Im Herbst 2014 kommt das interdisziplinäre Projekt „StrokeBack“ zum Abschluss. Acht Partner haben in drei Jahren ein System erarbeitet, das Schlaganfallpatienten bei den notwendigen Übungen zur Rehabilitation in den eigenen vier Wänden aktiv unterstützt. Die komplexe Software dafür haben Prof. Dr. Torsten Schaub und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dipl.-Inform. Holger Jost am Institut für Informatik entwickelt.
Nach einem Schlaganfall macht die Reha Patienten wieder fit für den Alltag: Die
Muskeln und Gelenke der betroffenen Körperseite müssen in Bewegung bleiben, damit sie nicht verkümmern. Bewegungsabläufe sind einzuüben, damit die gesunden Teile des Gehirns die Funktionen der kranken übernehmen
können. Doch nach der Entlassung aus der Klinik stehen bestenfalls noch zu vereinzelten Terminen Physio- und Ergotherapeuten zur Verfügung, um das Training zu unterstützen und Fehler zu korrigieren.
Diese Rolle könnte künftig ein System übernehmen, an dem Torsten Schaub und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Holger Jost maßgeblich beteiligt waren: In dem Projekt „StrokeBack – Telemedicine System Empowering Stroke Patients to Fight Back“ haben die beiden Forscher käufliche Hardware-Komponenten mit einer eigens entwickelten wissensbasierten Software aufgerüstet. Damit können Patienten in der eigenen Wohnung selbstständig trainieren.
An dem Projekt, das auf drei Jahre angesetzt war und im Herbst 2014 zum Abschluss kommt, waren acht Forschungs- und industrielle Partner aus vier Ländern beteiligt. Denn bevor Schaub und Jost loslegen konnten, benötigten
sie unter anderem passende Hardware, ein Datenbanksystem und geeignete Spiele, die den Patienten das Üben erleichtern.
Zuallererst aber mussten die beiden Informatiker von Medizinern, Therapeuten undderen Patienten lernen, worauf es bei der Reha nach Schlaganfällen ankommt. Auf der Grundlage dieses Wissens galt es dann eine „intelligente“ Software zu entwickeln. Das ist Schaubs Spezialität. „Ein Schachcomputer wie ‚Deep Blue’ wird einfach mit allen möglichen Lösungswegen gefüttert, die er dann stur ausführt“, erklärt er: „Wir geben dem Rechner dagegen lediglich die Spielregeln und lassen ihn diese nach den Regeln der Kombinatorik anwenden.“
Für „StrokeBack“ musste der Rechner also „wissen“, welche Varianten bestimmter Übungen unterschiedliche Patienten ausführen müssen. Er musste zudem die sogenannten Ausweichbewegungen „erkennen“, die Schlaganfallpatienten machen: Sollen sie beispielsweise die Unterarmmuskeln trainieren, die sich durch den Ausfall im Gehirn nur noch mit erheblicher Willensanstrengung bewegen lassen, ziehen sie stattdessen einfach die Schulter hoch.
Die wissensbasierte Software stellt nun jedem Patienten ein individuelles Trainingsprogramm zusammen und unterstützt ihn bei der Ausführung. Als Schnittstelle zwischen Mensch und Computer dient eine „Kinect“-Sensorleiste,
die mithilfe einer Kamera und Infrarotsensoren die realen Bewegungen einer Person im Raum erfasst und über eine Spielkonsole die virtuelle Aktion einer Fantasyfigur oder eines Sportlers auf dem Bildschirm steuert.
Für „StrokeBack“-Nutzer musste dieses sportliche System etwas angepasst werden. Da sie meist sitzend trainieren, tragen sie die Sensoren, mit denen der Rechner die Eckpunkte des vor ihm befindlichen Körpers erfasst, statt über den ganzen Körper verteilt nur an den Handgelenken und Oberarmen. Vom Bildschirm erhalten die Patienten Anleitungen für ihre Übungen. Während sie diese ausführen, sehen sie beispielsweise einen umherflatternden Vogel. Ist alles richtig, überfliegt das Tier die auftauchenden Hindernisse, bei einem Fehler stößt es dagegen. Aus den aufgezeichneten Daten lässt sich fernüberwachen, ob die Patienten ihre Übungen auch wirklich regelmäßig absolvieren.
Das System ist prinzipiell vermarktungsreif. Die Idee ist, es als Baukasten aus drei Rechnern, der Sensorleiste und den zugehörigen Sensoren anzubieten oder aber als großen Tisch mit fest eingebauten Komponenten. Die Brandenburg-Klinik in Bernau testet „StrokeBack“ zurzeit – mit guten Ergebnissen. Gewisse Begrenzungen räumt Torsten Schaub allerdings ein: „Das Wissen eines echten Therapeuten, seine praktische Erfahrung und das, was er von anderen gelernt hat, lässt sich auch einem wissensbasierten System nicht eingeben.“
Text:Sabine Sütterlin, Online gestellt: Agnes Bressa