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[Biographie] [Bibliographie] [Itzig-Palais]

Isaac Daniel Itzig

Naturalisationspatent für die Itzigsche Familie

Naturalisationspatent für die Itzigsche Familie, Berlin, 2. Mai 1791, zitiert nach: Ludwig Geiger: Geschichte der Juden in Berlin. Reprint der Ausgabe von 1871-1890. Berlin: arani 1988, S. 147-150.

Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preussen Thun kund und fügen hiermit zu wissen, dass wir auf aller unterthänigste Vorstellung unseres Ober-Hof-Banquiers und Chaussee-Bau-Inspectors Isaak Daniel Itzig in Erwägung seiner Uns bisher geleisteten und noch ferner zu leistenden treuen Dienste, auch um seinem Vater, dem hiesigen Banquier Daniel Itzig wegen seines bekannte beständigen Wohlverhaltens, und uneigennützigen Betragens ein verdientes Merckmal Unserer Höchsten Gnaden zu geben, Allergnädigst resolviret haben, letztbemeldeten Banquier Daniel Itzig für sich und seine ehelichen Descendenten beiderley Geschlechts zu naturalisiren und ihnen dadurch alle Rechte christlicher Bürger in Unsern gesammten Staaten und Landen zu verleihen. Wir thun auch solches hierdurch und Kraft dieses Patents dergestalt und also, dass mehrgedachter Daniel Itzig und seine ehelichen Descendenten beiderley Geschlechts überall als eine würkliche christliche Bürger Familie angesehen und behandelt werde, folglich mit allen christlichen Bürgern gleiche Rechte haben sollen, ohne auch nur demjenigen unterworfen zu sein, was bis jetzt die General-Privilegirten Juden haben leisten müssen, wobey jedoch, was die weibliche Descendenten des ofterwähnten Daniel Itzig betrifft, hierdurch näher bestimmt und festgesetzt wird, dass seine Töchter und seiner Söhne und Töchter Kinder weiblichen Geschlechts zwar die in diesem Patent bewilligte Naturalisations-Wohlthat auch auf ihre Ehemänner aus andern jüdischen Familien bringen, die von seinen Enkelinnen aus diesen Ehen zu erzeugende Kinder beiderley Geschlechts aber als solche angesehen werden sollen, welche aus andern Familien abstammen, mithin der Naturalisierungs-Wohlthat nicht weiter theilhaftig seyn können, sondern der Condition ihrer Väter folgen müssen. Insonderheit soll der Daniel Itzig und seine ehelichen Descendenten beiderley Geschlechts so jedoch die weiblichen Descendenten und deren Nachkommen, unter vorgedachter nähern Bestimmung und Massgabe

1) als Bürger in den Städten, sofern sie sich ohne Rücksicht auf die Religion, sonst dazu qualificiren, auf- und angenommen, verpflichtet, mithin zu allen bürgerlichen Functionen, Würden, Gewerben, Künsten und Professionen admittiret werden, und ihnen keine Zunft- und Innungs- Verfassungen, welche auf dem Grund gemeiner Rechts und Gilde-Briefe oder wegen Privilegien und hergebrachter Observantz die Juden von aller Theilnahme ausschliessen, irgend daran hinderlich seyn, vielmehr Impetrant und dessen vorher näher bestimmte Descendenz beyderley Geschlechts das Recht und die Befugniss haben.

2) Ueberall in den Städten, und auf dem Lande, soweit nicht an einem und anderem Orte dessen besondere eigne auf den Fall des Widerspruchs im ordentlichen Falle der Justiz zu entscheidende Privat Rechte entgegenstehen, sich häusslich niederzulassen, daselbst Grundstücke zu kaufen und zu besitzen, nicht weniger alle diejenigen bürgerlichen Gewerbe, wozu sie sich zu widmen für gut finden, nach gleichen Gesetzen, im gleichen Umfange, und überhaupt auf eben dem Fuß, als christliche Bürger dazu berechtiget und verbunden sind, ungestört zu treiben.

3) Sollen die in den Landesgesetzen gegen die Juden gemachte Ausnahmen auf den Impetranten und dessen in vorbemeldeter Art näher bestimmte eheliche Descendenz beiderley Geschlechts in ihren Rechts Angelegenheiten bey allen Gerichten und Obrigkeiten keine Anwendung finden, sondern sie wie christliche Bürger behandelt und gerichtet werden, wogegen sie verbunden seyn sollen zu ihren Handlungsbüchern, Contracten und anderen schriftlichen Verhandlungen in ihren Angelegenheiten sich nicht der jüdischen, sondern der Landessprache zu bedienen. Sie sollen ferner

4) zu ihren Ansetzungen, Heyrathen und Erwerbungen von Grundstücken keine Concessionen zu suchen und dafür besondere Gebühren zu erlegen verbunden, vielmehr nur dasjenige zu beobachten und zu leisten schuldig seyn, was christlichen Einwohnern und Unterthanen in solchen Fällen obliegt.

5) Weiter sollen sie auch von solchen Abgeben und Lasten, denen die Juden als Juden unterworfen sind, völlig befreyet bleiben, und überhaupt aus der solidarischen Verbindung und Verhaftung, worin die Schutzjuden sowohl in Ansehung ihrer Abgaben und ihrer Gemeinde- und Ritual- und kirchlichen Verfassung, als auch sonst nach dem General-Juden-Reglement und nach andern dahin gehörigen Anordnungen stehen, ganz herausgesetzt und

6) Der Gerichtsbarkeit, Direction und Autoritaet, deren Ausübung den Rabbinern, Beisitzern und Aeltesten über die Schutzjuden unter sich, im General-Juden-Reglement gewissermaßen nachgegeben ist, nicht minder aller jüdischen Ritual- und Synagogen Disciplin auch sonstigen Einrichtungen der Rabbinier und Aeltesten und der damit verknüpften Abhängigkeit von denselben, kurz aller Gemeinschaft mit den Juden Gemeinden und der Theilnahme an ihren Vorteilen und Beschwerden völlig enthoben seyn, wobei sich jedoch von selbst verstehet, dass in Ansehung der von ihnen bisher mit der Gemeine als Mitglieder derselben übernommene Verbindlichkeiten gegen andre ihre Mitverhaftung nicht aufhöre, auch dieselben, insofern sie an den schon vorhandenen, unter ihrer Mitwirkung errichteten gemeinsamen Anstalten der hiesigen Juden Gemeine künftig werden Theil nehmen wollen, zur Unterhaltung solcher Anstalten schuldig seyn werden und ihnen deshalb ihre Rechte gegen einander vorbehalten bleiben.

7) Dagegen sollen sie nicht nur befugt, sondern auch gehalten seyn, in allen Rechts- Angelegenheiten sich nach den gemeinen bürgerlichen Gesetzen und Rechten des Landes zu richten und von den geordneten christlichen Gerichtsobrigkeiten sich richten zu lassen, wovon nur allein die gesetzlich vorgeschriebene Form der jüdischen Eide, die Bestimmung der verbothenen Grade bey den Verheyrathungen, ingleichen die Ehescheidungs-Ursachen, so wie dasjenige, was kirchliche und religieuse Feyerlichkeiten bey der Trauung, bey den Ehescheidungen, die verweigerte Levirats-Ehe, und deren rechtliche Folgen betrift, ausgenommen bleibt, bey welchen Materien sie auch in den christlichen Gerichtshöfen nach den jüdischen Ritual-Gesetzen und den nach deren Grund in vorkommenden Fällen zu erfordernden Gutachten der jüdischen Gelehrten beurtheilt werden sollen, wie denn auch die Vorschriften wegen der Wechsel - Praesentationen, Acceptationen und Zahlungen, welche auf einen Sabbath oder jüdischen Feyertag fallen, in Ansehung ihrer ungeändert bleiben, nicht minder der in Berlin wohnhaften Naturalisirten, ihren bisherigen unter Unserm Hof- und Kammergericht gehalten Gerichtsstand ferner beibehalten. Endlich sollen Impetrant und dessen eheliche Descendenten

8) von allen Collegiis und Gerichten in den Ausfertigungen und Resolutionen nicht Juden, sondern als andere Bürger, nach ihren Namen, Stand und Gewerbe genannt, überhaupt keine Unterscheidungen zwischen ihnen und christlichen Bürgern gemacht und sie durchgängig bey diesen und allen andern, aus ihrer völligen Naturalisation fliessenden Eigenschaften und Befugnissen von sämtlichen Landes-Collegiis und Obrigkeiten nachdrücklich geschützt werden, dagegen aber auch

9) alle dingliche und persönliche Pflichten, zu welchen Unsre christlichen Unterthanen Uns und dem Staate, mit Gut und Blut, in Civil- und Militär- Dienste verbunden sind, nach gleichen Gesetzen und in gleicher Art jedesmal unweigerlich leisten, wie Wir Uns denn zu oftbenannten Daniel Itzig und dessen ehelicher Descendenz beiderley Geschlechts, soweit die weibliche der Naturalisations- Wohlthat nach gegenwärtigem Patent theilhaftig wird, überhaupt versehen, dass sie und ihre Nachkommen ihre Kinder zu treuen, rechtschaffenen und für alle Fälle ihrer Bestimmungen nützlichen Bürgern und Unterthanen zu erziehen, sich äusserst bestreben werden, allermassen wenn wider Verhoffen jemand von ihnen und ihren Nachkommen in die unter einem grossen Theile der jüdischen Nation noch gewöhnliche mit arglistigen Uebervorteilungen verknüpfte jüdische Schacherey verfallen oder gar mit wucherlichen Negotiis sich abgeben sollten, derselbe der Naturalisations Wohlthat und der damit in diesem Patent verbundenen Rechte verlustig gehen, mithin in den Stand eines gemeinen Juden zurückgesetzt werden soll. Schliesslich haben sich Unsre sämmtliche Regierungen, Justitz-Collegien, Krieges- und Domänen Kammern, Magistrate, Beamte und Gerichts-Obrigkeiten hiernach schuldigst zu achten.

Urkundlich haben Wir dieses Naturalisations-Patent Höchsteigenhändig unterschrieben und mit Unserm Königl. Insiegel bedrucken lassen. So gegeben und geschehen zu Berlin den 2. Mai 1791.

v. Blumenthal

v. Carmer

Friedrich Wilhelm

Zitierhinweis:

Naturalisationspatent für die Itzigsche Familie, Berlin, 2. Mai 1791, in: haskala.net. Das online-Lexikon zur jüdischen Aufklärung / hg. von Christoph Schulte, URL<>, letzter Zugriff [Datum, Uhrzeit].