Wer schreibt, der bleibt: Dokumentation in Botanischen Gärten
Bereifte Aloe - Aloe pruinosa
Botanische Gärten sammeln und kultivieren lebende Pflanzen für Forschung, Lehre, Bildung, Naturschutz und Erholung. Es handelt sich dabei also um wissenschaftliche Sammlungen, ähnlich denen von präparierten Insekten in einem Naturkundemuseum, Artefakten in einer ethnologischen Sammlung oder archäologischen Objekten in einem Museum der Vor- und Frühgeschichte. Zu diesen Objekten werden Herkunft, Datum, Sammler und Objektart dokumentiert. Dass Botanische Gärten nicht Museen genannt werden, liegt vor allem an einer Eigenschaft ihrer Sammlungsobjekte: die Pflanzen sind lebendig. Diese Eigenschaft bedingt zugleich die relativ hohen Betriebskosten eines Botanischen Gartens, welcher etliche qualifizierte Gärtnerinnen und Gärtner beschäftigen muss, um die Sammlung zu erhalten. Sonst würden nur die Pflanzen überleben, die ohnehin da sind, aber weder tropische Exoten noch andere pflegebedürftige Gewächse.
Die Bereifte Aloe (Aloe pruinosa) ist so ein Exot. Sie kommt wild im östlichen Südafrika nur in einem sehr kleinen Gebiet vor, direkt bei Pietermaritzburg, einer prosperierenden Industrie- und Universitätsstadt. Dort wird sie auch als Heilpflanze verwendet; sowohl diese Nutzung als auch das schnelle Wachstum der Stadt gelten als Gefährdungsfaktoren, sodass die Art in Südafrika bereits auf der Roten Liste steht. Wie die meisten anderen Aloen auch wird die Bereifte Aloe von Nektarvögeln bestäubt. Ein vor einigen Jahren durchgeführter Versuch zeigte jedoch, dass Insekten ebenfalls eine Rolle spielen können. Sich selbst bestäuben kann diese Art jedoch nicht, ebenso wenig wie die meisten anderen Aloen.
Diese Eigenschaft ist auch bei der Samenvermehrung im Garten zu berücksichtigen. Für erfolgreichen Samenansatz müssen mindestens zwei genetisch verschiedene Individuen vorhanden sein und sich bestäuben, was außerhalb Südafrikas in der Regel von Hand gemacht werden muss. Dabei ist der Eintrag artfremden Pollens sorgfältig zu vermeiden, da viele Aloe-Arten untereinander kreuzbar sind. In der Natur gibt es Kreuzungsbarrieren, zum Beispiel weit voneinander entfernte Vorkommensgebiete, die im Garten aufgehoben sind.
Leider besitzt der Potsdamer Botanische Garten keine Dokumentation der Herkunft dieser Pflanzen. Sie stammen vermutlich von einem anderen Botanischen Garten. Sie trugen außerdem einen unzutreffenden Namen, der nun in Potsdam korrigiert wurde. Die Blüten und Blütenstängel sind stark wachsig bereift, ein Erkennungsmerkmal, das sich auch im Namen wiederfindet (pruinosa heißt „bereift“).
Heute dokumentieren fast alle Botanischen Gärten sorgfältig die Herkunft ihrer Pflanzen, vor allem die ursprüngliche Wildherkunft, soweit bekannt; früher war dies weit weniger der Fall, auch in Potsdam. Auch auf die Qualität des Saatguts bei kreuzungsanfälligen Gruppen wie Aloen wird heute stärker geachtet als früher.