Johann Partsch
Was macht eigentlich Wildfang e.V.?
Der Wildfang e. V. ist ein Träger der freien Jugendhilfe und bietet ein anerkanntes, gefördertes Angebot zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Alltag an. Wir betreuen Kinder auf inklusiven Ferienfreizeiten, oder im Rahmen des sogenannten „Heimspiels“ zuhause in Berlin. Das Angebot des Vereins richtet sich vor allem an Kinder aus Fremdunterbringungen. Jährlich sind wir mit etwa 150 Teamer*innen in circa 40 Feriencamps unterwegs.
Was ist dabei genau Ihre Aufgabe?
Ich bin in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Ferienfreizeiten tätig. Mit mindestens 20 Kindern pro Ferienfahrt sind Action und Abenteuer immer vorprogrammiert. Als Betreuer plane ich Aktionen für die Tage, erkläre sie den Kindern und begleite sie dabei. Somit helfe ich den Kindern, ihren Tag zu strukturieren. Dafür muss ich sie gut kennenlernen, um möglichst viele individuelle Interessen ansprechen zu können. Neben der Tätigkeit als Betreuer übernehme ich auch oft die Leitung eines Wildfang-Teams. Hierbei kommt neben der Betreuung auch viel Verantwortung dazu. Als Campleitung bin ich Ansprechpartner für Organisatorisches, koordiniere das Team und achte darauf, dass die gesamte Ferienfahrt ausgeglichen abläuft.
Seit wann engagieren Sie sich bei Wildfang e. V. und wie sind Sie darauf gestoßen?
Ich engagiere mich seit 2018 bei Wildfang. Damals musste ich im Rahmen meines Lehramt-Studiums ein Praktikum in einem sozialen Bereich absolvieren. Bei meinen Recherchen bin ich auf Wildfang gestoßen – und bin sehr froh, dass ich mich damals für diese Praktikumsstelle entschieden habe!
"Kein einziges Modul an der Universität bereitet mich
besser auf den pädagogischen Umgang mit inklusiven Kindergruppen vor
als die Ferienfreizeiten bei Wildfang."
Wer engagiert sich dort sonst noch?
Bei den Ehrenamtlichen handelt es sich um eine ganz bunte Truppe: Auszubildende, Studierende und berufstätige Menschen aus unterschiedlichen Bereichen engagieren sich bei Wildfang.
Welche 3 Sachen haben Sie zuletzt bei Ihrer Tätigkeit für Wildfang erledigt? Welche verschiedenen Aufgaben haben Ehrenamtliche sonst noch?
Zuletzt war ich in einem Feriencamp als Campleitung tätig. Direkt im Anschluss daran habe ich mit der Planung eines weiteren Camps in der Nähe von Berlin angefangen. Aktuell organisiere ich zusammen mit einem weiteren Wildfänger außerdem noch ein Treffen für alle Teamleitungen und schaue mir dafür eine Jugendherberge in Hessen an.
Die Feriencamps werden von Ehrenamtlichen selbstständig organisiert: Die Aktionen müssen geplant, das Materiallager gepackt werden. Im Vorfeld einer Ferienfreizeit müssen wir außerdem mit den Eltern der zu betreuenden Kinder sprechen. Daneben engagieren sich einige der Wildfänger*innen auch im „Heimspiel“ und betreuen Kinder in Berlin. Dort werden Tagesausflüge oder Unternehmungen am Nachmittag geplant – je nachdem, was die Pflegefamilien wünschen und was machbar ist.
Was studieren Sie und in welchem Verhältnis steht Ihr Engagement zum Studium? Ist die Betreuung in Feriencamps eher ein Ausgleich oder eine praktische Ergänzung zum Studium?
Ich studiere derzeit Lehramt an Gymnasien für die Fächer Mathematik und Biologie. Meine Tätigkeit bei Wildfang ist sowohl Ausgleich als auch eine praktische Ergänzung zu meinem Lehramtsstudium:
Einerseits füllt das Ehrenamt für mich pädagogische Lücken des Studiums. Bei Wildfang habe ich die Möglichkeit, Erfahrungen im Umgang mit verhaltensoriginellen Kindern zu sammeln. Sie bringen spannende Biographien mit, sind häufig traumatisiert und haben nicht selten eine geistige oder körperliche Behinderung. Nach dem Abschluss meines zweiten Staatsexamens möchte ich an einer inklusiven Schule unterrichten. Kein einziges Modul an der Universität bereitet mich besser auf den pädagogischen Umgang mit inklusiven Kindergruppen vor als die Ferienfreizeiten bei Wildfang. Außerdem kann ich mich im Umgang mit großen Gruppen ausprobieren. Es ist unglaublich spannend und der Puls schlägt sofort schneller, wenn man die Aufmerksamkeit von 20 aufgeregten Kindern auf sich lenken soll. Mittlerweile habe ich ein ganzes Repertoire an Methoden, wie ich die Aufmerksamkeit wecke. Darauf bin ich sehr stolz.
Auf der anderen Seite ist die Tätigkeit bei Wildfang ein Ausgleich zum Studium: Kind sein, an und über eigene Grenzen gehen, sportlich aktiv und kreativ sein, sich in Empathie üben und Empathie ausdrücken, Kinderverhalten lesen lernen.
Wann hast du das letzte Mal ausgiebig und bedenkenlos auf einem Spielplatz gespielt? Wann das letzte Mal Verstecken im Wald gespielt oder ein Freundschaftsbuch gebastelt? Ich habe all das erst letzte Woche gemacht – und ich kann sagen: Es macht mir immer wieder großen Spaß! Neben Vergnügen, Action und Abenteuer entwickeln sich auch enge Freundschaften zwischen Betreuer*innen aus ganz Deutschland. Ein tolles Netzwerk.
"Wann hast du das letzte Mal Verstecken im Wald gespielt oder ein
Freundschaftsbuch gebastelt? Ich habe all das erst letzte Woche gemacht!"
Wenn ich mich bei Ihnen ebenfalls engagieren möchte, benötige ich dafür Vorkenntnisse oder bestimmte Fähigkeiten?
Du solltest mindestens 18 Jahre alt sein und Spaß am Umgang mit Menschen, insbesondere Kindern, haben. Dazu ist es wichtig, dass du Empathie zeigen kannst und ein klares Bild vom Umgang mit Kindern und Jugendlichen hast. Kreative Ideen innerhalb der Themenbereiche Entspannung, Theater, Musik, Basteln, Abenteuer und Natur sollten ebenfalls vorhanden sein. Um das Feriencamp möglichst reibungslos ablaufen zu lassen, ist es außerdem total wichtig, teamfähig zu sein und eigene Interessen aktiv einzubringen.
Das hört sich nach einer ganzen Menge Anforderungen an, ich kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass man Seiten von sich kennenlernt, die man niemals erwartet hätte. Wenn du bereit und offen bist, Unbekanntes zu entdecken, dann wird es dir gehen wie mir: Ich dachte immer, ich hätte zwei linke Hände, bis ich mit den Kindern einen Nistkasten gebaut habe. Nicht nur die Kinder waren vom Resultat begeistert, ich auch!
Wie werde ich auf einen Einsatz in einem Feriencamp vorbereitet?
Einmal im Jahr gibt es eine zweitägige Präsenzschulung. Erfahrene Wildfänger*innen berichten über den Camp-Alltag und teilen ihre ganz persönlichen Erfahrungen aus den Freizeiten. Außerdem werden wir von pädagogisch geschultem Personal mit Themen wie „Aufsichtspflicht“ oder „Programmplanung“ auf das Feriencamp vorbereitet. Neben dieser Präsenzveranstaltung werden über das ganze Jahr hinweg zahlreiche Online-Schulungen angeboten. So können theoretisch vermittelte Inhalte direkt in der Praxis im Camp umgesetzt und ausprobiert werden.
"Pädagogische Herausforderungen treffen auf eine Menge Spaß."
Was schätzen Sie besonders an Ihrem Ehrenamt bei Wildfang e. V., was fordert Sie daran heraus?
Besonders gefällt mir, dass ich trotz durchstrukturierter Tage am Morgen nicht genau wissen kann, was mich erwartet. Pädagogische Herausforderungen treffen auf eine Menge Spaß und Spontaneität! Ich mag den Umgang sowohl mit den Kindern, als auch mit anderen Betreuer*innen. Und durch die Organisation der Feriencamps habe ich Ecken in Deutschland entdeckt, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Und nicht nur in Deutschland, auch darüber hinaus wird Kindern bei Wildfang die Möglichkeit geboten, auch in anderen europäischen Ländern Urlaub zu machen. Außerdem ist der Kontakt der ehrenamtlichen Betreuer*innen zum Verein sehr eng und es wird großen Wert auf das Wohlergehen aller Ehrenamtlichen gelegt.
Bei jeder Begegnung ergeben sich individuelle Herausforderungen. Die Kinder mit ihren Besonderheiten so zu nehmen, wie sie sind, ihre Verhaltensweisen zu verstehen und ihnen eine schöne Zeit zu bereiten, ist immer wieder spannend. Teilweise werde ich auch mit schweren Schicksalsschlägen der Kinder konfrontiert. Damit lässt sich ein Verhalten oft besser verstehen und ich kann meinen Umgang mit dem Kind so anpassen, dass sich alle wohlfühlen. Am Abend sprechen wir im Team oft über die Biographien der Kinder – damit lässt sich Erlebtes besser verarbeiten. Funkelnde und lachende Kinderaugen sind nach wie vor der größte Lohn für die Arbeit im Feriencamp.
"Zögert nicht sondern meldet euch an - probiert euch aus!"
Haben Sie Tipps für andere Studierende, die sich auch engagieren möchten?
Man sollte nie zu lange über ein Ehrenamt nachdenken. Dankbarkeit, soziale Beziehungen und das besondere Gefühl, etwas Gutes zu tun, sind in unserer stetig wandelnden Gesellschaft sehr wichtig. Mit dem Ehrenamt leistet man einen großen gesellschaftlichen Beitrag. Mitzuerleben, welchen Spaß Kinder auf Ferienfreizeiten haben, ist ein tolles Geschenk. Vor allem im sozialen Bereich werden andauernd Ehrenamtliche gesucht: Zögert nicht sondern meldet euch an - probiert euch aus, es werden sich neue Türen in eurem Leben öffnen!
Vielen Dank für die ausführlichen Einblicke in die Tätigkeit bei Wildfang e. V., Johann Partsch!
Das Interview wurde im Juni 2022 geführt.