Fünf Meter sechzig in kupferbraun
Pflanze des Monats März 2015
Die Löwenschwanz-Agave
Agaven sind einer der Sammel- und Forschungsschwerpunkte des Potsdamer Botanischen Gartens. Es gibt rund 200 verschiedene Arten, 70 davon gedeihen auch in den Gewächshäusern an der Maulbeerallee. Alle Agaven stammen aus Amerika: südliche USA bis Kolumbien und Venezuela, Karibische Inseln, der Verbreitungsschwerpunkt ist Mexiko.
Viele haben riesige Blütenstände und produzieren reichlich Nektar für ihre Bestäuber – zum Beispiel Kolibris, große Nachtfalter oder blütenbesuchende Fledermäuse. Aber nur bei einem Bruchteil der Arten ist im Einzelnen erforscht, wer sie tatsächlich bestäubt.
Die mexikanische Löwenschwanz-Agave (Agave kerchovei) hat im Kakteenhaus kurz vor Weihnachten 2014 mit der Entwicklung eines Blütenstands begonnen. Er wuchs zum Teil um fast 15 cm am Tag. Jetzt ist er etwa 5,65 m hoch, knapp 10 cm unterhalb des Gewächshausfirsts hat er das Höhenwachstum eingestellt – als ob die Pflanze gewusst hätte: hier geht’s nicht mehr weiter. Seit dem 12. März erblüht die gigantische Blütenähre nach und nach von unten nach oben. Um Ostern wird das Spektakel wohl weitgehend beendet sein.
Der Botanische Garten nutzt die Gelegenheit, hier wissenschaftliches Neuland zu betreten. Zwar können die potenziellen Bestäuber in Potsdam nicht in Aktion beobachtet werden, da sie hier ja nicht vorkommen. Aus Menge, Art und Zeitpunkt des produzierten Nektars und weiteren Merkmalen lassen sich aber schon einige Schlussfolgerungen ziehen. Vögel würden zum Beispiel tagsüber, Nachtfalter und Blumenfledermäuse hingegen nachts kommen, und für Fledermäuse würden größere Mengen dünnflüssigeren Nektars bereitstehen als für Falter.
Drei Studierende der Geoökologie an der Universität Potsdam haben sich des Themas im Rahmen ihrer Bachelorarbeiten angenommen. Nach zweitägigen Messungen rund um die Uhr ist bereits klar: die Löwenschwanz-Agave produziert Nektar ausschließlich abends und nachts, und zwar in derartigen Mengen, dass die Blüten richtiggehend überlaufen können. Berücksichtigt man noch die düster-kupferbraune Blütenfarbe (ein sehr aparter Farbton übrigens), so kann man Fledermäuse als wahrscheinlichste Bestäuber annehmen. Wären es Nachtfalterblumen, sollten sie eher weißlich-hell gefärbt sein, da sich Nachtfalter zum Teil mit den Augen orientieren; helle Blüten sieht man im Mondschein besser als braune.
Fledermäuse orientieren sich hingegen mit Ultraschall, so dass für sie die Blütenfarbe keine Rolle spielt. Auch Düfte sind relevant – für Falter sind eher schwere, süßliche
Aromen attraktiv, für Fledermäuse hingegen gärige Gerüche, wie sie auch die Löwenschwanz-Agave produziert. Agavenblüten durchlaufen verschiedene Phasen: mit der Öffnung der Blüte entfalten sich die Staubblätter. Etwa einen Tag später wechseln diese die Farbe von braun nach gelb, weil die Pollenkörner, die dann freigesetzt werden, gelb gefärbt sind. Die Blüte ist zu dieser Zeit in ihrer männlichen Phase und produziert reichlich Nektar. Dann verwelken die Staubblätter. Erst danach wird die Narbe an der Spitze des zentralen Griffels empfänglich für Pollen, die Blüte tritt in die weibliche Phase. Schließlich welkt auch der Griffel, und die Samenkapsel beginnt zu reifen – erfolgreiche Bestäubung vorausgesetzt.