Ein Moos mit Fell
Pflanze des Monats März 2015
Das Gewöhnliche Kissenmoos
Moose sind so klein und unscheinbar, dass man normalerweise gar nicht an sie denkt, wenn von Pflanzen die Rede ist.
Dabei sind sie schon sehr lange da (es sind nach heutiger Auffassung die ältesten lebenden Verwandten der ersten Landpflanzen), und sie können Dinge, zu denen die „höheren“ Pflanzen (wie Bäume, Blumen und Gräser) nicht imstande sind. Austrocknen zum Beispiel. Das Gewöhnliche Kissenmoos (Grimmia pulvinata) ist darin exzellent. Wie bei Moosen üblich, lässt es sich in Dürrezeiten einfach trockenfallen und stellt jegliche Lebenstätigkeit ein, nur um diese dann bei Wiederbefeuchtung erneut aufzunehmen. Für die komplette Wiederauferstehung aus einem Zustand, der jede "höhere" Pflanze das Leben gekostet hätte, braucht es nur 10 bis 20 Minuten.
Den Zyklus von Scheintod und Leben durchläuft es sogar im scheinbar dauerfeuchten England im Mittel mehr als einmal täglich, wie eine gründliche Untersuchung dort zeigte. Es wächst im Prinzip jeden Tag ein bisschen und fällt, wenn das Wasser verdunstet ist, wieder in Totenstarre. Zusätzliche Hilfe bietet diesem Moos sein „Fell“. Es besteht aus durchsichtigen Fortsätzen seiner Blättchenspitzen, Glashaare genannt. Diese bremsen einerseits den Wasserverlust und helfen andererseits beim Wassersammeln aus feuchter Luft oder Nebel.
Eine Studie an einer anderen, wüstenbewohnenden Moosart in China zeigte bezüglich beider Prozesse einen deutlich positiven Effekt der Glashaare.
Auch das Gewöhnliche Kissenmoos kommt gelegentlich in Wüsten vor. Es ist fast weltweit verbreitet, bei uns vor allem auf Felsen und Mauern (wo die Wechselfeuchte naturgemäß besonders ausgeprägt ist), und ist dadurch eines der häufigsten Moose in der Stadt. Das Gewöhnliche Kissenmoos lässt sich jetzt im Frühling gut an seinen
Sporenkapseln erkennen, die an gekrümmten Stielen wachsen und dadurch in das Polster zwischen die Glashaare eingesenkt erscheinen. Der wissenschaftliche Gattungsname ehrt den Arzt und Botaniker Johann Friedrich Karl Grimm, der im 18. Jahrhundert die Flora von Eisenach erforschte; „pulvinata“ heißt einfach „kissenförmig“.
Weltweit gibt es nach einer groben Schätzung etwa 13.000 Moosarten, in Deutschland rund 1.000. Im Potsdamer Botanischen Garten wachsen immerhin 90, eine einzige davon angepflanzt. Die übrigen 89 sind ohne besonderes menschliches Zutun da, wie eine systematische Erfassung 2014 zeigte. Der Erfasser, Jörg Müller, ist Doktorand an der Uni Potsdam und Moos-Spezialist. Derzeit erarbeitet er einen Moosführer und einen Moos-Rundweg durch den Botanischen Garten.