Baltikum und Deutschland - Denkwürdiges am Ende des Ersten Weltkriegs
(Title in English: BALTICS AND GERMANY: MEMORABLE EVENT AT THE END OF FIRST WORLD WAR. Documentation in German.)
DENKWÜRDIGES AM ENDE DES ERSTEN WELTKRIEGES
OSTLAND: NEUDEUTSCHE WIRTSCHAFTSGESELLSCHAFT
Zunächst – wörtlich und unkommentiert – (auszugsweise) ein kaum bekanntes historisches Dokument über DEUTSCHLAND-BALTIKUM-BEZIEHUNGEN im SPARKASSENWESEN’:
Zentrale Absicht der ‚Ostland’ war die WIRTSCHAFTLICHE - nicht etwa die staatliche – ANGLIEDERUNG der ehemaligen russischen Ostseeprovinzen (ALT-ESTLAND und LIVLAND), sowie des Teilgebietes LITAUEN des Gouvernements Polen an Deutschland.
Die Tagung fand GANZ KURZ VOR DER ABDANKUNG DES DEUTSCHEN KAISERS und angesichts der absehbaren MILITÄRISCHEN NIEDERLAGE Deutschlands und der im Entstehen begriffenen POLITISCHEN NEUGLIEDERUNG (Motto des Völkerbundes: Pufferstaaten) im Raum der ehemals russischen Herrschaftsgebiete an der Ostsee statt.
Mitwirkende Sparkassen
(laut Tagungs-Protokoll)
‚Anwesenheitsliste, II. Gäste, 3. Sparkassenwesen:
Bürgermeister Löcke, Arnsberg, Vorsitzender des RHEIN. WESTF. SPARK.-VERBANDES und stellvertr. Vorsitzender des DEUT. SPARKASSEN-VERBANDES UND RHEIN.-WESTF. SPARKASSEN-VERBAND.
Bürgermeister Grootens, Büttgen bei Neuß, RHEIN.-WESTF. SPARKASSEN-VERBANd
Oberbürgermeister Klußmann, HANN. SPARKASSEN-VERBAND
Geh. Reg.-Rat Rietzsch, Görlitz, SCHLES. SPARKASSEN-VERBAND
Stadtrat Prescher, Breslau, SCHLES. SPARKASSEN-VERBAND
Stadtrat Krieger, Königsberg i.P., OST- UND WESTPR. SPARKASSEN-VERBAND
Bürgermeister Tröger, Sulzbach i.Oberpfalz, LANDESVERBAND BAYER. SPARKASSEN UND GIROVERBAND BAYER. SPARKASSEN
Bürgermeister Machowicz, Schöneberg, BRANDENBURG. SPARKASSEN-VERBAND und SPARKASSE DER STADT BERLIN-SCHÖNEBERG
Stadtkämmerer Scholtz, Charlottenburg, BRANDENBURGISCHER SPARKASSEN-GIROVERBAND und SPARKASSE DER STADT CHARLOTTENBURG
Justizrat Hein, Schleswig, stellvertr. Vorsitzender des SCHLESW.-HOLST. SPARKASSEN-VERBANDES
Direktor Dr. Petersen, Kiel, Geschäftsführer des SCHLESW.-HOLST. SPARKASSEN-VERBANDES
Geh. Justizrat Mickel, Darmstadt, HESSISCHER SPARKASSEN-VERBAND
Landesbankrat a.D., Reusch, Sparkassendirektor Berlin, SPARKASSE DER STADT BERLIN
Stadtrat Jursch, Berlin, DEUTSCHER ZENTRAL-GIRO-VERBAND
Schöne, Direktor der Sparkassen-Girozentrale, Hannover, HANN. SPARKASSEN-GIRO-VERBAND’
Diskussionspunkt Sparkassen
’Berichterstatter Dr. Ramin, Berlin: Wir müssen ferner für die Papiere des Neulandes, in erster Linie eben für die Pfandbriefe, die rechtliche Eigenschaft der MÜNDELSICHERHEIT im Reichsgebiet erwirken. Der Weg, auf dem wir das für erreichbar halten - es ist in erster Linie an ZWISCHENSTAATLICHE VERHANDLUNGEN DER IN BILDUNG BEGRIFFENEN NEUSTAATEN MIT DEM REICHE gedacht -, wird in einem späteren Vortrage behandelt werden. Die „Ostland“ glaubt jedenfalls durchaus darauf rechnen zu dürfen, dass die Papiere im Reichsgebiet „mündelsicher“ sein werden. Denn hiervon hängt die Liquidität des Landes in so großem Umfange ab, dass ich ohne diese Mündelsicherheit den neuen Gebieten eine auch nur einigermaßen ersprießliche Entwicklung nicht zusprechen möchte.
Also meine Herren, ich glaube, die Frage des mündelsicheren Kredits ist in der Theorie von uns gelöst. Wir haben praktisch bewiesen: DER WEG IST GANGBAR. Wir haben natürlich bei unseren bescheidenen Arbeitskräften jetzt noch keine bestimmte Summe schwarz auf weiß. Die Herren von den Sparkassen, die ja vielleicht heute hier noch zu Worte kommen werden, werden mir zugeben, dass dieses auch unmöglich ist. WIR HABEN ÜBER 5000 KASSEN, wir haben SOUNDSOVIEL VERSICHERUNGSGESELLSCHAFTEN, die wir zu bearbeiten haben. Aber das eine wissen wir, wir werden diese mündelsichere Anleihe unterbringen. MINDESTENS ein Betrag von 100 MILLIONEN MARK ist uns sicher. Wir haben stark begründete AUSSICHTEN, AUF EIN VIELFACHES dieser Summe zu kommen.
Meine Herren, neben der REGELUNG des Kreditsystems, auch DES NICHT MÜNDELSICHEREN KREDITSYSTEMS DURCH EINE ENTSPRECHENDE BANKENORGANISATION UND GENOSSENSCHAFTLICHE ORGANISATION kommt späterhin noch in Frage die rein industrielle Ausnutzung der BODENSCHÄTZE des Landes...........Wir haben an gemeinnützigen Korporationen, die hier in Frage kommen könnten, noch sehr wichtige; das sind die GENOSSENSCHAFTEN, die ja auch durch ihre SPAR- UND DARLEHENSKASSEN Geldsammelstellen ersten Ranges sind.’
’Vorsitzender: Will nicht einer der Herren aus den Sparkassenverwaltungen sich vielleicht auch noch äußern?’
’Bürgermeister Löcke, Arnsberg i.W., STELLVERTRETENDER VORSITZENDER DES DEUTSCHEN SPARKASSENVERBANDES: Meine Herren, die von Herrn Dr. Ramin vorhin ausführlich entwickelten ZIELE UND BESTREBUNGEN DER OSTLAND verdienen zweifellos allgemeine ANERKENNUNG UND ZUSTIMMUNG. Dese ZUSTIMMUNG finden Sie auch BEI DEM DEUTSCHEN SPARKASSENVERBANDE, den zu vertreten ich heute beauftragt bin. Der Deutsche Sparkassenverband bringt den Bestrebungen der Ostland ein warmes Interesse entgegen. Er erblickt in der Erfüllung der Aufgabe der FINANZIELLEN BETEILIGUNG DER SPARKASSEN EINE ARBEIT, DIE DERJENIGEN DER ERFÜLLUNG DER LOKALEN PFLICHTEN DER SPARKASSEN GLEICHWERTIG ist, und er wird sich ganz zweifellos AUS NATIONALEN GRÜNDEN, die ja, wie ich eben erwähnte, IM VORLIEGENDEN FALLE DEN LOKALEN INTERESSEN DER SPARKASSEN GLEICHZUSTELLEN sind, für die Bestrebungen der Ostland interessieren und seinen SPARKASSEN später auch die FINANZIELLE BETEILIGUNG EMPFEHLEN, sobald die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich sobald die Frage der Mündelsicherheit endgültig gelöst ist.’
’Hauptmann Freiherr von Gayl, Chef der Abteilung des Inneren, VERWALTUNG OBER-OST:...Meine Herren, wir begrüßen es mit Dank und Freude, dass hier auf wirtschaftlichem Gebiete die ersten Fäden – um in dem Bilde des Herrn Dr. Ramin zu bleiben – angeknüpft worden sind zwischen dem deutschen Neuland – so möchte ich es bezeichnen – und dem alten Heimatlande. Denn, meine Herren, es gibt nur eine Zukunft für diese Gebiete, und das ist die des engen Anschlusses an Deutschland. Die VERHÄLTNISSE haben es leider NICHT GESTATTET, diesen ANSCHLUSS SO ENG zu gestalten, WIE VIELE der Herren AUS DEM BALTIKUM und vor allen Dingen viele von uns es vielleicht GEWÜNSCHT haben. Diese Gebiete werden nicht Bestandteile des Reiches, sondern selbständige Staaten neben dem Reiche......’
FORTSETZUNG IM ZWEITEN WELTKRIEG
(Aus - mit nachfolgenden Zitaten - Jürgen Lewerenz. Banken im Baltikum. Gestern. Heute. Morgen? ISBN 3-7819-0590-X. 1997. Verlag Fritz Knapp GmbH, Frankfurt a.M. Geleitwort:. SPARKASSENSTIFTUNG FÜR INTERNATIONALE KOOPERATION, Dr. Helmut Geiger. Kapitel 2.4..
Zitate: Keiser, Günter. Der Aufbau des Kreditsystems im Ostland. Bankwirtschaft, Jg. 1943, Nr. 2, S. 229 ff. Keiser, Günter. Eine Emissionsbank und eine Bankenaufsichtsstelle für das besetzte Gebiet. Bank-Archiv; Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen, Jg. 1940, Nr. 2, S. 27 ff. Emmendörfer, Arnulf. Geld- und Kreditaufsicht in den von Deutschland während des Zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten. Eine völkerrechtliche Untersuchung über die geld- und kreditwirtschaftlichen Maßnahmen deutscher Besatzungsbehörden. Dissertation. Mainz. 1957)
DEUTSCHE BESATZUNG DES BALTIKUMS
Wenn auch die vorgenannten Banken gewinnbringend arbeiten konnten, so setzte die Verwaltung doch zum Erreichen ihres Zieles des Aufbaus eines FUNKTIONSFÄHIGEN BANKENSYSTEMS zuallererst AUF DIE AUF IHRE ZIELE AUSGERICHTETEN UND NACH IHREN VORSTELLUNGEN UMGEFORMTEN RESTBESTÄNDE DER SPARKASSEN UND GENOSSENSCHAFTSBANKEN, wohl nicht zuletzt, weil deren technisches Gerüst trotz der sowjetischen Eingriffsmaßnahmen noch nutzbar war.
Die SPARKASSEN waren um die FUNKTIONEN DER EHEMALIGEN STAATSBANKEN angereichert worden, wobei aber der langfristige Kredit wegen der Grundbuch-Unordnung noch Zukunftsmusik bleiben musste.
Eine NATIONALSOZIALISTISCHE Neuschöpfung für den gesamten baltischen Bereich war die GEMEINSCHAFTSBANK OSTLAND mit Sitz in Riga. Sie wurde die DACHEINRICHTUNG ÜBER SPARKASSEN UND GENOSSENSCHAFTSBANKEN. In Estland und Litauen erhielt diese Bank Zweigstellen.’
Anders als zwei Jahrzehnte zuvor, beabsichtigten die DEUTSCHEN MACHTHABER nicht eine wirtschaftliche Verschmelzung des Baltikums mit dem Deutschen Reich, sondern dessen AUSLÖSCHUNG, um damit FREIRAUM FÜR dem Regime erwünschte NEUSIEDLER zu schaffen. Die Sparkassen standen dabei nicht abseits.
Die schließlich SIEGREICHE SOWJETUNION VOLLENDETE – wenn auch in Verwirklichung eines andersartigen Konzepts – die von den Nationalsozialisten unternommene AUSLÖSCHUNG. BEIDE OKKUPANTEN-Mächte haben so NACHHALTIG ausgelöscht, dass heute in der baltischen Region NIRGENDWO ANZEICHEN für die früher überall präsente WIRTSCHAFTLICHE SELBSTHILFE mehr auszumachen ist. Selbst ERINNERUNG an das Frühere ist NICHT MEHR vorhanden.’
Ergänzend: NATIONALSOZIALISMUS IN POLEN UND DEUTSCHBALTEN UM- UND ANSIEDLUNG
Wörtlich aus dem:
Rechenschaftsbericht der (nationalsozialistischen) Haupttreuhandstelle Ost (HTO) über ihre Tätigkeit in den Jahren 1939 – 1942
’Für die Kreditversorgung und zur Erfüllung sonstiger bankmäßiger Funktionen stand in den eingegliederten (sc.: polnischen) Ostgebieten von vornherein ein gewisses, wenn auch zunächst loses Netz von volksdeutschen Instituten zur Verfügung, das allmählich durch Zulassung altreichsdeutscher Kreditinstitute oder durch NEUGRÜNDUNGEN (z.B. neuer DEUTSCHER SPARKASSEN) verdichtet wurde. Die HAUPTTREUHANDSTELLE OST hat bei diesem Neuaufbau BERATEND mitgewirkt, vor allem in der Richtung, den Zustrom unnötig zahlreicher Institute zu bremsen, um eine Übersetzung des Kreditapparates im Gegensatz zu den Verhältnissen von vornherein zu vermeiden.’
’Den UMSIEDLERN AUS DEN BALTISCHEN STAATEN.....folgten...... .....nach der Besetzung der Herkunftsgebiete durch die Sowjets...... Der Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums hat zur Durchführung des Vermögensausgleiches der Umsiedler die DEUTSCHE UMSIEDLUNGS-TREUHAND-G.M.B.H. geschaffen, mit der die HTO bei dem Einsatz der Umsiedler zusammengearbeitet hat......Um das Ziel der möglichst beschleunigten SESSHAFTMACHUNG der Umsiedler IN DEN EINGEGLIEDERTEN OSTGEBIETEN zu erreichen, sind zwischen der HTO und der DUT Vereinbarungen über die Zusammenarbeit getroffen worden.....Soweit der Umsiedler auf Grund des zurückgelassenen Vermögens einen Ausgleichsanspruch gegen das Reich hat, braucht er eine Bezahlung des Kaufpreises für den erworbenen Betrieb nicht zu leisten; dieser wird vielmehr gegen sein Ausgleichsguthaben verrechnet.’
AUFBAU WEST-DEUTSCHLANDS NACH DEM KRIEGE, FÖRDERUNG DER GRENZGEBIETE ZUM OSTEN UND WEST-BERLINS, SOWIE DER NEUEN DEUTSCHEN BUNDESLÄNDER
Genossenschaften und SPARKASSEN (und die hinter ihnen Stehenden) PROFITIERTEN IM DRITTEN REICH in mancherlei Hinsicht von der Gleichschaltung mit dem Wirken des politischen Systems. Deshalb gab es bei ihnen selten Gegenwehr.
Beide Gruppierungen konnten deshalb die KRIEGSZEITEN nicht nur überleben, sondern ihr EINFLUSS im deutschen Kreditwesen WUCHS sogar.
Das ENDE DER NATIONALSOZIALISTISCHEN HERRSCHAFT hat ihnen, allenfalls vorübergehend, Schaden zugefügt, zumindest was ihr Wirken in den unter der Kontrolle der Westmächte stehenden Besatzungs-Zonen (die spätere WESTDEUTSCHE Bundesrepublik Deutschland) angeht.
Beide Gruppierungen erlebten nicht nur KONTINUITÄT. Sie wurden zu wesentlichen FAKTOREN BEIM WIEDERAUFBAU (West-Deutschlands) nach dem Kriege.
Genossenschaftsbanken und Sparkassen wurden die WICHTIGSTEN finanziellen PARTNER für die REGIERUNG bei der Verwirklichung ihrer FÖRDERPROGRAMME.
Dem kamen (und kommen) die DEN STAATLICHEN AUFGABEN NAHEN GRUNDMANDATE zugute, nämlich GEMEINNÜTZIG zu sein (Sparkassen und die mit ihnen eng verbundenen LANDESBANKEN) oder für die Gesamtwirtschaft AUSSCHLAGGEBENDE GRUPPEN, vor allem diejenigen des Mittelstandes, zu UNTERSTÜTZEN (Genossenschaftsbanken).
Die (von Gebietskörperschaften getragenen, nicht aber die Freien) SPARKASSEN sind zudem – bis heute – als ÖFFENTLICH-RECHTLICHE Einrichtungen und damit Bestandteil des staatlich-kommunalen WIRKUNGSVERBUNDES.
Hilfreich für beide Gruppen war darüber hinaus, dass der größte Teil der BÜRGER GELD VOR ALLEM BEI SPARKASSEN UND GENOSSENSCHAFTSBANKEN hielt (was bis heute der Fall ist) und dass beide Gruppen dadurch in der Lage waren, KOMPLEMENTÄRE FINANZIERUNGEN (nicht selten durch STAATSBÜRGSCHAFTEN abgesichert) anzubieten, was die WIRKUNG DER STAATSZUSCHÜSSE MULTIPLIZIERTE.
Später traten ergänzend die öffentlichen PROGRAMME für die RANDGEBIETE ZUR SOWJETISCH BESETZTEN ZONE (später Deutsche Demokratische Republik - DDR) UND FÜR WEST-BERLIN hinzu.
Letzteres war das VORSPIEL FÜR die öffentlich geförderte ANGLEICHUNG der zusammengebrochenen Regionen im OSTEN DEUTSCHLANDS (sog. neue Bundesländer, hervorgegangen aus der Deutschen Demokratischen Republik) an den Westen UND des AUSBAUS von deren Leistungsfähigkeit.
Der Umbau im Osten war KEIN mit der Bevölkerung DEMOKRATISCH ABGESTIMMTER WIEDERAUFBAU, von einem ausdiskutierten Schritt zum nächsten, in bewusst gemachten Vorkriegs-Traditionen.
Das ÜBERSTÜLPEN des Westdeutschen war unter den Gegebenheiten wohl unausweichlich, geschah aber dennoch, rückschauend, ÜBERSTÜRZT und unorganisch.
Die DDR, Bevölkerung und Gebiet, wurden quasi ANNEKTIERT, wogegen nur WENIGE – unter diesen vor allem die vormals Führenden und die bei der Wende materiell zu kurz Gekommenen – ernsthafte VORBEHALTE hatten.
WENDE IM NICHT-DEUTSCHEN OSTEN
Die ERFAHRUNG MIT DER DEUTSCHEN WIEDERVEREINIGUNG führte zu bedenklichen FEHLSCHLÜSSEN, vor allem in den Gremien der EU, bei der Ausgestaltung der Hilfe für die ÖSTLICHEN REFORMLÄNDERN und bei diesen selbst, eingeschlossen die BALTISCHEN LÄNDER.
Die Erwartung war IRRIG, nach der politischen Wende werde auch IM nicht-deutschen OSTEN, VON SELBST all das WIEDERERSTEHEN, was dort, BIS ZUM ZWEITEN WELTKRIEG, wie im Westen, VORHANDEN war.
Man meinte, GERINGE, über Genossenschaften und Sparkassen, als natürliche Wiederaufbaupartner, geleitete STARTHILFEN würden ausreichen, überall in OSTEUROPA traditionelle VERHALTENSWEISEN und STRUKTUREN BÜRGERLICHER SELBSTORGANISATION ZURÜCKKEHREN zu lassen.
Der Westen nahm nicht zur Kenntnis, dass sich der PROFESSIONELLE NACHWUCHS im Osten, angesichts der Präferenz für das Englische (welches das bis dahin vorherrschende Russische abgelöst hat) als Fremdsprache, sich auf ENGLISCHSPRACHIGEN LEHRSTOFF konzentrierte, in dem – verständlicherweise – BRITISCHE ODER AMERIKANISCHE PRAKTIKEN und gesellschaftliche SICHTWEISEN vorherrschen.
Beim NEUEINRICHTEN DER FINANZSEKTOREN im ehemals sowjetischen Machtbereich wurden folglich, von Behörden und Unternehmertum, die frisch erlernten ANGLOAMERIKANISCHEN KONZEPTE angewandt. Das kontinental-europäisch-deutsch-baltische ERBE DER WIRTSCHAFTSKULTUR erhielt keinen Raum. Es blieb UNBEKANNT, ein Zustand, der bis heute andauert.
Die KENNTNIS VON ALTERNATIVEN FEHLT trotz der Fehlschläge mit dem NAIV ADOPTIERTEN Modell, weil noch immer der WUNSCH vorherrscht, einen NEUANFANG AUS DEM NICHTS zu unternehmen und weil die inzwischen ZU ERFOLG GEKOMMENEN FÜRCHTEN, bei alternativen Ansätzen (z.B. US-typische geschlossene Spar- und Darlehensvereine; sowie zuschussabhängige Mikrofinanz-Institute) AUF DER STRECKE ZU BLEIBEN.
Erschwerend wirkt darüber hinaus, dass die oben angesprochenen ‚NATÜRLICHEN’ deutschen AUFBAUPARTNER BERÜHRUNGSÄNGSTE, auch zwei Jahrzehnte nach der politischen Wende – einer derjenigen ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN GLEICHEN PERIODE - mit allem im Osten haben.
Verlockende STAATLICHE FÖRDERUNGEN gibt es NICHT mehr. Die Träger von Wissen und Können müssten EIGENE BEITRÄGE leisten oder nicht-staatliche ZUSCHÜSSE mobilisieren, wozu ihre Entscheidungsträger aber NICHT BEREIT sind.
Bei den SPARKASSEN wirken zusätzlich die (infolge fehlender Selbstkontrolle) NEGATIVEN ENTWICKLUNGEN mit den durch spekulative Geschäfte ins Trudeln gekommenen LANDESBANKEN hindernd.
Die SPARKASSEN haben ihre AUSLANDSAKTIVITÄTEN auf die LANDESBANKEN übertragen, so etwa für den ÖSTLICHEN OSTSEERAUM auf die NORDLB (die sich zudem inzwischen aus diesem Raum zurückgezogen hat), die KEINESWEGS im Rahmen ihres GEMEINNÜTZIGEN GRUNDMANDATS operieren, sondern rein gewinnmaximierend.
Die GEMEINNÜTZIGKEIT ENDET für die Landesbanken AN DER DEUTSCHEN GRENZE, zumindest für das EU-Gebiet, eine UNVERANTWORTLICHE Verhaltensweise.
In der führenden Gruppierung der genossenschaftlichen Kreditinstitute, den VOLKS- UND RAIFFEISENBANKEN, und bei deren Verbänden unter dem Dach des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes, wirkt wohl vor allem die FURCHT VOR DER MITTELSTÄNDISCHEN KONKURRENZ AUS DEN NEUEN EU-LÄNDERN kooperationshemmend.
Unterbewusst oder zumindest uneingestanden sind das wenig rühmliche Verhalten beider Gruppierungen in der NATIONALSOZIALISTISCHEN ÄRA und die offiziell genährte VERDAMMUNG von allem aus dem Osten in der Zeit des KALTEN KRIEGES bis in unsere Tage virulent.
Leider spielen dieser ganz Europa schädigenden Ablehnung IMMER WIEDER handfeste Belege für FRAGWÜRDIGES VERHALTEN Einflussreicher im Osten in die Hände und vereiteln so Ansätze für einen wünschenswerten Neubeginn (z.B.: ‚Zuschanzen’ der Estnischen Sparkasse – HOIUPANK – an die inzwischen Teil der Swedbank gewordenen Hansapank durch die Estnische Zentralbank – Eesti Pank; Ausbeuten des Traditionsnamens Lettische Sparkasse – LATVIJAS KRAJBANKA – durch profitgierige Neu-Eigentümer, die das Institut schließlich ruinierten).
Nach der Wende im Osten REAKTIVIERTE jedes der baltischen Länder einige unter der Sowjetherrschaft auf Eis gelegte, URSPRÜNGLICH GEMEINNÜTZIGE BANKEN und vergab Betriebserlaubnisse für rein individualwirtschaftliche Zwecke.
Deren TRADITIONS-NAMEN erzeugten den Eindruck von VOLKSNÄHE, was den neuen Eigentümern erhebliche WETTBEWERBSVORTEILE und damit Zugang zu Geschäften mit HOHEN GEWINNERWARTUNGEN und zu BETEILIGUNGEN durch stärkere Finanzinstitute (s. Schlussabsatz dieses Kapitels) verschaffte.
(In dieses Geschehen passt die Entstehungsgeschichte des weiter oben erwähnten Buches - Jürgen Lewerenz. Banken im Baltikum. Gestern. Heute. Morgen? -, dem der vormalige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes - Dr. Helmut Geiger - ein Geleitwort gab, weil die Sparkassen-Gruppe seinerzeit beabsichtigte, sich über die BETEILIGUNG an einer REPRIVATISIERTEN ehemaligen Landschaftsbank – Maapank - im baltischen Finanzwesen zu engagieren.
Das WIRTSCHAFTS-HISTORISCHE Werk war dem Verband in diesem Zusammenhang willkommen und wurde durch Kauf einer größeren Zahl von Exemplaren gefördert, die später an Ansprechpartner des Verbandes in Ost und West verteilt wurden.
Das Beteiligungsvorhaben wurde fallen gelassen, weil eine KONKURRENZ ZUR den deutschen Sparkassen nahestehenden schwedischen SWEDBANK VERMIEDEN werden sollte, die sich damals gerade bei der Hansapank einkaufte. Die damals von den Sparkassen ins Auge gefasste Bank ist heute Teil der SEB).
Vollständige Bildquelle: Akte der ökonom. Sozietät = Livländische Gemeinnützige und ökonomische Sozietät. OSTLAND. NEUDEUTSCHE WIRTSCHAFTSGESELLSCHAFT m.b.H., Berlin. Verhandlungen der Ostland, Neudeutsche Wirtschaftsgesellschaft m.b.H., im Landeshause zu Berlin am 23. April 1918. DIE WIRTSCHAFTLICHE ANGLIEDERUNG DES NEULANDES IM OSTEN. Angefangen 18. Mai 1918. Beendet 31. August 1918. Nr. 2640, Ajalooarhiiv = Estnisches Historisches Archiv. Tartu/Dorpat