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Unterwegs im Iran – 12. September, Tabriz: Metropole an der Seidenstraße

Blaue Moschee in Tabriz, Foto: N. Riemer
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Blaue Moschee in Tabriz, Foto: N. Riemer

Gründe dafür, Tabriz als Ausgangpunkt einer Iranexkursion zu wählen, gibt es mehrere. Dank ihrer günstigen Lage an der Seidenstraße nahm die Stadt als wirtschaftliches Zentrum schon in der Antike eine bedeutende Rolle ein. Eine erste Blütezeit erlebte sie, als der mongolische Ilkhanenfürst Ghazan Khan (1271–1304) seinen Regierungssitz nach Tabriz verlegte. Durch eine regelrechte Reformwelle, intensive Handelskontakte in die christliche Welt, seine liberale Einstellung gegenüber anderen Religionen und die massive Förderung von Wissenschaft und Künste machte er Tabriz zu einer der größten Metropolen der Epoche. Entscheidend jedoch war, dass er als christlich Getaufter zum Islam konvertierte, wodurch er dessen Ausbreitung vorantrieb und die Mongolen mit der iranischen Hochkultur verband.

Auch unter dem ersten Safawidenherrscher Ismail I. nahm Tabriz eine wichtige Rolle ein. Der aus einem nomadischen Turkstamm hervorgegangene Ismail I. okkupierte die Stadt im Jahre 1501 und krönte sich hier selbst zum König der Könige Irans (Schâhinshâh-i Irân), dem Pendant des westlichen Kaisertitels. Nachdem er vom sunnitischen zum schiitischen Islam konvertiert war, erhob er Letzteren zum Pflichtbekenntnis für sein gesamtes Reich. Sein äußerst brutales Vorgehen bei der Schiitisierung des vormals sunnitischen Landes verhärtete die bereits vorhandenen Konfessionsgrenzen und hat sich in das historische Gedächtnis beider Strömungen eingeschrieben: Jeder Sunnit, der nicht das schiitische Glaubensbekenntnis ablegen wollte, wurde getötet. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass dem Programm der Schiitisierung des Landes kaum theologische Aspekte zugrunde lagen und Ismail I. selbst wenig konkrete Vorstellungen von seinem neuen Glauben hatte. Wie so oft war auch hier nicht die Religion das Problem, sondern die Politik: Die Osmanen hatten ihren Einfluss nach Osten ausgedehnt und versuchten, die nomadisierenden Turkstämme zu unterwerfen, die sich in die militärische Opposition begaben und die Errichtung eines eigenen Staatsgebildes anstrebten.

Nach einer kurzen Nacht besuchen wir die School of Architecture der Tabriz Islamic Arts University, die in mehreren, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Stadtvillen untergebracht ist. Wie viele traditionelle Häuser im Iran verfügen diese repräsentativen Bauwerke über einen von außen zugänglichen Hof mit Gartenanlage und einen nicht weniger prachtvoll bepflanzten, abgeschirmten Innenhof. Besonders schön ist das Winterhaus des Behnam-Komplexes, dessen Empfangssaal wir bei der Begegnung mit den Honoratioren der Einrichtung bewundern dürfen. Neben den Miniaturfresken und den verzierten Kaminen beeindrucken vor allem die farbigen Fensterfronten. Das Gespräch zwischen den deutschen Besuchern und den iranischen Gastgebern verläuft sehr schablonenhaft und beschränkt sich auf die üblichen Informationen über Studierendenzahlen und Fächerprofile. Spannender ist die Ausstellung von Abschlussarbeiten, die zum Teil ein sehr hohes Können und den innovativen Einsatz von 3D-Druckern dokumentieren.

Der anschließende Besuch im Aserbaidschan-Museum fällt trotz spektakulärer Exponate aus den vorislamischen Perioden des Irans enttäuschend aus. Wie in den meisten iranischen Museen werden die Objekte und ihre Bedeutung nicht näher erläutert. Übersichtsdarstellungen fehlen fast vollständig oder sind nicht aufbereitet, sodass sich der Besuch nur für ausgewiesene Fachleute wirklich lohnt.

Dagegen bildet die Besichtigung der Blauen Moschee (Masdsched-e Kabud) ein erstes Highlight. Sie wurde 1465 im Auftrag des turkmenischen Stammesfürsten Jahan Schah (1397–1467) erbaut und in den 1770er Jahren durch Erdbeben teilweise zerstört. Beeindruckend sind einige erhaltene kobaltblaue, geometrische Fliesenpartien, deren Ränder mit Goldlasuren versehen sind.

Für eine zweite, weitaus imposantere Attraktion haben wir fast keine Kraft mehr und die ersten Exkursionsteilnehmer fallen über marode Baustellentreppen: Die Ali Schah-Zitadelle (Qiblawand) wurde 1315 zunächst als Moschee errichtet und später auch als Festung genutzt. Mit großer Begeisterung jagt uns unserer lokaler Touristenführer durch die verschiedenen historischen Epochen, die dieses ausschließlich aus unverzierten Backsteinen errichtete Riesenmonument – die zehn Meter dicken Mauern erreichen immerhin eine Gesamthöhe von 25 Metern – überdauerte. Wir können noch die Einschläge bewundern, mit denen russische Truppen 1911 das Bauwerk schmückten. Der Wechsel von einer religiös-zivilen zu einer militärischen Anlage hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

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Text: Prof. Dr. Nathanael Riemer
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde