Schwanenhals-Agave - Agave attenuata
Pflanze des Monats Dezember 2011
Adliger Blütenstand
Josef Fürst zu Salm-Dyck (1773-1861) war leidenschaftlicher Hobby-Botaniker und einer der bedeutendsten Sammler und Erforscher wasserspeichernder Pflanzen (Sukkulenten) des 19. Jahrhunderts. Er interessierte sich von Jugend an für die Wissenschaft, die er zeit seines Lebens mit hohem persönlichem und finanziellem Einsatz betrieb. So nahm er zum Beispiel Privatunterricht bei dem berühmten Pflanzenmaler Redouté in Paris, sodass er fortan eigene Werke auch selbst illustrieren konnte. Da er mit zahlreichen Botanischen Gärten im Materialaustausch stand und sich von Händlern alle Neuheiten besorgte, besaß er die beste Sukkulentensammlung seiner Zeit. Zur Beförderung des Austauschs ließ er 1834 ein Verzeichnis aller damals rund 6.500 Pflanzenarten seiner Lebendsammlung drucken, den "Hortus Dyckensis", wozu zum Beispiel auch die Gehölze seines Parks gehörten. (Zum Vergleich: Der Potsdamer Botanische Garten besitzt etwa 10.000 Pflanzenarten.) In den beigefügten "botanischen Anmerkungen" beschrieb er als Erster die Schwanenhals-Agave unter dem wissenschaftlichen Namen Agave attenuata ("Verschmälerte Agave", vermutlich wegen der zum Grunde hin stark verjüngten Blätter) als unbestachelt, mit glattrandigen, relativ weichen, bleichgrünen, stark blau bereiften Blättern, wodurch sie "von den anderen Arten jener Gattung deutlich abweicht." Blüten waren nicht bekannt.
Das Hauptinteresse des Fürsten galt den Aloen, den Kakteen und den Mittagsblumen. Aber auch die Agaven interessierten ihn sehr. Noch mit über 80 Jahren verfasste "Seine Durchlaucht" (so steht's in der Autorenangabe) einen Beitrag über Agavenverwandte für die in Hannover erscheinende botanische Fachzeitschrift "Bonplandia", worin er neue Arten beschrieb und seine Darstellung der Schwanenhals-Agave ergänzte. Die in seinem Besitz befindliche Pflanze hatte inzwischen ihre große Blattrosette auf einem etwa einen Meter hohen Stamm emporgehoben. Dies ist für Agaven ungewöhnlich, für diese Art jedoch typisch, was Salm-Dyck schließlich zu der Bemerkung veranlasste, "in dem ganzen Habitus dieser Pflanze liegt etwas, was den Zweifel erregt, ob sie wirklich zur Gattung Agave gehöre". Geblüht hatte sie leider immer noch nicht.
Der Tod riss den Fürsten im März 1861 in Nizza mit 87 Jahren aus seinen Plänen. Er wollte mit seiner kompletten lebenden Sukkulentensammlung an die Cote d'Azur übersiedeln, wovon er sich bessere gärtnerische Möglichkeiten und damit auch verbesserte Forschungsbedingungen gerade an den Blüten und Früchten seiner Lieblinge versprach. So jedoch blieb die Sammlung auf Schloss Dyck bei Düsseldorf, wo sie noch bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs weitergepflegt wurde. Den großartigen, elegant schwanenhalsartig überhängenden Blütenstand der besagten Agave hat "Seine Durchlaucht" nicht mehr zu Gesicht bekommen - die erste Pflanze in Europa erblühte im Herbst 1861 in Kew Gardens bei London, genau 150 Jahre vor heute und ein halbes Jahr nach Salm-Dycks Tod. Es zeigte sich, dass der Blütenstand im Unterschied zu vielen anderen Agaven nicht kandelaberartig verzweigt ist. Von weitem betrachtet sieht er zitronengelb aus, wegen der prominenten gelben Staubblätter; die Blütenkrone selbst ist grünlich. Mit unterständigen Fruchtknoten und aufrechten Blüten handelt es sich eindeutig um einen Vertreter der Gattung Agave, wie inzwischen auch molekulargenetische Studien bestätigen.