Oliver Oswald, B.Sc. IFG, KSK GmbH
Wo arbeitest du und was ist deine Aufgabe?
Krisen und Krisenmanagement sind mein Beruf. Ich arbeite seit acht Jahren für die KSK GmbH, ein Unternehmen spezialisiert auf Katastrophenschutz, Sicherheitsplanung und Krisenmanagement als interdisziplinärer Projektmitarbeiter mit dem Schwerpunkt Forschung und Entwicklung. Meine Aufgaben sind maßgeblich projektbezogen – so sind wir aktuell in den Aufbau und die Entwicklung von rescEU Emergency Medical Team, einem mobilen Feldkrankenhaus der Europäischen Union, eingebunden und führen in einem zweiten EU-Projekt Großübungen für die Vorbereitung von internationalen Einsatzteams auf deren Einsatz bei inner- und außereuropäischen Naturkatastrophen und Großschadenslagen vor. Unsere Projekte in Deutschland sind im Bereich der Ausbildung und dem Aufbau von Krisenstäben und Notfallstrukturen sowohl bei staatlichen als auch privatwirtschaftlichen Akteuren angesiedelt. In den letzten Jahren hatten wir ein gemeinsames Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Universität Potsdam und dem Institut für Geowissenschaften unter Leitung von Dr. Gerold Zeilinger – oKat-SIM. Diesmal war ich nicht Teil der Forschungsseite, sondern auf der Seite der zukünftigen Nutzer vor Ort. Die Idee zu diesem Projekt war auf einer Serviette entstanden. Netzwerke sind alles - weitere werden folgen!
Welches waren deine vorherigen beruflichen Stationen?
Neben dem Studium habe ich mich ehrenamtlich bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) engagiert und aufgrund meines Studiums für eine Verwendung im Ausland weiterqualifiziert. Dann bin ich einige Jahre in der ganzen Welt im Einsatz bei Krisen und Naturkatastrophen gewesen. Vom Typhoon auf den Philippinnen, nach West-Afrika im Rahmen von Ebola und über das Erdbeben in Nepal und aktuell in der Türkei habe ich sowohl beim THW als auch abgestellt an die Vereinten Nationen viel operative und strategische Erfahrung sammeln dürfen.
Wie bist du zu deinem jetzigen Job gekommen?
Irgendwann stand ich vor dem Problem, dass beide „Welten“ (ehrenamtliches Engagement und Studium) mehr und mehr in einen Zeitkonflikt gerieten. Schon im Studium schlug Martin Trauth (Professor am Institut für Geowissenschaften in Potsdam) vor, dass ich doch Bevölkerungsschutz und Geowissenschaften kombinieren sollte. Beim Erdbebeneinsatz in Nepal 20215 habe ich meinen heutigen Chef kennen- und schätzen gelernt. Danach sind wir im Kontakt geblieben und als er dann für ein Forschungsprojekt einen interdisziplinären Mitarbeiter gesucht hat, kam er auf mich zu.
Was hat dich da an dem Job gereizt?
Das Arbeiten in einem Krisenherd ist sehr fordernd; insbesondere die psychischen Belastungen sind nicht zu unterschätzen. Dennoch ist die Arbeit sehr befriedigend. Ich mochte immer die Mischung aus operativen und strategischen Elementen gepaart mit Fachexpertise. Irgendwann stand ich an dem Scheideweg, ob ich weiter auf dem Gebiet der humanitären Hilfe und dem damit verbundenen „Nomaden-Leben“ tätig sein wollte oder in der Krisen-Prävention meinen Schwerpunkt sehen möchte. Für Letzteres habe ich mich dann entschieden.
Welche sind die wichtigsten Fähigkeiten, die man für diese Arbeit mitbringen sollte?
Krisenmanagement ist ein interdisziplinäres Feld mit vielen Menschen aus unterschiedlichen Berufszweigen und Hintergründen. Die wichtigste Fähigkeit ist die Offenheit für genau dieses interdisziplinäre Arbeiten. Manchmal ist die Lösung vielleicht im sozialen Bereich, mal im interkulturellen, mal im Prozessmanagement und mal in den Geowissenschaften. Zusammen wird daraus ein belastbares Konzept. Weil die Arbeit sehr technisch sein kann und viele Nationalitäten involviert sind, ist interkulturelle Kompetenz und kooperatives Arbeiten unumgänglich. Neben Stressmanagement und einer erhöhten eigenen Resilienz ist Demut vor Mutter Natur hilfreich – man steht nie über der Natur und hat die Situation nie völlig unter Kontrolle, jede andere Einstellung kostet Menschenleben.
Wie sieht eine typische Arbeitswoche bei dir aus?
Abwechslungsreich – entweder im Homeoffice oder irgendwo in Europa auf einer Schulung, Übung oder Veranstaltung. Heute läuft vieles digital, oder ganz praxisnah vor Ort. Ich durfte Orte bereisen, die ich nie auf meiner „Bucket-List“ hatte und die Welt anschauen – am Verstehen arbeite ich stetig weiter.
Was gefällt dir an deinem Beruf und was fordert dich am meisten heraus?
Ich mag es, die Auswirkungen meiner Arbeit zu sehen und (etwas idealistisch) die Welt ein bisschen besser zu machen. Meine Projekte ermöglichen mir ein hohes Maß an gestalterischem Freiraum. Ich schätze es sehr, auf mein Fachwissen aus den Geowissenschaften und dem Bevölkerungsschutz zurückgreifen zu können und die Welt als komplexes System zu erfassen. Und manchmal ist es beruhigend, eine aussagekräftige Karte zu erstellen oder zu testen, ob ich noch alle Minerale in einem Gestein bestimmen kann.
Wie viel von dem erlernten Wissen aus deinem Studium brauchst du in deinem Job?
Apropos Gestein – Mineral- und Gesteinsbestimmung leider zu wenig, auch wenn es meine Kolleginnen und Kollegen erstaunt, wenn ich spontan stehen bleibe und ein Fossil oder schönes Mineral im Schotter zu unseren Füßen finde. Hinzu kommen Statistik, Stochastik, Fehlerberechnung, georeferenzierte Datenverarbeitung, das Verständnis von Naturkatastrophen und geodynamischen Prozessen und die Fähigkeit, Ereignisse nicht als statisch, sondern in Abhängigkeit von Raum und zeitlichem Verlauf erfassen, verarbeiten und, allem Voran: erklären zu können – dieses Handwerkszeug konnte ich mir im Studium aneignen und wende es in der Praxis tatsächlich an. Und etwas subtiler: Demut vor der Natur und die Erkenntnis, dass erst die Anwesenheit des Menschen ein Naturereignis zur Katastrophe machen kann.
Wie denkst du rückblickend über dein Geowissenschaftenstudium an der Uni Potsdam?
Zwiegespalten – ich war in der Umbruchphase vom Diplom in den Bachelor an der Uni, in der Zeit, in der das Institut einem Bienenstock glich und ich einfach unfassbares Glück hatte, mit tollen Menschen Zeit zu verbringen, die mich gefordert und gefördert hatten. Das Bachelor-Programm International Field Geosciences war für mich damals ein Glücksgriff. Davon profitiere ich noch heute.
Hast du Tipps für unsere Absolvent*innen für einen erfolgreichen Berufseinstieg?
Fertig werden (das hat bei mir ein bisschen länger gedauert, weil ich schon so sehr mit meiner zukünftigen Agenda beschäftigt war)! Der Abschluss ist eine notwendige Formalie, das eigentliche Lernen geschieht abseits von Prüfungsvorbereitungen und Seminaren. Und dann merkst du, wie viel mehr es noch zu lernen gibt. Das Abenteuer findet draußen statt – nicht im Hörsaal.