Frühzeitig brechen wir von Cafayate nach Süden auf – zum Santa-Maria-Becken, das sich zwischen den Cumbres Calchaquies und der Sierra Aconquija im Osten und der Sierra de Quilmes im Westen befindet. Allerdings wird die Straße von einigen herrenlosen Pferden versperrt, später noch von einer Herde Schafe. Ab und zu ist hier im Nordwesten auch mal Geduld wichtig.
Auf dem Weg nach Santa Maria halten wir unweit von Cafayate an einem Aufschluss in einer Kiesgrube. Die lockeren Konglomerate sind interessant, doch das eigentliche Highlight ist eine nahezu waagerechte, rund einen Meter mächtige, schneeweiße Ablagerung mit millimetergroßen Granaten und Glimmern. Es handelt sich hierbei um vulkanische Asche einer offenbar großen Explosion. Geochemische Analysen deuten darauf hin, dass es sich um ein Eruptionsprodukt des Vulkans Cerro Blanco handeln muss, der sich ungefähr 150 Kilometer weiter südlich im Puna-Plateau befindet. Dieser Vulkan brach während eines Kaldera-Kollapses vor 6.500 Jahren aus und spie dabei eine gewaltige Ladung vulkanischer Asche in die Atmosphäre. Uns graut es bei dem Gedanken an dieses Ereignis, denn die ersten Einwohner der Region lebten hier bereits vor etwa 10.000 Jahren und müssen demnach die gewaltige Eruption erlebt haben. In der Tat war dieses wunderschöne Tal einst die Heimat des indigenen Quilmes-Stammes, einer Bevölkerungsgruppe, die zum südlichsten Inka-Imperium Collasuyu gehörte. Die Quilmes waren stolzer Krieger, die ihren Mut und Kampfeswillen mit Ankunft der spanischen Conquistadores unter Beweis stellen sollten. Nachdem sie den Europäern einige erbitterte Schlachten geliefert hatten, von anderen Stämmen der Region verraten und schließlich durch Alonso Mercado y Villacorta im Jahr 1667 endgültig besiegt worden waren, wurden die Überlebenden in den gleichnamigen Siedlungsraum unweit von Buenos Aires zwangsumgesiedelt. Damit wurde auch die erfolgreiche Bewässerungskultur und Landwirtschaft abrupt beendet, die die Vorfahren der Quilmes bereits seit 400 v. Chr. erfolgreich betrieben hatten.
Kürzlich publizierte Studien weisen darauf hin, dass sich heute das durch die Explosion zerstörte Vulkangebäude des Cerro Blanco absenkt und somit noch Magmenprozesse im Untergrund aktiv sein müssen. Ähnliche Ereignishorizonte mit vulkanischen Aschen gibt es in nahezu allen Sedimentschichten des Tals von Santa Maria, die von Potsdamer Geologen radiometrisch datiert und geochemisch analysiert wurden. Dadurch kommen sie als Leithorizonte in den unterschiedlichsten Ablagerungen vor und erlauben eine exzellente Zeitkontrolle über vergangene Prozesse zu den jeweiligen Zeitpunkten der Ablagerungen innerhalb der letzten 15 Millionen Jahre. Wie ein Barcode erstrecken sich die vielfältig gefärbten Sedimentgesteine im Tal mit einer Länge von über 100 Kilometern und einer Mächtigkeit von fast sieben Kilometern. Jede einzelne Sedimentformation in diesem „Barcode“ ist anders gefärbt und durch bestimmte Ablagerungscharakteristika identifizierbar. In den einzelnen Sedimentlagen erkennen wir eine komplexe Ablagerungs- und Klimageschichte, die sich von einer ehemaligen marinen Überflutung bis zur Heraushebung der talbegrenzenden Gebirgsblöcke erstreckt. Dies bringt uns auch näher an das Problem von GABI. Aber: Wo und was ist überhaupt GABI?
Das Santa-Maria-Becken ist nicht nur für seine Farbenpracht der Sedimentgesteine bekannt, sondern auch für bedeutende Fossilienfunde, die in der Andalhuala-Formation gemacht wurden. Die Fossilien dokumentieren eine beeindruckende Einwanderung von Tiergruppen in die Region von Santa Maria, die über Tausende von Kilometern hinweg in dieses Gebiet kamen, hier starben und letztlich in den Sedimentablagerungen fossilisiert wurden. Die Funde in der Andalhuala-Formation, die von Rudolf Stahlecker bereits in den 1920er Jahren untersucht wurden, stellen eine Schlüssellokalität für das Verständnis von GABI dar – der „Great American Biotic Interchange“, wie die Wanderung von Säugetieren und anderen Tiergruppen aus Nordamerika nach Südamerika und umgekehrt genannt wird. Das Phänomen sorgte für einen regen Artenaustausch zwischen beiden Kontinenten. Bis vor etwa vier Millionen Jahren waren die beiden Kontinente noch durch eine Meeresenge getrennt, die Atlantik und Pazifik miteinander verband, und die damaligen Bewohner entwickelten sich isoliert voneinander. Erst mit der Bildung der Landbrücke zwischen beiden Kontinenten durch vulkanische Prozesse, dem sogenannten Isthmus von Panama, wurde ein Austausch möglich. Zu den „Wanderern“ zählten Bären, Mammuts, Gürteltiere, Faultiere (die Rekonstruktion eines Exemplars ergab ein Lebewesen, das etwa vier Tonnen gewogen haben muss, aber dennoch bis nach Texas wanderte), die Vorfahren der heutigen Lamas sowie Pferde. Die Pferde starben allerdings wieder aus und erreichten beide Kontinente erst wieder durch die spanische Kolonialmacht. Die Analyse der Sedimentgesteine in der brütenden Nachmittagshitze nimmt uns sehr mit. Wasserflaschen werden ständig nachgefüllt, Schweißperlen tropfen uns von der Stirn und Sonnencreme wird immer wieder aufgetragen – leider manchmal ohne den erwünschten Erfolg. Am Ende des Tages und nach den anstrengenden Arbeiten sind wir froh, dass wir die Busse besteigen und nach Cafayate zurückkehren können – „beladen“ mit ganz neuen Eindrücken.
Hintergrundinformationen zur Reise der Potsdamer Geowissenschaftler
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Text: Malte Stoltnow, Gregor Lauer-Dünkelberg
Online gestellt: Alina Grünky
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