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Trainieren wie die Großen – Studierende der Wirtschaftsinformatik entwickeln Geräte für die Jugendfeuerwehr

Dr. Edzard Weber
Jugendfeuerwehr Potsdam
Leon Oparin (l.) und Eik Malte Saathoff mit auseinandergebauter Atemschutzattrappe.
Photo : Thomas Roese
Dr. Edzard Weber
Photo : Eik Malte Saathoff
Jugendfeuerwehr Potsdam
Photo : Thomas Roese
Leon Oparin (l.) und Eik Malte Saathoff mit auseinandergebauter Atemschutzattrappe.

Wenn es brennt und qualmt, sind sie die Lebensversicherung der Feuerwehrmänner und -frauen: Atemschutzgeräte schützen vor giftigen Gasen und sorgen für ausreichend Sauerstoff. Wie eine Art Rucksack trägt man diese sogenannten Pressluftatmer auf dem Rücken. Die Atemluft ist in den flaschenförmigen Behältern auf bis zu 300 bar komprimiert und gelangt über einen Schlauch und eine Maske zu den Einsatzkräften, die sich damit unabhängig von der Umgebungsluft auch in brenzligen Situationen sicher bewegen können.

Nachwuchskräfte der Feuerwehr können den Umgang mit diesen Geräten jedoch nicht so einfach üben. „Die Atemschutzgeräte der Feuerwehr sind laut Jugendschutzgesetz nicht für das Training mit Kindern und Jugendlichen zugelassen“, erklärt Eik Malte Saathoff. Der Student der Wirtschaftsinformatik ist selbst als Sanitäter im Rettungswesen aktiv und kennt die Problematik gut. Der Grund für das Verbot: Die Geräte wiegen bis zu 18 Kilogramm und sind damit zu schwer.

Studierende tüfteln an Bauplänen

Dr. Edzard Weber vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik nutzt solche kniffligen Probleme gern, um seinen Studierenden Lehrinhalte einmal abseits von Hörsälen oder Seminarräumen zu vermitteln. Bereits seit etwa zehn Jahren arbeitet er dafür eng mit ehrenamtlichen Partnern wie dem Wissenschaftsladen Potsdam e.V. und Jugendfeuerwehren aus Potsdam und der Umgebung zusammen. „An unserem Lehrstuhl sind zivile Sicherheit und kritische Infrastrukturen wichtige Themen, deshalb gibt es schon länger Kontakt zur Feuerwehr“, erklärt der Wissenschaftler. Davon profitieren auch seine Studierenden: „In kleineren Teams bearbeiten sie konkrete Fragen mit Praxisbezug, erhalten Einblick in andere Berufswelten und lernen, das theoretische Wissen anzuwenden. Das ist wichtig, da Wirtschaftsinformatiker später in vielen verschiedenen Branchen arbeiten: bei Banken oder Versicherungen genauso wie in den Natur- oder Ingenieurswissenschaften.“

2023 entwickelte der Wissenschaftsladen Potsdam gemeinsam mit einem Jugendwart der Jugendfeuerwehr Babelsberg-Klein Glienicke den Prototyp einer Atemschutzattrappe, die auch für Kinder und Jugendliche geeignet ist. Diesen Prototypen nutzten Eik Malte Saathoff, sein Kommilitone Leon Oparin und ein dritter Student als Ausgangspunkt, um an einer verbesserten Variante zu arbeiten, die mithilfe eines Plastikrohrs, einer rechnergesteuerten CNC-Fräse und eines 3D-Druckers leicht nachgebaut werden kann. Unterstützt von Frieder Knabe vom Wissenschaftsladen tüftelten sie lange an ihren Bauplänen. Die entstandene Atemschutzattrappe sieht einer echten sehr ähnlich, imitiert alle Funktionen, ist aber längst nicht so schwer. Solche leichten Geräte gibt es zwar schon zu kaufen, sie sind aber recht teuer. Die von den Studierenden optimierte Attrappe ist mit rund 60 Euro Materialeinsatz nicht nur wesentlich preiswerter, sondern dank eines befüllbaren Hohlzylinders auch variabel im Gewicht. Junge können damit ebenso gut trainieren wie die schon etwas Älteren.

Jugendfeuerwehr zu Besuch im Wissenschaftsladen

Nach mehreren Monaten und zahlreichen Änderungen und Optimierungen am Bauplan war die Atemschutzattrappe einsatzbereit. Nun luden die Studierenden Jugendliche der Jugendfeuerwehr Babelsberg/Klein Glienicke dazu ein, die Geräte im Wissenschaftsladen nachzubauen. Wie man die Fräse und den 3D-Drucker bedient, mussten die Studierenden erst einmal selbst lernen – „mit Unterstützung im Wissenschaftsladen und Learning by Doing“, wie sie sagen. Schließlich entwickelten sie gemeinsam mit den Jugendwarten einen Parcour, um den richtigen Einsatz der Attrappen in realistischen Szenarien zu trainieren und ihre Belastung zu testen.

„In solchen Studierendenprojekten geht es darum, Transfererfahrungen zu sammeln und Schulungskonzepte zu entwickeln, um neue Technologien in Organisationen einzuführen und Interesse bei den Leuten zu wecken“, erklärt Edzard Weber. „Dabei lernen die Studierenden alle sechs Phasen des gestaltungsorientierten Forschungsdesigns kennen mit dem Erkenntnisziel, wie etwas verbessert werden kann: Problem- und Zielanalyse, Designphase, Tests mit Evaluation, Ergebniskommunikation und natürlich die Dokumentation aller Schritte.“ Gleichzeitig profitieren die Partnerorganisationen von den Arbeiten der Studierenden. Die Baupläne für die Atemschutzattrappe etwa sind nun online frei verfügbar. So sollen die Teams der Jugendfeuerwehren die Attrappen künftig selbst bauen können. „Der Verbund offener Werkstätten und viele Hochschulen haben die dafür benötigten 3D-Drucker und CNC-Fräsen und stellen diese zur Verfügung“, betont Eik Malte Saathoff. Die Baupläne stoßen bereits auf großes Interesse bei Freiwilligen Feuerwehren und Jugendfeuerwehren aus anderen Regionen und Bundesländern, die mit den Geräten üben wollen.

„Man musste vieles vereinfachen und an die Bedürfnisse der künftigen Nutzerinnen und Nutzer anpassen“, resümiert Leon Oparin seine Erfahrungen im Projekt. „Es kam darauf an, die richtige Balance zwischen wissenschaftlichen Methoden und der praktischen Arbeit zu finden.“ Beide Studierenden sind inzwischen sogar in einem Nachfolgeprojekt aktiv. Sie wollen ihre Atemschutzattrappe nun noch um ein wichtiges Detail ergänzen und ein Manometer entwickeln, das anzeigt, wieviel Atemluft noch in der Flasche ist. Dafür programmieren sie eine Software, die genau berechnet, wie viel Luft pro Sekunde benötigt wird und wann die Vorräte erschöpft wären. Wenn es knapp wird, ertönt ein Warnton. „Das ist für realistische Übungsszenarien eine wichtige Ergänzung“, sagt Eik Malte Saathoff.

Zur Bauanleitung für die Atemschutzattrappe: https://machbar-potsdam.de/pressluftatmer-attrappen-fuer-die-jugendfeuerwehr

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).