Wieso moderne Landwirtschaft keine Natur schützt
Pflanze des Monats Juli 2015
Der Teufelsabbiss
Wenn man vom Schutz einheimischer Wildpflanzen berichtet, ist häufig auch von Landwirtschaft die Rede. Das liegt daran, dass der größte Teil der in Deutschland gefährdeten Pflanzenarten nicht etwa in unberührten Wäldern vorkommt (die es hier ohnehin kaum gibt), sondern im Kulturland, insbesondere in Wiesen und Weiden. Dies sind originär landwirtschaftliche Nutzflächen, und an die dort herrschenden Verhältnisse sind die Pflanzen angepasst. Genau darin aber liegt das Problem.
Denn diese Verhältnisse haben sich in den vergangenen 100 Jahren enorm verändert. Waren Bauern früher auf ihre Körperkraft und die ihrer Zugtiere angewiesen, verfügen sie heute über PS-starke Landmaschinen. Dünger war seinerzeit knapp und bestand vor allem aus den Ausscheidungen des Viehs, die auf die Äcker gebracht wurden; heute steht er als chemisch hergestellter Kunstdünger in fast beliebiger Menge zur Verfügung. Dadurch hat eine gigantische Steigerung der Effizienz alle geeigneten Flächen ergriffen, die ungeeigneten aber ganz aus der Nutzung fallen lassen.
Dies ist kein persönlicher Vorwurf an die Landwirte, die ja im wirtschaftlichen Gefüge unserer Zeit beruflich überleben müssen – sicher keine einfache Aufgabe. Dennoch: Solche Verhältnisse sind nicht gut für die natürliche Vielfalt.
Loki Schmidt waren diese Zusammenhänge bewusst, als sie 1980 die erste „Blume des Jahres“ vorstellte. Als Naturfreundin und Lehrerin hatte sie eine besondere Neigung zur Pflanzenwelt, die sie zum Ausgleich als Gattin eines westdeutschen Bundeskanzlers erst recht kultivierte. Mit der seitdem alljährlich fortgesetzten öffentlichen Aktion ihrer Stiftung war der 2010 verstorbenen großen Naturschützerin daran gelegen, das Bewusstsein für den Schutz der
Pflanzen neben dem viel besser etablierten Tierschutz zu schärfen, wie im Vorwort zu ihrem jüngst aktualisierten, sehr empfehlenswerten Buch nachgelesen werden kann, das alle diese Blumen präsentiert.
Die „Blume des Jahres 2015“ ist der Teufelsabbiss (Succisa pratensis, „unten abgeschnitten auf der Wiese“). Die Namen beziehen sich auf die Form des Wurzelstocks. Ihr Lebensraum sind nährstoffarme Feuchtwiesen. Die sehr feuchten eignen sie sich nicht für landwirtschaftliche Intensivierung, die weniger feuchten (oder entwässerten) aber schon. Sowohl Nutzungsaufgabe als auch Intensivierung verträgt die Pflanze jedoch nicht. Sie ist auf ungedüngte Flächen angewiesen, benötigt aber trotzdem Wiesenmahd, um nicht überwachsen zu werden.
Solche Bedingungen sind heute nur als Naturschutz-Pflegeleistung gegen Honorar oder als ehrenamtliche Wiesenpflege realisierbar. Mit der Erhaltung dieses Kardengewächses wird zugleich ein Schmetterling geschützt: Die Raupen des Goldenen Scheckenfalters fressen nur Blätter vom Teufelsabbiss und einiger weniger anderer Pflanzen.
Der Teufelsabbiss steht sowohl im Botanischen Garten (am Teich) als auch auf den vom Botanischen Garten gestalteten Biotop- und Erhaltungsbeeten auf der BUGA in Brandenburg (Packhofgelände) jetzt kurz vor der Blüte.