Projektbeschreibungen: Geistige Entwicklung
Das handelnde Selbst: Welche Faktoren beeinflussen die Handlungsvorhersage im ersten und zweiten Lebensjahr?
Wenn wir beobachten, wie jemand anderes mit der Hand nach einem Objekt greift, wechselt unser Blick von der Hand zu dem Zielobjekt, bevor die Hand tatsächlich dort angekommen ist. Dieses prädiktive Blickverhalten gilt als Zeichen dafür, dass man die Zielgerichtetheit der beobachteten Handlung verarbeitet hat, und ist für menschliches Miteinander eine unabdingbare Kompetenz. Dennoch wissen wir noch nicht genau, wie sich prädiktives Blickverhalten im Kleinkindalter entwickelt und welche Faktoren dafür eine wichtige Rolle spielen.
Das Ziel unseres Projektes ist es herauszufinden, ab welchem Alter und unter welchen Umständen Kinder prädiktives Blickverhalten bei der Beobachtung einfacher, zielgerichteter Handlungen zeigen. Dazu führen wir in unserem Labor Eye Tracking (Blickbewegungs-) Studien durch, bei denen die Augenbewegungen der Kinder anhand einer Infrarot Kamera aufgezeichnet werden. Dies ermöglich es uns detailliert zu analysieren, wann genau die Kinder das Ziel einer Handlung vorhersagen, und wann nicht.
Ein Faktor, der uns in diesem Kontext interessiert, ist beispielsweise die eigene Erfahrung der Kinder mit bestimmten Handlungen: Wenn Kinder im ersten Lebensjahr eigene Erfahrungen mit Greifhandlungen sammeln, so erlangen sie auch umfangreiches Wissen darüber, welche Arten von Handlungen es gibt, welche Voraussetzungen sie haben und welche Konsequenzen sie mit sich bringen. Dieses Wissen ist vermutlich nicht nur bedeutend für die Durchführung eigener Handlungen, sondern auch für die Beobachtung von Handlungen anderer Menschen.
Weiterhin wollen wir untersuchen, inwiefern Kinder auch bereit sind, Handlungen als zielgerichtet zu verstehen, die nicht von Menschen durchgeführt werden, sondern beispielsweise von Werkzeugen oder animierten Objekten.
Mehr Wissen über die Entwicklung des frühen Handlungsverständnisses würde uns dabei helfen zu verstehen, wie sich diese wichtige Fähigkeit im frühen Leben der Menschen entwickelt, und dieses Projekt soll einen kleinen Beitrag zu der Erweiterung dieses Wissens leisten.
Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Elsner, Prof. Dr. Martin Butz (Eberhard Karls Universität Tübingen), Dr. Maurits Adam
Fördermittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG (SPP 2134, Projekt 3)
Bewilligungszeitraum: 2019-2022
Die Wahrnehmung von Grenzmarkierungen in Sprache und Verhalten: Parallelen in der Segmentierung kontinuierlicher Informationen
Kinder können Informationen mental in überschaubare Blöcke zergliedern, um sie schneller und effizienter verarbeiten zu können. Gleichzeitig müssen Kinder die einzelnen Informations“happen“ aber auch wieder zusammensetzen können, statt jeden Teil separat zu betrachten, um die zugrunde liegende Bedeutung zu erfassen. Während des Spracherwerbs lernen Kinder beispielsweise, dass die Silben „BAY“ und „BEE“ zusammengehören, und formen das Wort „Baby“, statt die Silben getrennt zu verarbeiten. Wir interessieren uns dafür, wie Kinder lernen, welche Informationsstücke zusammen gehören und welche nicht. Dabei verfolgen wir den neuen Ansatz zu untersuchen, ob Kinder nicht-sprachliche Information auf vergleichbare Weise zergliedern wie sie es mit Sprachreizen tun. Wir interessieren uns konkret dafür, wie Kinder Sequenzen von Handlungen wahrnehmen und mental zergliedern. Damit können wir überprüfen, ob Kinder Handlungen auf vergleichbare Weise mental zergliedern wie Silben und Sätze.
Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Elsner, Dr. Matt Hilton
Fördermittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG (FOR 2253, TP 2)
Bewilligungszeitraum: 2015-2018
Projekt-Internetseite: www.crossing-project.de
Der Einfluss sozial-pragmatischer Hinweise auf das Verständnis von Handlungsabsichten in der frühen Kindheit
In diesem Projekt wird der Einfluss sozial-pragmatischer Hinweise auf das frühkindliche Handlungsverständnis untersucht. Das erste Teilprojekt befasst sich mit dem Einfluss von Emotionen darauf, wie Kleinkinder eine objektgerichtete Handlung verarbeiten und im eigenen Verhalten umsetzen. In Nachahmungsstudien wird Kleinkindern verschiedener Altersgruppen eine Handlung an einem unbekannten Spielzeug demonstriert, und gleichzeitig drückt eine Person entweder eine positive oder negative Emotion in Bezug auf die Handlung aus. Wir untersuchen dabei, ob sich das Nachahmungsverhalten der Kinder unterscheidet, je nachdem, welche Emotion vorher gezeigt wurde. Dieses Teilprojekt wird in Kooperation mit dem Infant Action and Cognition Lab (Leitung: Dr. Petra Hauf) der St. Francis Xavier University in Antigonish, Nova Scotia, Kanada, durchgeführt.
Das zweite Teilprojekt untersucht, ab wann und in welcher Form Kleinkinder beginnen zu verstehen, dass sich zwischenmenschliche sprachliche Kommunikation auf geistige Zustände wie Handlungsabsichten beziehen kann. In Nachahmungsstudien schauen 18 und 24 Monate alte Kinder dabei zu, wie ein Erwachsener eine Handlung an einem Gegenstand ausführt und diese sprachlich ankündigt. Dabei stimmt die sprachlich angekündigte Handlung nicht immer mit der ausgeführten überein, d.h. es entsteht ein Konflikt zwischen der verbal angekündigten Handlung und der tatsächlich ausgeführten Handlung. Wir möchten untersuchen, wie Kinder mit solch einem Konflikt umgehen. Konkret interessiert uns, ob sie sich am Gesagten oder Gesehenen orientieren, wenn sie selbst an der Reihe sind, um mit dem Objekt zu interagieren. In einer EEG-Studie mit 18 Monate alten Kindern sind wir bestrebt, neuronale Maße für die Verarbeitung solcher im Konflikt stehenden Informationen zu identifizieren. Aus aktueller Forschung ist bekannt, dass bereits das EEG-Signal von Kleinkindern, ähnlich wie bei Erwachsenen, mit einer bestimmten neuronalen Reaktion (sog. N400) antwortet, sofern ihre Erwartungen verletzt werden (z. B. Friedrich & Friederici, 2004). In einer Eyetrackingstudie soll das Blickverhalten von 20 Monate alten Kindern genauer betrachtet werden, um festzustellen, wie solch ein Konflikt zwischen Sprache und Verhalten auf das Blickverhalten der Kinder wirkt. Wir untersuchen z. B., ob Kinder auf der Basis der sprachlichen Handlungsankündigung den Zielort dieser Handlung mit ihrem Blick voraussagen können.
Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Elsner, Dipl.-Psych. Christiane Patzwald
Domänen-übergreifende Einflüsse beim frühen Handlungslernen
Wenn wir mit kleinen Kindern interagieren, verwenden wir oft verschiedene Modalitäten gleichzeitig: Im Fall des Handlungslernen begleiten wir z.B. Handlungen, die wir vormachen, mit dazu passenden verbalen Beschreibungen. Dies hilft den Kindern ihre Aufmerksamkeit auf spezielle Aspekte der Handlung zu lenken und neue wichtige Informationen zu erkennen.
Während schon in einigen Studien gezeigt wurde, dass soziale und emotionale Hinweise (Augenkontakt, Lächeln, Lautmalerei) das Imitationsverhalten von Kleinkindern beeinflussen, gibt es bisher wenige Studien die sich mit dem Einfluss des semantischen Inhalts, d.h. der Bedeutung der sprachlichen Hinweise, auf das Handlungslernen befassen.
Speziell interessiert uns, wie Kinder lernen, dass Objekte für bestimmte Handlungen, aber nicht für andere verwendet werden können, und wie sich in diesem Fall der Inhalt der sprachlichen Hinweise, die das Modell beim Vormachen verwendet, auf das Objekt-Handlungs-Assoziationslernen auswirkt. Zusätzlich interessiert uns, ob sich der Einfluss von sprachlichen Hinweisen während der frühen Kindheit verändert. Diese Fragestellung untersuchen wir mit Hilfe einer Imitationsstudie.
Weiterhin interessieren wir uns für die zugrundeliegenden neuronalen Maße des Objekt-Handlungs-Assoziationslernens. Dafür planen wir eine Studie mittels Elektroenzephalografie (EEG) durchzuführen.
Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Elsner, Léonie Trouillet
Fördermittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG (FOR 2253, TP 3)
Bewilligungszeitraum: 2019-2022
Projekt-Internetseite: www.crossing-project.de
Die Entwicklung des Werkzeuggebrauchs im Kleinkindalter
Menschen gebrauchen Werkzeuge – nicht nur in Werkstatt und Garten, sondern auch zum Essen, Telefonieren oder Schreiben. Kinder beginnen schon früh, mit Werkzeugen umzugehen, und sie lernen dabei erstaunlich schnell. In verschiedenen Studien untersuchen wir, wie Kinder ab dem 2. Lebensjahr mit Werkzeugen umgehen: Welche Lernstrategien wenden sie an, welche Informationen sind ihnen wichtig, welchen Einfluss haben Erwachsene als Modelle? Weiterhin interessiert uns, ob und wie Kinder einmal erworbenes Werkzeug-Wissen auf andere Situationen übertragen. Wir gehen davon aus, dass dieser Transfer sowohl vom ursprünglichen Lernkontext als auch von den Merkmalen des jeweiligen Werkzeugs beeinflusst wird. Da auch das Alter der Kinder bzw. ihre Vorerfahrung mit Werkzeugen einen Einfluss haben können, werden Kinder im Vorschulalter in die Studien mit einbezogen.
Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Elsner