Herr Gerlof, was läuft an der Universität Potsdam in diesem Krisenmodus besonders gut? Wo gibt es noch Luft nach oben?
Luft nach oben gibt es sicherlich noch bei einigen Abläufen, die wir aufgrund der Pandemie neu etabliert haben, aber das halte ich für ganz normal. Wir befinden uns ja nach jetzigem Stand noch bis Anfang Mai im Präsenznotbetrieb, und in diesen, bis dahin nie erlebten Zustand sind wir erstaunlich gut hineingekommen. Das liegt am Engagement ganz vieler Universitätsangehöriger: Die Lehrenden haben die Zeit genutzt und viele ihrer Lehrangebote auf digitale Formate umgestellt, die Forscherinnen und Forscher haben sich sehr frühzeitig um einen sicheren Notbetrieb ihrer Labore gekümmert, und ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten den Betrieb aus dem Home Office heraus überaus engagiert am Laufen.
Wenn Sie an die nächsten Wochen denken, was macht Ihnen als Kanzler dabei am meisten Sorgen? Und warum?
Wir müssen den Ausstieg aus dem Präsenznotbetrieb sehr gewissenhaft planen und schrittweise durchführen. Wir dürfen nicht, mit dem Ehrgeiz irgendetwas aufzuholen, in einen Betriebsmodus hineinstolpern, in dem wir den Gesundheitsschutz der Studierenden und Beschäftigten nicht im Griff haben. Wir haben zum Glück einen sehr guten Bereich Sicherheitswesen an der UP, der dazu schon mit dem Ressort Lehre und den Fakultäten im Gespräch ist. Auch die Leitungen der Verwaltungsabteilungen und der Servicebereiche planen ihren Personaleinsatz und die Abläufe so, dass Risiken minimiert werden.
An der UP gibt es viele Expertinnen und Experten, die die Folgen einer solchen Ausnahmesituation abschätzen können und auf den jeweiligen Fachgebieten wissenschaftlich bearbeiten. Gibt Ihnen diese Umgebung Halt und Orientierung?
Ja, ich empfinde es als sehr hilfreich, dass wir beispielsweise medizinische Kompetenz aus der Uni im Krisenstab dabei haben, und dass andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der UP sich mit den psychischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Konsequenzen von Corona befassen. Überhaupt zeigt sich ja in dieser Zeit, wie wichtig die Wissenschaft zur Vorbereitung und Einordnung von Entscheidungen in einer solchen Pandemiesituation ist.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit inner- und außerhalb der Uni in dieser Zeit?
Das Präsidium, der Senat, die Personalräte, die Studierendenvertretung – alle sehen die Sondersituation und konzentrieren sich auf die wichtigsten Fragen. Sehr positiv muss ich die Kommunikation mit den Dekaninnen und Dekanen hervorheben: Beim Einstieg in den Präsenznotbetrieb vor vier Wochen haben wir übers Wochenende ausführlich über alle wichtigen Aspekte hin- und hergemailt und wir haben für alles sehr schnell Lösungen gefunden. Auch mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur haben wir nahezu täglich Telefonkonferenzen, es kümmert sich bis hinauf zur Leitung sehr gut um die akuten Anliegen der Hochschulen.
Funktionieren Absprachen und Beratungen vielleicht sogar besser, weil die Zeit für langwierige Diskussionen fehlt?
Ja, aber das darf kein Dauerzustand werden, denn die Diskussionen sind ja wichtig. Die zurzeit so üblichen Videokonferenzen laufen auf den ersten Blick sicher schneller und effizienter ab, ich habe aber den Verdacht, dass dabei ein wenig die Kreativität verloren geht. Jeder redet nur, wenn er drangenommen wird, man kann ganz schwer brainstormen und die Gespräche am Rande fehlen. Ich glaube, wir werden Videokonferenzen auch in Zukunft stärker nutzen, wenn Treffen zu aufwendig wären. Aber sie können niemals persönliche Gespräche vollumfänglich ersetzen.
Wie gehen Sie selbst mit dem Erwartungsdruck um, umgehend richtige Antworten und Entscheidungen zu liefern?
Ich versuche, nicht hektisch zu werden und wichtige Entscheidungen möglichst vorher mit jemandem zu beraten. In der Diskussion ergeben sich meist neue Aspekte.
Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Krise? Was wird die UP künftig anders machen?
Da ziehe ich mal eine Parallele zum Gesundheitssystem, wo ja zurzeit auch alle froh sind, dass unter dem Diktat des Wettbewerbs nicht übermäßig viele Kapazitäten abgebaut wurden. Auch bei uns werden die „kritischen Infrastrukturen“ sichtbar: Wir hätten Schiffbruch erlitten, wenn das Rechenzentrum ZIM nicht so leistungsfähig aufgestellt wäre wie es inzwischen der Fall ist, und auch in anderen Infrastrukturbereichen der Universität konnten wir in den vergangenen Jahren Engpässe beseitigen, wo eine Aufgabe zum Teil nur von einer einzigen Person wahrgenommen wurde. Wenn uns die Pandemie in den Jahren der starken Unterfinanzierung vor zehn oder 15 Jahren ereilt hätte, wären wir wesentlich schlechter aufgestellt gewesen.
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