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Per Treppe an den Kraterrand – Geowissenschaftler der Uni reisten nach China

Chinesische und deutsche Teilnehmende der geologischen Geländeexkursion in Yunnan. Im Hintergrund die typische Karstlandschaft der Region Louping. Foto: Bai Song/CAGS
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Chinesische und deutsche Teilnehmende der geologischen Geländeexkursion in Yunnan. Im Hintergrund die typische Karstlandschaft der Region Louping. Foto: Bai Song/CAGS

Masterstudierende und (Post-)Doktoranden des Instituts für Erd- und Umweltwissenschaften nahmen Ende vergangenen Jahres an einer 16-tägigen Exkursion nach Yunnan, einer südwestlichen Provinz Chinas, teil. Möglich wurde die Studienreise durch eine Kooperation der Universität Potsdam (UP) mit der Chinese Academy of Geological Sciences (CAGS). Thematisch stand die Kollision zwischen indischer und eurasischer Kontinentalplatte im Mittelpunkt. Ziel der Tour war es, den Teilnehmenden ein besseres Verständnis der Geologie entlang der östlichen Ausläufer des Himalayas zu vermitteln. Auch der wissenschaftliche Austausch, die Pflege der chinesisch-deutschen Beziehungen und die Ermunterung zu weiteren Kooperationen stellten durchaus wichtige Anliegen dieses ganz besonderen Teils der Ausbildung dar. Die dabei gewonnenen Kenntnisse sind für regionale Gefährdungsanalysen sowie für die Ressourcenexploration von Bedeutung.

Die Exkursion startete in Tengchong, einer Stadt mit rund 620.000 Einwohnern in der Provinz Yunnan – nach chinesischen Maßstäben ein relativ kleiner Ort. Yunnan ist die südwestlichste Region Chinas und in etwa so groß wie Deutschland und die Niederlande zusammen. Einige kennen vielleicht Tengchong,  den ehemaligen Fernhandelsort an der südlichen Seidenstraße, welche hier die meisten der deutschen und chinesischen Teilnehmenden das erste Mal betraten. Das Gebiet ist von jungem Vulkanismus geprägt. Dies bezeugen weitläufig anstehende Flutbasalte (schwarze Gesteine, die den größten auf der Erde bekannten Lava-Eruptionen zugeschrieben werden) und hydrothermale Quellen. Um Touristen sowie Einwohnern die Geologie näherzubringen, hat die Regierung einen Geopark (Tengchong Volcanic Geopark) errichtet. Teil des Parks ist ein geologisches Museum, in dem vor allem vulkanische Vorgänge interaktiv erklärt werden. Die Gruppe besichtigte dort auch einen Vulkan – eine Treppe führt komfortabel direkt an den Kraterrand und von dort aus war es möglich, direkt in das Herz einer ehemaligen „Mini-Magmenkammer“ abzusteigen.

Die Reise führte schließlich über Baoshan nach Dali weiter Richtung Osten. Dabei überquerte die Gruppe den Mekong (chinesisch: Láncāng Jiāng) ‐ er verläuft entlang der Nahtstelle der Urkontinente Gondwana und Laurasia. Diese alten, jedoch tektonisch aktiven Kontaktzonen bergen ein gewaltiges Energiepotenzial, das durch zerstörerische Erdbeben freigesetzt werden kann.

Die besondere Landschaft und Geologie in der Gegend um Dali lässt sich anhand eines Querschnitts im Profil gut visualisieren. Im Westen befinden sich 650 Millionen Jahre alte Gesteine aus dem Proterozoikum, die durch aktive, erdbebenverursachende Störungen (geologische Schwächezone im Gesteinsverband) gezeichnet sind. Im starken Kontrast dazu sind im Osten 300 Millionen Jahre jüngere, verfaltete, devonische Sedimentgesteine anzutreffen. Getrennt sind die beiden Formationen durch den großen Erhai-See. Der auf einer Höhe von 1.972 Metern über dem Meeresspiegel liegende, zweitgrößte Hochland-See Chinas ist trotz allem sehr flach. Grund hierfür ist seine maximal 2,5 Millionen Jahre alte, quartäre Sedimentfüllung. Sie sorgt letztlich dafür, dass der See nur eine Tiefe von durchschnittlich  elf Metern erreicht. Die Lage des Erhai und die relativ jungen Seesedimente lassen Experten immer wieder über seine Entstehung rätseln. Eine diskutierte Hypothese geht davon aus, dass Bewegungen entlang einer bestimmten Schwächezone, mitten in einem Kontinentalblock, ein Becken aufgerissen haben. Heute ist der See mit seiner langen Promenade eine beliebte Sehenswürdigkeit für chinesische Touristen und bildet zusammen mit den teilweise über 4.000 Meter hohen Gipfeln des Diancang Shan-Gebirges eine atemberaubende Kulisse.

Doch nicht allein der See beeindruckte die Potsdamer Geowissenschaftler. Auch das prachtvolle, mehr als 3.000 Jahre alte Dalis tat dies. Es soll um das Jahr 1.000 n. Chr. zu den 13 bevölkerungsreichsten Städten der Welt gezählt haben. Viel Zeit, das Gesehene zu verarbeiten, gab es allerdings nicht.  Denn schon der Besuch der seit etwa 300 Jahren aktiven Kupfer-und Goldmine bei Beiya, nördlich von Dali, erwies als weiteres Highlight. Die Anlage gehört zu den fünf größten Goldminen Chinas und ist 100 bis 200 Meter tief. Als Vertrauensbeweis der chinesischen Geschäftsführung darf sicher gelten, dass die Studierenden sogar Goldbarren anfassen und fotografieren konnten. Für die Produktion eines solchen  sind etwa 40.000 Lastwagenladungen Gesteinsmaterial nötig. Um wichtige Arbeitsschritte der Lagerstättenforschung nachvollziehen zu können, standen übrigens mehrere Bohrkerne aus über 100 Meter Tiefe bereit.

Danach ging es weiter nach Yuanmou. Diese Region ist berühmt für den Yuanmou-Menschen und zahlreiche weitere Fossilienfunde. 1965 entdeckten hier chinesische Forscher zwei obere Schneidezähne eines Menschen, der dem Homo erectus sehr ähnelt. Allerdings diskutieren Fachleute das Alter des Homo erectus yuanmouensis kontrovers. Bis heute ist deshalb nicht klar, wem die Krone des ältesten fossilen Menschen Chinas gehört: dem Yuanmou-Menschen oder dem Peking-Menschen (Homo erectus pekinensis).

Aus wissenschaftlicher Sicht erwies sich während der Reise besonders die Region um Kunming (Hauptstadt Yunnans mit 6,8 Millionen Einwohnern) als äußerst interessant. Warum? Hier liegt ein außerordentlicher geologischer Aufschluss. Interessierte können den rund 540 Millionen Jahre
alten Übergang der erdgeschichtlichen Epoche des Präkambriums zum Kambrium betrachten.

Diese Entwicklungsphase gilt auch als kambrische Explosion des Lebens auf dem Planeten Erde. Zu jener Zeit entwickelten sich viele neue Arten, und das sehr schnell. In den kambrischen Gesteinen hat man zahlreiche Fossilien von Schalentieren gefunden. Ein ähnlich gut aufgeschlossenes Zeitzeugnis gibt es im weit entfernten Kanada.

Die chinesische Kultur, einschließlich der dazugehörenden Gastfreundlichkeit, hinterließ beim deutschen Team einen großen Eindruck. Denn häufig gab es die Gelegenheit, vorhandene Sitten und Gebräuche näher kennenzulernen: etwa bei geselligen Abendessen an runden, drehbaren Esstischen oder bei Freizeitaktivitäten. Nach zwei Wochen waren einige sogar in der Lage, geröstete Erdnüsse stilvoll mit Stäbchen zu essen. Und natürlich fuhr man auch zur chinesischen Mauer –nach Badaling bei Peking. Die rötlichen Herbstfarben der Bäume und die dichten Wolkenbänder an den Berghängen ließen das längste Bauwerk der Welt als malerisches Landschaftsbild erscheinen.

An dieser Stelle bedanken sich die Potsdamer Masterstudierenden der Geowissenschaften für die hervorragend organisierte Exkursion und für die Möglichkeit, in eine der abgelegenen Regionen Chinas reisen zu dürfen. Für alle war es eine unvergessliche Erfahrung.

Kontakt:
Universität Potsdam
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Erd- und Umweltwissenschaften, Dr. Alexander Schmidt
Campus Golm, Karl-Liebknecht-Str. 24-25
E-Mail: alexander.schmidtgeo.uni-potsdamde

Text: Piero Catarraso, Adrian Jablanovski, Gözde Karaköse, Gregor Lauer-Dünkelberg, Eric Rohde, Thomas Schirmer, Florian Zscheyge
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde