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Unterwegs im anatolischen Hochplateau – Tag 5: Kappadokien – das Land der schönen Pferde?

Reisetagebuch: Studierende auf Exkursion in der Türkei

Unsere Gruppe vor tief eingeschnittenen, sieben Millionen Jahre alten Aschestromablagerungen sowie darübergelagerten beigefarbenen Seesedimenten und weiteren Aschestromablagerungen. Foto: Ariane Müting.
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Unsere Gruppe vor tief eingeschnittenen, sieben Millionen Jahre alten Aschestromablagerungen sowie darübergelagerten beigefarbenen Seesedimenten und weiteren Aschestromablagerungen. Foto: Ariane Müting.

Kappadokien – das Land der schönen Pferde, so wurde diese zentralanatolische Region angeblich ehemals genannt. Der Zusammenhang mit dem heute besuchten Gebiet mag sich vielleicht nicht sofort erschließen, aber ein Blick auf historische Stätten hilft: Eine mehrere Tausend Jahre andauernde Besiedlungsgeschichte, u.a. mit hethithischen, persischen, griechischen und römischen Einflüssen, lässt sich zurückverfolgen – eben auch bis hin zum ursprünglichen Namen Katpatuka, der von den Persern zur Zeit von König Darius dem Großen geprägt wurde. Kappadokien ist aber auch als anatolische Vulkanprovinz bekannt. Schichtvulkane, Maare, Aschekegel und die Ablagerungen heißer Ascheströme aus den letzten zwölf Millionen Jahren charakterisieren diese karge Landschaft, die aber ebenso von wunderschönen grünen Oasen mit Weinbergen, Aprikosen- und Granatapfelbäumen durchzogen wird.

Die Geologie zeichnet sich vor allem durch einen Wechsel von Aschestromablagerungen und Fluss- oder Seesedimenten aus. Der explosive Vulkanismus war zum Teil mit dem nahezu vollständigen Kollaps von Schichtvulkanen verbunden, so wie man ihn 1980 beim Ausbruch des Mt. St. Helens in den USA beobachten konnte. Auch in historischen Zeiten gab es in Anatolien noch Vulkanausbrüche, so deuten Wandmalereien und römische Münzprägungen mit der Silhouette des nahen Vulkans Erciyes (im Lateinischen Argaeos) auf die fortgesetzte Aktivität hin.

Ein Blick auf die Landschaft eröffnet uns den Raum für viel Fantasie: Kegelförmige Erosionsrückstände der Ascheströme wurden schon vor mehreren Tausend Jahren durch die Bewohner der Region ausgehöhlt und für Wohnraum genutzt, da die Höhlen im Sommer Schutz vor den sengenden Temperaturen des Hochlandes bieten und während des Winters vor Frost schützen. Hier werden diese Tuffkegel auch Feenschlote oder im Türkischen Peribacalari genannt. Während diese Ablagerungen somit Schutz in vielerlei Hinsicht bieten, sind sie selbst den harschen Bedingungen der Verwitterung und tiefgründigen Erosion ausgesetzt. Sie entstehen durch die erosive Einschneidung in Wechsellagen mit mechanisch festen Horizonten und wenig erosionsresistenten Schichten. Solange ein kleiner Teil der resistenten Schicht erhalten bleibt, können die anderen Schichten darunter erodiert werden, sodass die resistentere Lage wie ein Pilzhut die Lagen darunter bedeckt. Wir erinnern uns an unser Kartier-Geländepraktikum am Pic St. Loup in Südfrankreich, denn die dortigen Mergel erodieren in ähnlicher Weise und formen sogenannte Badlands.

Nach dem Weg durch diese Landschaft schauen wir uns ein – im wahrsten Sinne des Wortes – einschneidendes Ereignis an: Der Kizilirmak (türkisch für roter Fluss; aufgrund der rotgefärbten Schwebfracht) schneidet sich etwa seit 2,7 Millionen Jahren in das anatolische Hochplateau ein und fließt zum Schwarzen Meer. Wir besichtigten ein gutes Dutzend Flussterrassen auf unterschiedlich hohen Niveaus, die der Fluss bei der Einschneidung auf die heutige Höhe seines Bettes hinterließ. Die ältesten inaktiven Nebenflusstäler dieser Tieferlegung der Flussläufe wurden vor zwei Millionen Jahren in einigen Fällen von Lavaströmen entsprechend der Flusstalneigung durchflossen. Diese Lavaströme können heute noch als langgestreckte Basaltrücken in der Landschaft bewundert werden und bieten die einmalige Möglichkeit zur radiometrischen Datierung der alten Flussnetze. Der Vergleich zwischen dem heutigen Flusslauf, den unterschiedlichen Terrassen und den ehemaligen Landoberflächen auf den Aschestromablagerungen hilft uns weiterhin dabei, die regionale Hebungsgeschichte des anatolischen Plateaus weiter zu ergründen.

Am Ende des Tages und kurz vor Einbruch der Dunkelheit gönnen wir uns noch ein besonderes kulturelles und geologisches Highlight: einen Besuch in der Felsenstadt Zelve. Kirchen mit beeindruckenden, aber dennoch subtilen Wand- und Deckenmalereien sowie Keltereien und Wohnhäuser können hier bestaunt werden. Die Stadt wurde in die wenig verfestigten Zelve-Aschestromablagerungen gehauen, die sich auch aufgrund ihrer tektonischen Klüftung hervorragend für den Höhlen- bzw. Tunnelbau eignen. Wir tauchen ab in die längst vergangene Welt der Aramäer, die diese Region unmittelbar nach dem Beginn unserer Zeitrechnung besiedelten und das Christentum verbreiteten.

Text: Thoralf Dietrich
Online gestellt: Matthias Zimmermann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde