Frau Rößling, können Sie nach den vergangenen Wochen ein erstes Fazit ziehen: Wie geht es den Internationals im Moment?
In den ersten Wochen hatten wir vermehrt Anfragen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Reiserestriktionen und den damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Arbeitsverträge und Stipendien. Viele der Forschenden waren gerade beruflich im Ausland und konnten nicht zurückkommen oder hatten Anschlussverträge im Ausland. Natürlich gab und gibt es auch viel Unsicherheit mit aufenthaltsrechtlichen Fragen, zumal ja die Behörden für den Publikumsverkehr geschlossen haben.
Für gerade noch eingereiste Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler galt es, schnell herauszufinden, welche Dienstleistungen (noch) in Anspruch genommen werden können bzw. nach Alternativlösungen zu suchen. Zum Glück sind mittlerweile für viele Angelegenheiten Regularien geschaffen worden – und die nötigen Informationen auf Englisch verfügbar. So hat sich bei vielen das Leben mit der Pandemie in gewisser Weise eingependelt. Nichtsdestotrotz bleiben Unsicherheiten in Bezug auf die Rückreise ins Heimatland oder die Einreise nach Deutschland.
Sind denn viele Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vorsorglich nach Hause gereist?
Wir haben nur von wenigen gehört, die zurückgereist sind oder ihren Aufenthalt frühzeitig abgebrochen haben. Es ist eher so, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gerade im Ausland oder im Heimatland waren, wieder nach Deutschland zurückkommen wollten, was aufgrund der bestehenden Reiserestriktionen sehr schwierig war und immer noch ist.
Erleben Sie Internationals eher als „besonders gefährdet“, da sie in der Fremde und besonders isoliert sind, oder sind sie besser auf unsere derzeitige Situation vorbereitet, da sie es gewohnt sind, mit Familie und Freunden über große Distanzen hinweg Kontakt zu halten?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt positive Rückmeldungen, da viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewöhnt sind, fern von der Familie zu leben und Freunde und Angehörige online zu treffen. Einige haben auch berichtet, dass sie sich gerade jetzt besonders gut auf ihre Forschungsarbeit konzentrieren können und die Zeit zudem zum Deutschlernen nutzen.
Andere wiederum haben genau damit Probleme, da sie keinen Zugang zum Labor haben, Konferenzen und Kolloquien ausfallen und sie zu Hause gegebenenfalls durch fehlende Kinderbetreuung oder Motivation nicht zum selbstständigen Arbeiten kommen.
Von Einzelfällen wissen wir auch, dass ihnen durch die Krise bewusst geworden ist, wie wichtig ihnen Familie und Freunde in der Heimat sind, und sie in naher Zukunft in ihre Heimatländer zurückkehren möchten. In einigen Fällen wurden auch Familien getrennt, weil z.B. ein Elternteil in einem anderen Land „festhängt“ oder der Familiennachzug aufgrund von geschlossenen Visastellen nicht möglich ist und es keine absehbare Zusammenkunft gibt.
Sehr schwierig ist es auch für Neuankömmlinge, die sich noch keinen Bekanntenkreis aufbauen konnten und mitunter erst im Homeoffice eingearbeitet werden müssen. Durch die fehlenden Veranstaltungen und Kontaktmöglichkeiten wird dies wohl auch in der kommenden Zeit schwierig sein.
Häufig haben Gastforschende aus anderen Ländern kürzere, befristete Arbeitsverträge und entsprechend befristete Aufenthaltserlaubnisse. Können Sie dabei helfen? Gibt es hierfür Hilfe vom BMBF oder anderen staatlichen Stellen?
Wir haben hier großes Engagement von den Betreuern und den Personalabteilungen erlebt, um auslaufende Verträge noch kurzfristig zu verlängern oder andere Lösungen für die Betroffenen zu finden. Es gibt aber auch Promovierende, denen coronabedingt der Nebenverdienst entfällt und die jetzt auf der Suche nach finanzieller Unterstützung sind.
Werden Sie als Welcome Center derzeit mehr gebraucht?
Nicht mehr, sondern anders. Dadurch, dass natürlich weniger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einreisen, sind einige Vorbereitungen auf Eis gelegt. Dafür benötigen die Forschenden vor Ort bzw. die, die aktuell in einem anderen Land festhängen, intensivere Betreuung, da der Gesprächsbedarf entsprechend hoch ist.
Womit haben die Internationals derzeit am meisten zu kämpfen?
Das ist wohl vor allem die Sorge um Familie und Freunde in der Heimat. Hier vor Ort fehlen der Zugang zum Labor und die technische Ausrüstung, um mit der Forschung voranzukommen. Zudem gibt es bei einigen große Unsicherheiten in Bezug auf ihre Aufenthaltstitel. Diese können momentan weder ordentlich verlängert noch zu anderen Zwecken geändert werden.
Was hat Sie positiv überrascht?
Dass es einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trotz aller Hürden noch gut gelaunt zu uns nach Potsdam schaffen. Auch die positive Art und Weise, mit der international Forschende die Situation angehen, und der wie gewohnt sehr freundliche Umgangston.
Überrascht hat uns auch, wie plötzlich eines unserer größten Probleme, der Mangel an bezahlbarem möbliertem Wohnraum, fast über Nacht verschwand und hier jetzt durchaus ein passables Angebot entstanden ist.
Die Universität Potsdam ist seit einigen Wochen im Präsenznotbetrieb. Sicher arbeitet auch das Welcome Center großteils im Home Office. Wie funktioniert das?
Wir arbeiten sowohl im Büro als auch im Homeoffice, um weiterhin bestmöglich und schnell bei allen Anliegen weiterhelfen zu können. Unsere Beratung bieten wir – wie auch schon vor Corona – per E-Mail, Skype oder Telefon an. Zudem nutzen wir jetzt verstärkt unsere Social Media-Kanäle, um die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu erreichen. Auch neue digitale Formate für Präsentationen, Chats oder Konferenzen kommen zum Einsatz. Ohne den persönlichen Kontakt zu den Forschenden und auch zu den Kolleginnen fehlt uns aber definitiv etwas im Arbeitsalltag.
Das Coronavirus dürfte uns noch einige Zeit begleiten. So muss das Sommersemester zu großen Teilen ohne Präsenzveranstaltungen auskommen. Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die langfristigen Planungen von Gastforschenden aus? Bleiben manche länger? Kommen viele gar nicht (mehr)?
Wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihren Aufenthalt vorzeitig abgebrochen. Sehr viele haben ihn vom Frühjahr auf unbestimmte Zeit oder auf den Herbst verschoben. Bislang hat noch keiner den geplanten Forschungsaufenthalt komplett aufgegeben. Alle hoffen, dass sie bald aus ihren Heimatländern aus- bzw. nach Deutschland einreisen können.
Diejenigen, die bereits vor Ort in Potsdam und Berlin sind, bleiben in der Regel länger – meist, weil es für sie keine Möglichkeit gibt, ins Heimatland zurückzukehren, die Situation für sie in der Heimat gegebenenfalls noch schwieriger zu bewerkstelligen wäre oder sie einfach die Möglichkeit nutzen möchten, weiterhin zu ihren Themen in Potsdam zu forschen. Einige wünschen sich auch, ihren zeitlich begrenzten Aufenthalt etwas zu verlängern, da sie durch die Schließung der Labore nur beschränkt an ihren wissenschaftlichen Projekten arbeiten können.
Zur Übersichtsseite aller Beiträge aus der Universität Potsdam zur Corona-Pandemie