonio de los Cobres-Formation in der Cobres Range ist beispielsweise acht Millionen Jahre alt, wohingegen die Sedimente im östlichen Gebirgszug auf fünf Millionen Jahre datiert wurden. Eine unglaubliche Menge an Sedimenten wurde aus dem Tal von San Antonio abtransportiert, allerdings nur in ein anderes Becken auf dem Plateau, da es ja keine Talverbindung in das benachbarte Anden-Vorland gibt. Wir diskutieren die Gründe für diese Prozesse. Infrage kommt einerseits eine Veränderung der Topografie, also z.B. die tektonische Schrägstellung von Gesteinseinheiten, die zu steileren Gebirgshängen und Flussneigungen sowie stärkeren Strömungen und Erosion führen kann. Möglich ist andererseits eine Erhöhung der Niederschlagsrate aufgrund vergangener Klimaänderungen, wodurch die Flüsse des Plateaus mehr Wasser führen und erodieren konnten.
Im Anschluss an die detailreiche Einleitung zu den vulkanisch geprägten Gesteinsformationen der Puna fahren wir nach Norden in Richtung Susques, einer kleinen Stadt inmitten der Puna, die sich als Handelszentrum etabliert hat und bekannt ist wegen ihrer mit Ichu-Gras gedeckten Adobe-Kirche. Wir sehen Zuris und Guanacos, die beim Anblick der herannahenden Fahrzeuge die Flucht ergreifen. Den ersten Stopp legen wir an der 60 Meter hohen Eisenbahnbrücke La Polvorilla ein. Diese wurde 1932 von dem nordamerikanischen Eisenbahningenieur Maury im Auftrag der argentinischen Staatsregierung gebaut. Sie gehört zu einem ganzen System von Brücken, Tunneln, unzähligen Serpentinen und Zick-Zack-Mustern der Schienenstränge, das die Stadt Salta mit dem andinen Hochplateau verbindet und daher auch die gesamte Ostkordillere mit all ihren gegensätzlichen Niederschlags- und Erosionsprozessen durchquert. Das Schienennetzwerk des Tren a los Nubes wurde im 19. Jahrhundert konzipiert, um Erze und Borate aus dem Hochland abzutransportieren. Die Bauarbeiten begannen 1921 und wurden 1948 beendet. Heute ist die Bahnlinie vor allem bei Touristen beliebt, aber auch der Frachtverkehr wird wieder verstärkt. Maurys Eisenbahnbau in dieser schwierigen Region gilt als ingenieurgeologische Meisterleistung, die damals weltweite Beachtung fand. Unweit der Brücke sehen wir die Ruinen sowie einige mit Erz beladene ehemalige „Hunde“ der Mina Concordia, einem verlassenen Erzbergwerk. Während wir Fotos des Brückenkolosses machen und uns über Erzbildung in der Puna austauschen, versuchen unsere Fahrer wieder einmal, die widerspenstige Tür des Busses zu reparieren. Wir hoffen, dass sie noch zwei Tage durchhält.
Bei der Weiterfahrt durch enge Schluchten erhebt sich schließlich am Horizont majestätisch der Vulkan Tuzgle, der verschiedene Magmentypen produzierte und dessen letzte Aktivität, die bereits einige Tausend Jahre zurückliegt, an den schwarzen Basaltströmen am Westhang des Vulkankegels erkennbar ist. Die weitaus bedeutendere Aktivität des Vulkans fällt allerdings in die Zeit vor etwa 500.000 Jahren, als durch eine Explosion des Vulkangebäudes heiße, gasreiche Ascheströme gebildet wurden, die das gesamte Tal erfüllten und die ehemalige Landoberfläche versiegelten. Die verfestigten Ablagerungen dieses Ereignisses sind sogenannte Ignimbrite. Sie werden abgebaut und hier oben bevorzugt im Hausbau eingesetzt, da sie ähnliche Materialeigenschaften besitzen wie industriell gefertigte Gasbeton-Bausteine.
Kurz darauf nehmen wir unser Mittagessen an einem spektakulären Ort ein. In einem schmalen Tal, das gerade genügend Platz für eine Straße und einem dünnen Fluss bietet, sitzen wir zwischen gigantischen, bis zu zehn Meter dicken Ignimbritfelsen, die sich einst von den umgebenden Talrändern lösten und den Hang hinunterbewegten. Gut vorstellbar ist die enorme Energie, die bei der Bewegung eines solchen Kolosses frei wird und problemlos unsere Busse zermalmen könnte.
Ignimbrite bestimmen das Bild dieser Landschaft und sind auch durch tiefgreifende Erosionstäler im eigentlichen Becken von Susques aufgeschlossen. Hier bedeckten und verfüllten sie das ehemalige Tal und flossen sogar nach Osten über den Talrand hinaus in das benachbarte Becken von Salinas Grandes. Diese ehemaligen lawinenartigen Ascheströme sind mit dem Kollaps des Vulkans Coranzuli verbunden, der weiter nördlich liegt. Allerdings ist diese Region momentan äußerst friedlich. Aufregung gibt es dort nur einmal im Jahr, wenn im August im kleinen Ort Casabindo eine milde Form des Stierkampfes stattfindet, bei welcher der Torero einem ausgewählten Stier einen geflochtenen Silberkranz von den Hörnern abnehmen muss.
Trotz all dieser großartigen Eindrücke ist das Highlight des heutigen Tages für viele wahrscheinlich der Besuch der unendlich anmutenden Weite der Salinas Grandes. Die flache Salzebene zeigt uns, wie schon am gestrigen Tag im Salar de Pocitos, die wirtschaftliche Bedeutung dieses Rohstoffes für das Land Argentinien. Die Sonne ist unglaublich heiß und ohne Sonnenbrille ist die starke Reflexion der Sonnenstrahlung inmitten der Salzwüste nicht auszuhalten. Es werden unzählige Erinnerungsfotos von diesem surrealen Ort gemacht, an dem sogar die Bausteine für die Souvenirläden und die Aufenthaltsräume der Arbeiter aus Steinsalz bestehen.
Nachdem sich alle Teilnehmer wieder in den Bussen eingefunden haben, verlassen wir die Puna in Richtung Osten. Wo wir zuvor noch schwitzend in der grellen Salzwüste gestanden haben, werden wir nun, wenige Kilometer weiter, von dichtem Nebel überrascht, der sich am östlichen Rand des Plateaus zwischen 2000 und 4000 Metern Höhe staut. Erneut wird uns wortwörtlich vor Augen geführt, wie stark der Einfluss der orografischen Barriere der Anden ist. Eine Strecke, die sonst in knappen 30 Minuten gefahren werden kann, kostet uns eine gute Stunde. Die Kombination von dichtem Nebel und Serpentinen, die uns den Weg bergab führen, wäre für jeden Gelegenheitsautofahrer unzumutbar, doch unsere erfahrenen Busfahrer bringen uns wenig später sicher nach Purmamarca, dem Tor zur Quebrada de Humahuaca und letzter Übernachtungsort auf unserer eindrucksvollen Reise.
Hintergrundinformationen zur Reise der Potsdamer Geowissenschaftler
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Text: Malte Stoltnow, Gregor Lauer-Dünkelberg
Online gestellt: Matthias Zimmermann
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