Elfenbein-Orchidee - Angraecum eburneum
Pflanze des Monats März 2009
Rüssel und Sporn
Die Elfenbein-Orchidee (Angraecum eburneum) stammt aus Ostafrika und Madagaskar. Ihre duftenden Blüten haben eine elfenbein- bis grünlichweiße Lippe, die nach oben weist statt nach unten wie sonst bei Orchideen. Vom Grund der Lippe ragt ein schmaler, etwa 7 cm langer Sporn nach unten, der Nektar führt.
Damit handelt es sich um eine typische Schwärmerblüte. Schwärmer sind große Nachtfalter, die ähnlich Kolibris im Schwirrflug vor Blüten verharren. Während sie an dieser Orchidee Nektar saugen, können sich Pollenpakete an ihren Saugrüssel kleben, um so zur nächsten Blüte transportiert zu werden.
Eine verwandte Orchideenart, der Stern von Madagaskar (Angraecum sesquipedale), wurde von Charles Darwin gründlich untersucht. Der Sporn ihrer weißen Blüten wird sogar 25 cm lang. Darwin interessierte sich sehr für die wechselseitigen Anpassungen von Blüten und Blütenbesuchern bei Orchideen als Beispiele für gekoppelte stammesgeschichtliche Entwicklung, die sogenannte Ko-Evolution. Er postulierte, dass es auf Madagaskar einen großen Nachtfalter mit einem 25 cm langen Rüssel geben müsse, nachdem seine sorgfältige Untersuchung ergeben hatte, dass sich die Pollenpakete dieser Orchidee nur dann aus der Blüte lösen, wenn man mit einem dünnen, oben verdickten Gegenstand kräftig in den Sporn eindringt, etwa so wie ein großer hungriger Falter, dessen Rüssel gerade noch ausreicht, um den letzten Nektartropfen vom Grunde des Sporns zu saugen. Er stellte sich vor, dass Rüssel und Sporn über Generationen immer länger wurden, während Individuen mit kürzeren Organen jeweils schlechtere Überlebens- oder Fortpflanzungschancen gehabt hätten (Falter mit zu kurzem Rüssel verhungern, Blüten mit zu kurzem Sporn werden nicht bestäubt, weil dort der lange Rüssel allzu mühelos zum Grund gelangt).
Das ist an sich plausibel, erklärt allerdings nicht das erfolgreiche Überleben von weniger langspornigen Arten wie der Elfenbein-Orchidee. In neuerer Zeit wurden daher weitere Evolutionswege vorgeschlagen, zum Beispiel die Entstehung langer Rüssel als Schutz gegen in der Blüte lauernde Raubinsekten und die Entstehung unterschiedlich langer Sporne, um direkte Konkurrenz zwischen Pflanzen um die gleichen Blütenbesucher zu vermeiden.
Nachdem Darwin zu Lebzeiten von Insektenforschern verspottet wurde, die nicht an seinen „Riesenfalter“ glauben mochten, wurde dieser Falter – gar nicht so riesig, aber mit einem unglaublich lang ausrollbaren Rüssel – etwa 20 Jahre nach Darwins Tod tatsächlich gefunden – ein brillantes Beispiel für die Richtigkeit seiner Überlegungen.