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Eine neue Kultur entwickeln – Bürgerschaftliches Engagement in Potsdam

Eine Menschenansammlung bei einem Arbeitsgruppenthementreffen zur Bürgerbeteiligung in Potsdam
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Sammlung von Arbeitsgruppenthemen bei einem Open Space zur Bürgerbeteiligung in Potsdam, Foto: BÜRO BLAU - räume.bildung.dialoge

2004 haben es die Stadtverordneten beschlossen: Potsdam soll eine Bürgerkommune werden. Nach seiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister 2010 bekräftigte Jann Jakobs dieses Ziel. Heinz Kleger, Professor für Politische Theorie, begleitet und berät die Akteure aus Verwaltung und Bürgerschaft von Beginn an. „Es ist ein langer Weg und es braucht Zeit und Geduld“, sagt der Politikwissenschaftler. In der Aktionswoche „Uni findet Stadt“ wird er darüber sprechen. Der Wissenschaftler, 2008 Initiator des Neuen Toleranzedikts, zieht Zwischenbilanz der Initiative „Toleranzedikt als Stadtgespräch“.

„In der Praxis ist alles anders als in den Lehrbüchern“, so Heinz Kleger. Er erforscht seit mehr als zehn Jahren Bürgerbeteiligung in Potsdam und ist mittendrin im Geschehen. Als Wissenschaftler mit dem analytischen Blick, aber auch als Ideen- und Ratgeber. „Ich wohne ja hier“, sagt er lachend. Und als gebürtiger Schweizer sei er sowieso nah dran am Thema Bürgerbeteiligung.
Die Stadt Potsdam wagt etwas Neues. Ihre Bewohner sollen mehr darüber mitentscheiden können, was in ihrer Stadt geschieht. Der 2005 eingeführte Bürgerhaushalt war ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg. „Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist das Konzept inzwischen sehr erfolgreich, mehr als 10.000 Menschen beteiligen sich daran“, stellt Heinz Kleger fest. Der Wissenschaftler weiß: Neue Instrumente und Strukturen müssen ihren Platz in der Stadtgesellschaft erst erobern. Beim Bürgerhaushalt ist das geglückt – nach mehr als zehn Jahren.
Nun geht die Stadt noch einen Schritt weiter. Seit 2011 sieht sie sich auf dem Weg zur echten Bürgerkommune. In einem Modellprojekt wurden von 2011 bis 2013 die Grundsteine dafür gelegt. Aktive Bürger, Stadtverwaltung und Wissenschaft entwickelten das Konzept gemeinsam. „Das ist bundesweit einmalig“, betont Heinz Kleger. Eine Hauptkomponente ist das Büro für Bürgerbeteiligung, das 2013 etabliert wurde und heute WerkStadt für Beteiligung heißt. Das Büro versteht sich als Kompetenzzentrum, als Schnittstelle und Vermittler zwischen der Stadtverwaltung und den aktiven Bürgern.
„Potsdam steckt wegen seiner schwierigen Vergangenheit voller Konflikte“, erklärt der Professor. Ob es den Streit um die Garnisonkirche, die Diskussion um den Abriss des Mercure-Hotels oder das Ringen um Regelungen zum Parkeintritt betreffe – die Positionen seien verschieden und mitunter verhärtet. Gerade hier sieht Heinz Kleger aber auch eine große Chance: „Es kommt darauf an, dass sich die unterschiedlichen Akteure aufeinander einlassen und voneinander lernen. Dann entstehen kreative Ideen.“ Und im besten Fall eine neue Streitkultur.
„Es ist vor allem wichtig, dass man diese neuen Instrumente mal einübt, für schwierigere Phasen. In Krisenzeiten wird es wichtig, Konflikte zivil auszutragen. Es geht darum, aus den neuen Strukturen auch neue Kulturen zu entwickeln“, beschreibt Heinz Kleger die Herausforderungen. Zeit, Geduld und Toleranz seien dafür notwendig. 
Die Grenzen der Bürgerbeteiligung sieht Heinz Kleger vor allem in den knappen zeitlichen Ressourcen der zumeist ehrenamtlich Aktiven. „Es hat ja keinen Sinn, wenn sich die Leute ständig selbst überlasten, Überforderung schlägt dann um in Frustration“, erklärt er. Und es gebe auch sachliche Grenzen. „Man kann sich nicht in alle Beteiligungsprozesse einarbeiten, die inhaltlich meist sehr komplex sind.“
Eine solidarischere Stadtgemeinschaft – sie ist letztlich das Ziel. Was passiert im Schlaatz, was in Drewitz? Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers leisteten genau diese sogenannten sozialen Brennpunkte am meisten – sowohl bei der Integration als auch in Sachen Toleranz. „In Potsdam gibt es die Welt der Kunsthistoriker, die interessieren sich nur für ihre Parks, die Wissenschaftler interessieren sich nur für die Wissenschaft, die Filmleute in Babelsberg nur für die Filmwelt und ihre Preise. Dass diese Welten miteinander in Kontakt treten und auch eine Sensorik für die Probleme der anderen entwickeln – das wäre meine Vision.“ 
Als Wissenschaftler ist Heinz Kleger mittendrin in der Praxis – und profitiert davon. „Ich denke, konstruktive theoretische Politik muss man heutzutage von den Problemen der Stadt her entwickeln und nicht aus Schulbüchern. Die Stadt ist ein wunderbares Labor.“

Aktionswoche „Uni findet Stadt“
Uni findet Gesellschaft
7. Juni 2016, 18 Uhr
„Toleranzedikt als Stadtgespräch – eine Zwischenbilanz nach acht Jahren“. Vortrag von Heinz Kleger, Professor für Politische Theorie an der Universität Potsdam und zugleich Initiator des „Neuen Toleranzedikts“ von 2008
Wissenschaftsetage im Bildungsforum, Am Kanal 47, 14467 Potsdam, Raum Vollmer

Kontakt: 
Universität Potsdam
Prof. Dr. Heinz Kleger
August-Bebel-Str. 89, 14482
PotsdamTel.: 0331 977-3561 bzw. -3340
Email: heinz.klegeruni-potsdamde bzw. seichleruni-potsdamde

Text: Heike Kampe
Online gestellt: Daniela Großmann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

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