Rhododendron simsii-Hybride "Frau Else Kärger"
Pflanze des Monats März 2012
Azaleen aus Werder
Die Obstbauern-Familie Kärger war in Werder an der Havel alteingesessen und gut situiert. Ein Kärger wurde 1878 zum ersten Vorsitzenden des damals neu gegründeten Obstbau-Vereins gewählt. Ein anderer, Adolf Kärger, gründete 1891 auf dem Anwesen der Familie an der Potsdamer Straße eine Blumengärtnerei, um den Berliner Markt mit Schnitt- und Topfblumen zu beliefern. Sein neuartiges Konzept der Blumenproduktion innerhalb der Obstplantagen wurde in Fachzeitschriften gewürdigt, und die Blütenpracht von Primeln und Vergissmeinnicht unter den Obstbäumen trug gewiss zur Attraktivität des damals in Berlin zunehmend populären Baumblütenfestes in Werder bei.
Adolf Kärger hatte ausgezeichnete Kontakte in die Kollegenwelt, zum Beispiel zu dem Rosenzüchter Wilhelm Kordes in Schleswig-Holstein und dem Azaleenzüchter Reinhold Ambrosius in Sachsen. Kordes nannte 1918 eine von ihm neu gezüchtete Rose "Adolf Kärger" und teilte mit, "ich habe sie meinem verehrten Freunde Adolf Kärger in Werder a. d. Havel gewidmet". Nach dem frühen Tod des Gründers im Dezember 1919 wurde der Betrieb in Werder von seinen Kindern Bruno und Gertrud weitergeführt, sobald diese alt genug dafür waren. Der Produktionsschwerpunkt verlagerte sich nun nach und nach auf Alpenveilchen, Azaleen und den damals noch neuen Weihnachtsstern, die jetzt unter Glas für den Berliner Markt produziert wurden.
Bruno Kärger heiratete schon Anfang der 20er Jahre eine Berliner Schönheit, Else Luck. Ambrosius, der weiblichen Schönheit stets besonders zugetan, benannte daraufhin eine eigene Azaleenzüchtung mit feuerroten Blüten nach der nun vermählten "Frau Else Kärger". Dies ist insofern ungewöhnlich, als die Gärtnergattinnen zwar öfter Namenspatronin neu gezüchteter Sorten wurden, dann aber meist in der damals verbreiteten Form unter dem Vornamen des Mannes. Eine heute vergessene Azaleensorte, gezüchtet von Arthur Voigt in Dresden, heißt zum Beispiel "Frau Adolph Kärger", obwohl die Mutter von Bruno und Gertrud natürlich keineswegs Adolf oder Adolph hieß wie ihr Mann, sondern Mathilde. Ganz offensichtlich wollte Reinhold Ambrosius die schöne Berlinerin jedoch unter ihrem vollen eigenen Namen würdigen.
Auch Bruno starb bereits 1957, und so führte seine Schwester den Betrieb bis zu ihrem Tode weiter. Danach war Else Kärger noch kurze Zeit Inhaberin, bis auch sie Anfang der 70er Jahre starb. Die Gärtnerei wurde nun als volkseigener Betrieb weitergeführt. Das große Betriebsgelände an der Potsdamer Straße wurde allerdings nie enteignet, so dass die Erben (Bruno und Else hatten vier Töchter, von denen drei heute noch leben) nach 1989 sogleich wieder in ihre Eigentumsrechte eingesetzt werden konnten. Da keine von ihnen an dem Betrieb Interesse hatte, wurde die Fläche bald verkauft und mit Wohnhäusern überbaut. Nur die hier von der Potsdamer Straße abzweigende Adolf-Kärger-Straße erinnert mit ihrem Namen heute noch an den früheren Gartenbaubetrieb.