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„Wir kennen nur die Spitze des Eisbergs“ - In einem Großprojekt wollen Physiker weitere kosmische Quellen für Gammastrahlung finden

Der Krebsnebel, Überrest einer Supernova, gehört zu jenen kosmischen Objekten, an denen Wissenschaftler den Ursprung hochenergetischer Teilchen erforschen. Foto: NASA
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Der Krebsnebel, Überrest einer Supernova, gehört zu jenen kosmischen Objekten, an denen Wissenschaftler den Ursprung hochenergetischer Teilchen erforschen. Foto: NASA

Sterne haben seit jeher Menschen fasziniert. Wenn sie nachts über uns funkeln, vermitteln sie einen Hauch von unendlicher Ferne, von friedlicher Ruhe. Doch die Himmelskörper selbst befinden sich keineswegs in ewiger Starre. Sie altern wie wir – und verschwinden irgendwann vom Firmament. Begleitet wird ihr Sterben von vielen Prozessen, die Wissenschaftler besser verstehen wollen. Eine Reihe von Forschungsinstituten bereitet deshalb gegenwärtig ein völlig neues Observatorium vor, das Cherenkov Telescope Array, kurz CTA. Es soll größer und leistungsfähiger werden als seine Vorgänger in Namibia, La Palma und den USA. Ziel ist es, damit kosmische Quellen energiereicher Gammastrahlung insbesondere in der Milchstraße, aber auch in anderen Galaxien zu erforschen. Sternenexplosionen gehören dazu.

„CTA wird unser Verständnis des Universums grundlegend erweitern“, versichert Christian Stegmann, Leiter des DESY-Standortes Zeuthen und zugleich Professor für Astroteilchenphysik an der Universität Potsdam. Beide Einrichtungen sind an dem Großprojekt, an dem rund 1.400 Wissenschaftler und Ingenieure in 30 Ländern arbeiten, beteiligt. Über 100 Teleskope dreier unterschiedlicher Typen sollen in den nächsten fünf Jahren in Cerro Paranel (Chile) und La Palma (Spanien) errichtet und dann mindestens zwei Jahrzehnte lang betrieben werden. „Wir hoffen, dass wir 2018 oder 2019 die ersten aufstellen können“, erzählt Stegmann. Mit seiner Arbeitsgruppe an der Universität hat er sich bisher auf den wissenschaftlichen Betrieb des H.E.S.S.- Experiments konzentriert. „Aber wir machen dort auch technologische Studien, die wir bei CTA nutzen können“ erklärt der Physiker. Das Team ist darauf spezialisiert, automatische Warnsysteme zu entwickeln. Im Mittelpunkt stehen Kriterien, nach denen Teleskope von allein umschalten können, um in andere Bereiche zu schauen, in denen möglicherweise gerade spannende kosmische Ereignisse geschehen.

Die Experten vom DESY haben das Design und den Bau von einem der drei CTA-Teleskoptypen übernommen. Der Prototyp ist bereits aufgestellt. Die Zeuthener kümmern sich aber auch um die künftige Steuerung der Teleskope. Diese soll individuell möglich sein, damit Teleskope flexibel zusammengeschaltet und die nächtlichen Beobachtungen optimiert werden können. Hierfür entwickeln Informatiker gerade die nötige Software. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Uni geht man aber noch ein weiteres Problem an: die Auswertung der Daten. „Wir simulieren dazu, was wir wahrscheinlich sehen werden“, erläutert Stegmann. „Und dann schauen wir, ob wir die simulierten Daten rekonstruiert und analysiert bekommen.“ Die Arbeitsgruppen suchen also nach den richtigen Algorithmen, um später ein Maximum an Information extrahieren zu können.

Das klingt nach viel Theorie. Ist es auch. Auf den Teleskopen ruhen schließlich große Hoffnungen. Sie basieren auf einer Methode in der Gammaastronomie, bei der sogenannte Cherenkov-Blitze gemessen werden. Diese kurzen, bläulichen Blitze treten auf, wenn energiereiche Gammastrahlung auf die Erdatmosphäre trifft und dort abgebremst wird. Irdische Gammastrahlenteleskope nehmen also nicht das Weltall in den Blick, sondern in rund acht Kilometer Höhe die obere Atmosphäre. 

Die Messung der sehr schwachen Lichtblitze lässt Rückschlüsse auf die kosmischen Ereignisse zu, die die Gammastrahlung produzieren – im Falle von Sternexplosionen etwa durch enorm stark beschleunigte Teilchen in den ausgelösten Schockwellen. Aus den Teilchenschauerbildern können die Energie, aber auch die Richtung der ankommenden Gammateilchen bestimmt werden. Letzteres, weil keine kosmischen Magnetfelder die elektrisch neutralen Himmelsboten ablenken. Ihre Ankunftsrichtung führt direkt zurück zu den Quellen. Bis die Wissenschaftler diese dann tatsächlich finden, müssen sie allerdings noch viel Mathematik anwenden. „Der Rest ist Simulation“, bringt es Stegmann auf den Punkt. „Wir hoffen, die Milchstraße vollständig durchmustern zu können.“ Zwei bis drei Jahre wird es voraussichtlich dauern, um alle Gammastrahlenquellen in unserer Galaxis zu entdecken. Ziel ist es zu verstehen, wie diese die Entwicklung der Milchstraße beeinflussten. Aktuell laufende Experimente haben gerade mal ein Viertel unserer Heimatgalaxie durchsucht. „Wir kennen nur die Spitze des Eisbergs“, konstatiert der 52-Jährige.

Rund 150 Quellen höchstenergetischer kosmischer Gammastrahlung sind bisher im gesamten Kosmos entdeckt worden, die meisten vom Gammaobservatorium High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia. Zu den Objekten gehören Supernova-Explosionen, Schwarze Löcher, Doppelsternsysteme und andere. „Wir sehen mehr und mehr, was wir im besten Fall lange vermutet haben. Das macht süchtig“, verrät der Mann mit der Vorliebe für das ganze Kleine und das ganz Große, das uns umgibt.

Text: Petra Görlich
Online gestellt: Agnetha Lang
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

 

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