Skip to main content

Fit vor dem Bildschirm - Mediziner, Sportwissenschaftler und Ingenieure entwickeln ein telemedizinisches Assistenzsystem

Die technischen Voraussetzungen für die Telemedizin haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Blutdruck, Blutzucker, Gewicht, EKG – diese und zahlreiche andere relevante Körperdaten sind per Knopfdruck in der Arztpraxis verfügbar und können dort ausgewertet werden. An der Universität Potsdam haben Wissenschaftler und Mediziner nun ein telemedizinisches Programm für Reha-Patienten entwickelt, die nach einer Operation an der Hüfte oder am Knie auf eine nachhaltige Bewegungstherapie angewiesen sind.

ReMove-It ist eine „Wirksamkeitsstudie einer telemedizinisch assistierten Bewegungstherapie für die Rehabilitation nach Intervention an der unteren Extremität“. Und ein Kooperationsprojekt zwischen Wissenschaft, Medizin und Technik, das von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gefördert wird. Zugleich ging es als eines der ersten ambitionierten Vorhaben der Forschungsinitiative Gesundheitswissenschaften an der Uni Potsdam an den Start. Neben den Universitätsinstituten sind Partner aus der Praxis wesentliche Eckpfeiler dieses Projekts.
Das Programm soll Patienten nach Hüft- oder Kniegelenksersatz dabei unterstützen, langfristige Reha-Maßnahmen daheim zu absolvieren. „Ziel ist es, Patienten gerade aus strukturschwachen Regionen Übungseinheiten anzubieten, damit sie nach einer Reha zu Hause weiter üben können“, erklärt Heinz Völler, Professor für Rehabilitationswissenschaften an der Uni Potsdam und Ärztlicher Direktor der „Klinik am See“ in Rüdersdorf. Er leitet das Projekt. Für Patienten mit künstlichen Hüft- und Kniegelenken ist das Training nach der Reha wichtig. Gerade auf dem Land ist jedoch der Weg zu den Therapeuten, die die Nachsorge leisten, weit – für einige zu weit. Viele Patienten nehmen sie daher nicht in Anspruch. Diesem Effekt hoffen die Forscher um Heinz Völler mit ihrem Projekt entgegenzuwirken. Dabei sollen die Übungen in der Reha mit einem Physiotherapeuten eingeübt und dann mit einem individuellen Trainingsprogramm im eigenen Wohnzimmer vor dem Bildschirm weitergeführt werden.
Die Übungen, die eine erste Testpatientin unter den Augen von zehn Kameras und zwei Physiotherapeuten in der Hochschulambulanz absolviert hat, lieferten zunächst Hinweise dafür, welche körperlichen Belastungen für sie möglich sind. Eine Kniebeuge sieht bei einer kürzlich am Knie operierten Patientin eben anders aus als bei einem Gesunden. „Wir haben einen Katalog mit Kraft-, Dehnungs- und Beweglichkeitsübungen erstellt“, erklärt Sarah Eichler, Sportwissenschaftlerin und Koordinatorin des Projekts. „Uns interessierten die Positionen der Marker zueinander bei den Übungen: Wie weit darf etwa das Knie über die Fußspitzen bei einer Kniebeuge reichen oder wie tief darf eine Beugung sein?“, beschreibt sie die Vorgehensweise.
Am Ende entstand ein Programm, das ähnlich wie bei einer Wii-Spielkonsole über eine Kamera die Bewegungen des Patienten erfasst und überprüft, ob er diese richtig ausführt. Über ein Ampelsystem erhält er sofort Rückmeldung, ob die Bewegungen so sind, wie sie sein sollen. Die Trainingseinheiten werden außerdem aufgezeichnet und können von behandelnden Physiotherapeuten jederzeit eingesehen, korrigiert und modifiziert bzw. angepasst werden.
Im nächsten Schritt testeten Patienten im arbeitsfähigen Alter aus den kooperierenden Reha-Kliniken das System, während die andere Hälfte der Probanden die herkömmliche Nachsorge wahrnahm. Zu Beginn wurde die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten mit Kraft- und Belastungstests bestimmt. Nach einem Vierteljahr galt es, Bilanz zu ziehen und beide Gruppen miteinander zu vergleichen. Das vorläufige Fazit von Heinz Völler fällt durchmischt aus: „Das System hat fehlerfrei funktioniert und kam gut an. Rund 80 Prozent der Probanden haben es längerfristig eingesetzt.“ Aber der telemedizinische Assistent scheint grundsätzlich nicht überlegen zu sein: „Im zentralen 6-Minuten-Geh-Test waren die Probanden der Trainingsgruppe bisher nicht wesentlich besser als die der Kontrollgruppe“, räumt der Forscher ein. „Dafür konnten wir in einigen kleineren Tests bessere Ergebnisse verzeichnen.“ Letztlich müssen die Rentenversicherungen entscheiden, ob sie das System auch tatsächlich in der Regelversorgung einsetzen wollen.

Text: Heike Kampe
Online gestellt: Alina Grünky
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

Diesen und weitere Beiträge zu aktuellen Themen an der Universität Potsdam finden Sie im Universitätsmagazin "Portal".