Schnecken-Bohne - Vigna caracalla
Pflanze des Monats September 2010
Ein heißer Feger
Die Gemüsegärtnerin achtet meist nicht besonders auf die Blüten der Bohnen. Hauptsache, sie blühen, denn das ist schließlich die Voraussetzung dafür, dass später Bohnenfrüchte geerntet werden können.
Dabei kann man an Bohnenblüten merkwürdige Dinge beobachten. Wie bei Blütenpflanzen üblich, besteht die Aufgabe für die Pflanze darin, den männlichen Pollen zur weiblichen Narbe an der Spitze des Griffels einer anderen Pflanze zu bringen, so dass sich schließlich befruchtete Samen bilden. Die den Pollen bildenden Staublätter sind bei Bohnen (wie auch den meisten übrigen Leguminosen) nicht sichtbar, sondern in zwei miteinander verwachsene Blütenblätter eingeschlossen, welche Schiffchen genannt werden. Der Name bezieht sich auf die oft wie bei einem Schiffsbug nach oben gezogene Spitze dieses Gebildes. Der Pollen fällt noch vor der Blütenöffnung in das Innere des Schiffchens. Dort wird er von sogenannten Fegehaaren aufgenommen, die sich am Griffel befinden, und von diesen aus dem Schiffchen heraus den Blütenbesuchern präsentiert. Die Narbe an der Spitze des Griffels wird erst später empfängnisbereit, so dass Selbstbestäubung vorerst vermieden wird.
An den großen Blüten der Schnecken-Bohne (Vigna caracalla) kann man den Fegemechanismus gut mit der Hand ausprobieren (an den erheblich kleineren Blüten der Garten-Bohne funktioniert er aber im Prinzip genauso). Die Pflanze wird in ihrer südamerikanischen Heimat von sehr großen Holzbienen (Xylocopa) bestäubt. Sie müssen viel Kraft aufwenden, um an den Nektar im Blütengrund zu gelangen. Dabei drücken sie den Griffel aus dem Schiffchen, das hier wie bei vielen Bohnen schneckenförmig eingerollt ist, so dass der Pollen herausgefegt wird. Man kann das leicht mit der Hand nachvollziehen.
Für den Fall, dass die richtige Biene nicht kommt, ist ebenfalls vorgesorgt: Wenn die Narbe empfängnisbereit wird und der Pollen immer noch im Schiffchen liegt, bestäubt sich die Blüte eben selbst. Das ist von Vorteil für die Ernte der Garten-Bohnen und auch für die Fortpflanzung ihrer wilden Verwandten, die so unabhängig vom Blütenbesuch sind.
Die Schnecken-Bohne wird bei uns gelegentlich als Zierpflanze kultiviert. Man kann sie einjährig oder mehrjährig ziehen. Im letzteren Fall ist frostfreie Überwinterung nötig, die sogar in einem kühlen Keller machbar ist - bei kühlen Temperaturen verliert die Pflanze ihre Blätter und braucht dann kaum Wasser und Licht. Im Sommerhalbjahr draußen windet sie sich gern zügig an einer Kletterhilfe empor und schmückt sich bis in den Herbst mit großen, meist lilafarbenen, angenehm duftenden Blüten. In den Tropen wird sie auch als Viehfutter verwendet.
Probieren Sie jetzt an den großen Blüten der Schnecken-Bohne im Botanischen Garten an der Maulbeerallee (oder an den Stangenbohnen in Ihrem Garten) den Fegemechanismus aus. Eine enorme Vielfalt an Bohnen-Blüten und -Früchten, Arten, Sorten, bunten Kernen und Bohnen-Produkten ist in der Ausstellung "Gar nicht ohne - Vielfalt der Bohne" noch bis zum 3. Oktober im Botanischen Garten zu sehen. Am Sonntag, den 19.9. gibt es um 14 Uhr eine Führung zum Thema "Pflanzen in der Spur des Menschen - Biologische Invasionen", bei der unter anderem auch Bohnen gezeigt werden. Am 26.9. folgt die Führung "Bionik - Moderne Technik nach dem Vorbild der Natur", Beginn hier schon um 9 Uhr.