Wir werden immer älter. Das ist zunächst einmal positiv. Doch unser Gesundheitssystem steht damit vor großen Herausforderungen. Mit dem Alter steigt das Risiko für Erkrankungen. Je früher diese erkannt werden, desto größer sind die Chancen auf Heilung oder zumindest Linderung der Beschwerden. Hier setzt eine internationale Forschungsinitiative an. Wissenschaftler und Mediziner wollen Biomarker identifizieren, die frühzeitig anzeigen, ob ein Mensch ein erhöhtes Risiko für Alterserkrankungen hat.
Wer heute in Europa geboren wird, hat gute Chancen, mehr als 80 Jahre alt zu werden. Etwa fünf Prozent aller Europäerinnen und Europäer sind heute in diesem Alter. Im Jahr 2060 werden es bereits zwölf Prozent sein. Rüstig, geistig fit und mobil – so wünschen sich die Menschen zu altern. Doch leider sieht die Realität meist anders aus. Ab 65 Jahren steigt das Risiko, eine Altersgebrechlichkeit zu entwickeln, erheblich. Etwa sieben bis 16 Prozent der Menschen haben dann bereits mit Symptomen zu kämpfen. Ältere Menschen leiden häufig darunter, weniger Kraft zu haben, schlechter zu hören und zu sehen oder vergesslich zu werden. Bluthochdruck, Diabetes, Demenz, Krebs oder Depressionen sind nur einige der zahlreichen Erkrankungen, deren Häufigkeit mit steigendem Alter rapide zunimmt.
Viele Alterskrankheiten, die mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sind, lassen sich jedoch vermeiden oder verzögern – wenn rechtzeitig eingegriffen wird. Genau hier setzt die internationale Forschungsinitiative FRAILOMIC an. Ihr Ziel ist es, Biomarker im Blut zu identifizieren, die einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Altersgebrechen liefern. Gelingt dies, stünde den Medizinern ein einfaches Instrument zur Verfügung, mit dem sie frühzeitig intervenieren und Krankheiten verhindern könnten.
„Gegenwärtig ist es schwierig, Altersgebrechlichkeit richtig zu diagnostizieren“, sagt Dr. Daniela Weber vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), das als eines von insgesamt 20 Forschungsinstituten, Universitäten, Unternehmen und Kliniken aus neun Ländern an der Studie beteiligt ist. Gewichtsabnahme, langsames Gehen oder wenig Kraft beim Händedruck zeigen etwa an, dass ein Mensch altersschwach ist. „Diese weichen Parameter sind oft nicht eindeutig und hängen stark davon ab, wie der Patient mitarbeitet“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Für die Gesundheit der älteren Menschen ist es jedoch wichtig, eine Altersschwäche rechtzeitig zu erkennen. Denn sie ist häufig der Vorläufer für weitere Alterserkrankungen, die die Patienten dann erheblich einschränken können.
Für die Studie untersuchen die Wissenschaftler des Konsortiums insgesamt 75.000 Menschen, die älter als 65 Jahre alt sind. Sie nehmen auf, welche Krankheiten bereits vorhanden sind, welche Werte das Blutbild zeigt, und ermitteln bestimmte genetische Merkmale. Insgesamt berücksichtigen die Forscher rund 600 verschiedene Parameter.
Die Potsdamer Experten vom DIfE suchen im Blut der Probanden gezielt nach Stoffen, die eine Altersschwäche anzeigen. „Es gibt Hinweise aus Zellkulturversuchen, dass bestimmte Moleküle dann gehäuft vorkommen oder verringert sind“, erklärt Weber. 2.500 Blutproben von Menschen aus Europa und Südafrika durchforsten die Wissenschaftler gezielt nach verschiedenen Vitaminen, veränderten Eiweißen und Fetten, die sich in einer ersten Untersuchungsphase als vielversprechend erwiesen haben.
Nach den ersten Analysen zeigt sich: Besonders der Mangel an Vitamin D und verschiedenen Karotinoiden im Blut der Probanden scheint auf eine Altersschwäche hinzuweisen. Spezifische Veränderungen an Fetten und Eiweißen, die oxidativen Stress anzeigen, stehen ebenfalls im Fokus der Untersuchungen. Noch ist es jedoch zu früh für sichere Aussagen. Den Laborergebnissen werden nun weitere klinische Parameter gegenübergestellt.
In der Erforschung von Biomarkern steckt ein enormes Potenzial, auch andere gesellschaftlich hochrelevante Krankheiten wie etwa Diabetes oder Krebs zu bekämpfen. Das DIfE wird sich diesen Stoffen, die Indikatoren für verschiedenste krankheitsbezogene Prozesse im Körper sind, demnächst verstärkt in Kooperation mit der Universität Potsdam widmen. Denn auch hier wird künftig vermehrt auf dem Gebiet der Gesundheitswissenschaften geforscht.
Text: Heike Kampe
Online gestellt: Alina Grünky
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