Inselorchidee - Dendrochilum wenzelii
Wenzels Dendrochilum
Leuchtend rote Blüten sind immer ein Hingucker. Dies trifft auch auf Wenzels Dendrochilum (Dendrochilum wenzelii) zu, eine Orchidee von den Philippinen. Zwar ist weder die Pflanze besonders groß noch sind es ihre Blüten, aber die Farbe ist doch sehr auffällig.
Die Gattung Dendrochilum umfasst rund 270 derzeit bekannte Arten. Einige stammen vom asiatischen Festland, die meisten aber aus der tropischen Inselwelt Südostasiens vom Malaiischen Archipel bis nach Neuguinea im Südosten und Taiwan in Norden. Einige dieser Arten werden regelmäßig im Fachhandel für tropische Orchideen angeboten, darunter auch Wenzels Dendrochilum. Jeder Trieb der Pflanze trägt nur ein einziges schmales, dunkelgrünes, ledriges Blatt, aber die Triebe stehen dicht beieinander, so dass ein rasiger Eindruck entsteht, ein wunderschön kontrastierender Hintergrund für die dicht ährenartigen, anmutig überhängenden Blütenstände. Die Art wurde vor fast genau 100 Jahren erstmalig wissenschaftlich beschrieben, sie lebt als Aufsitzer auf Ästen und Stämmen tropischer Bäume.
Der Malaiische Archipel zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean, zu dem die Philippinen gehören, ist eine Modellregion zum Studium der Biogeografie, also von Fragen der Artverbreitung. Hier entwickelte Alfred Russel Wallace Mitte des 19. Jahrhunderts seine bis heute anerkannte Idee der Einteilung der Landflächen der Erde in sogenannte zoogeografische Regionen, nachdem ihm aufgefallen war, dass sich die Zusammensetzung der Tierwelt zwischen den Nachbarinseln Bali und Lombok sehr deutlich unterschied. Die Ursache dafür, nämlich das Ende des asiatischen Kontinentalsockels an eben dieser Stelle, war damals noch nicht gut bekannt. Die Trennlinie wird heute als Wallace-Linie bezeichnet. Auch in der Pflanzenwelt vollzieht sich in dieser Region ein grundlegender Wandel zwischen den Floren Asiens und Australiens.
Vor allem anhand von Daten aus einer anderen tropischen Inselregion, nämlich der Karibik, entwickelten amerikanische Biogeografen Mitte des 20. Jahrhunderts die sogenannte Theorie der Inselbiogeografie. Sie besagt, dass die Zahl der auf einer Insel lebenden Arten ein Gleichgewicht zwischen Einwanderungs- und Aussterberate darstellt und rein mathematisch behandelt werden kann, unabhängig von der Identität der betreffenden Arten und ihren jeweils spezifischen Eigenschaften. Wegen dieser Unabhängigkeit bezeichnet man eine solche Theorie in der Biologie als Neutraltheorie. Man möchte ihr sofort widersprechen, denn schließlich sind es gerade artspezifische Eigenschaften wie zum Beispiel die Ausbreitungsfähigkeit oder das Vorkommen in der Nähe, die über die Chance zur Besiedlung einer Insel entscheiden. Es hat sich aber gezeigt, dass sich eine Neutraltheorie ausgezeichnet eignet, um die Bedeutung spezifischer Eigenschaften der Inseln, etwa ihrer Größe, für die Zahl der auf ihr lebenden Arten zu untersuchen: große Inseln beherbergen mehr Arten als kleine, gebirgige mehr als flache, kontinentnahe mehr als abgelegene und so fort. Seltsamerweise verzichtet die Theorie selbst auf die Berücksichtigung der Neuentstehung von Arten, obwohl seit Darwin klar ist, dass dies ein bedeutsamer Prozess auf Inseln sein kann. Er liegt, wie man heute weiß, sogar in einer ähnlichen Größenordnung wie die Einwanderungsrate.
Für die Gattung Dendrochilum ist wohl genau dieser Prozess relevant, denn die Mehrzahl der Arten scheint erst im Laufe der letzten 15.000 Jahre entstanden zu sein, und zwar vor allem in den Gebirgen der malaiischen Inseln. Die Folge ist eine große Zahl von Arten, die jeweils nur in einem einzigen Berggebiet vorkommen. Für Wenzels Dendrochilum trifft das allerdings nicht zu, diese Art ist in Berglagen vieler Inseln der Philippinen anzutreffen.