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Robert Brauer

Robert Brauer

arbeitet als Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologe bei den arbeitsmedizinischen Diensten der TÜV Rheinland Group


Was haben Sie studiert?

Diplom Psychologie Studium an der Universität Potsdam (Abschluss 2013)
 

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Welche besonderen Kenntnisse oder Weiterbildungen haben Sie zusätzlich zum Psychologiestudium noch mitgebracht?

  • Berufserfahrung ist unerlässlich – wie fast überall
  • Besondere Kenntnisse in der Erarbeitung und Durchführung von Workshops und Seminaren (als freier Dozent)
  • Inhaltliches Fachwissen, z. B. über die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (durch ein Ausgründungsprojekt bei Potsdam Transfer)
  • Erfahrung in der Beratung
     

Welche drei Sachen haben Sie auf der Arbeit zuletzt erledigt?

  1. individuelles Beratungsgespräch zu Problemen bei der Arbeit
  2. Initiierung eines Fragebogenprozesses in einem anderen Unternehmen
  3. interne Abstimmung und Koordination von Terminen 
     

Wie gehen Sie bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung vor? 

  • Informationen über das Unternehmen sammeln
  • Beratung hinsichtlich passender Methode
  • Unterstützung bei interner Kommunikation / Werbung – Begleitung bis das Befragungszeitfenster geschlossen ist
  • Datenaufbereitung für eine verständliche Weiterbearbeitung
  • Unterstützung bei der Maßnahmenableitung
  • ggfs. Umsetzung von Maßnahmen (z. B. Teamworkshops)
  • Evaluation der Maßnahmen und Vorbereitung nächster Gefährdungsbeurteilung
     

Wie erheben Sie die objektive psychische Belastung oder Gefährdung von Arbeitnehmer*innen?

  • Verwendung validierter Fragebogenverfahren (z. B. Copsoq) oder standardisierter qualitativer Verfahren (Gruppeninterview)
  • Orientierung an „Gemeinsamer Deutscher Arbeitsschutzstrategie“, um auf dem neusten Stand der praktischen Umsetzungserfordernisse zu sein

     

"Betrachtet werden immer Arbeitsplätze, nicht Menschen.
Das Ziel ist es einen Arbeitsplatz so zu gestalten,
dass er die durchschnittliche ArbeitnehmerIn nicht gefährdet."

 

Wie lange dauert der Prozess bis solche eine Beurteilung erstellt ist?

Das ist abhängig vom Unternehmen, kleine Unternehmen mit schnellen Entscheidungswegen schaffen es in einem Monat, große Unternehmen in etwa 12 Monaten (vor allem wegen der vorbereitenden Gremienarbeit und des langen Planungshorizonts). Der längste Prozess bisher hat 3 Jahre gedauert.


Beurteilen Sie dabei nur die psychischen Probleme, die durch die konkrete Arbeit hervorgerufen werden können oder geht es auch um den Schutz von Mitarbeitenden, die bspw. bereits zum Stellenantritt psychische Erkrankungen mitbringen?

Betrachtet werden immer Arbeitsplätze, nicht Menschen. Das Ziel ist es einen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass er die durchschnittliche ArbeitnehmerIn nicht gefährdet. Individuelle Besonderheiten der Personen werden nicht berücksichtigt – das ist als Psychologe manchmal schwer auszuhalten, dafür braucht es andere Dienstleistungen / Instrumente.
 

Muss eine solche Beurteilung für alle Unternehmen erstellt werden oder nur für bestimmte Branchen bzw. Berufsgruppen? 

Die Beurteilung ist für alle Unternehmen mit mindestens einem Angestellten Pflicht; als Kleinstunternehmen muss man nicht so genau dokumentieren.
 

Welche Konsequenzen hat es, wenn Sie einer Arbeitsstelle eine hohe psychische Gefährdung attestieren? Greifen dann staatliche Auflagen und Gesetze? Wie wird die Einhaltung überprüft?

Wird ein Gefährdungspotenzial entdeckt, folgen verpflichtende Maßnahmen - welche Maßnahmen und in welchem Umfang ist allerdings nicht vorgeschrieben. Als Berater kann ich die Unternehmen darauf hinweisen, was als Maßnahme passend wäre; als Dienstleister für die beauftragenden Unternehmen helfen wir diesen so gut es geht. Kontrollen und ggfs. Sanktionen können die staatlichen Stellen (z. LAVG in Brandenburg) verhängen, auch die Berufsgenossenschaften können kontrollieren und Auflagen erteilen; bei Versäumnissen bei einer Prüfung gibt es einen Folgetermin (Folgeprüfung).
 

Mit welchen Mechanismen können Arbeitgeber*innen psychischen Belastungen vorbeugen bzw. den Umgang mit diesen erleichtern? 

Am besten die Belastung abstellen (Verhältnisprävention), das ist in den meisten Fällen aber nicht möglich. Andernfalls die Person stärken und Ressourcen aufbauen, welche die Belastung abfedern (Verhaltensprävention). Arbeitgeber können ihren Mitarbeitenden zuhören, denn diese wissen genau, wo es hakt.
 

    "Ich stehe als externer Berater vermittelnd zur Seite,
    mein Interesse besteht darin, über die fachliche Beratung
    den Mehrwert der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
    für beide Seite hervorzuheben..."

     

    Kommt es im Rahmen dieses Prozesses dann auch einmal zu Konflikten? Wie gehen Sie damit um bzw. müssen Sie sich dazu verhalten?

    Konflikte kann es immer geben, wenn unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen. Gerade wenn Interessen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite unvereinbar sind, gibt es Konfliktpotenzial. Ich stehe als externer Berater vermittelnd zur Seite, mein Interesse besteht darin, über die fachliche Beratung den Mehrwert der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung für beide Seite hervorzuheben, denn der Arbeitgeber profitiert von der objektiven Analyse der Arbeitsplätze und der moderierten Vermittlung auch schwer zu ertragender Ergebnisse (z. B. Probleme mit der Führungskraft), die Arbeitnehmerseite profiziert von den Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation, wenn eine Gefährdung angezeigt wird.
     

    Arbeiten Sie auch direkt in der psychologischen Beratung mit Klient*innen oder ist Ihre Arbeit rein konzeptionell?

    Die individuelle Beratung ist ein großer Bestandteil meiner täglichen Arbeit (Sprechstunden oder individuelle Termine). Arbeitsbezogene Themen sollten im Mittelpunkt stehen, aber persönliche Themen machen vor der Bürotür nicht halt und finden daher auch ihren Weg in die Beratung.


    Erstellen Sie die Beurteilungen alleine oder stimmen Sie sich dafür mit anderen Kolleg*innen und Expert*innen ab?

    Beurteilungen werden in der Regel allein erstellt, aber ich kann mich bei Bedarf in einem Team von PsychologInnen abstimmen. Wenn weitere KollegInnen aus der Arbeitsmedizin oder Arbeitssicherheit für die Beantwortung der Fragen nötig sind oder vielleicht sogar für das beauftragende Unternehmen schon eingesetzt sind, gibt es immer eine interdisziplinäre Abstimmung.


    Was fordert Sie an Ihrem Beruf heraus?

    Es ist toll, dass es fachlich auf vielen Ebenen ansprechend ist (von der individuellen Beratung bis zur Organisationsberatung, von der Einzelarbeit bis hin zu großen Gruppen) – es werden viele Themen der Arbeits- und Organisationspsychologie angesprochen. Toll ist auch, dass man in viele verschiedene Unternehmen Einblicke erhält, auf die man sich genauso einstellen muss, wie auf verschiedene Personen / Persönlichkeiten. 
    Die interdisziplinäre Arbeit fördert das Verständnis von Problemen in der Arbeitswelt und kommt als Abstimmungsbedarf für die Problemlösung hinzu.
    Herausfordernd ist ein stetiger Informationsfluss zwischen KollegInnen und Auftraggebern aus fachlicher Sicht und der ständige Koordinationsbedarf wann, wer, was, mit welchem Ziel erledigt.
     

    Haben Sie Tipps für Berufseinsteiger*innen?

    • Seien Sie neugierig.
    • Nutzen Sie Weiterentwicklungsmöglichkeiten, wo sie sich bieten.
    • Man weiß nie genau, wohin der Weg führt.

     

    Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die Tätigkeit bei den arbeitsmedizinischen Diensten der TÜV Rheinland Group, Robert Brauer!

    Das schriftliche  Interview wurde im Februar 2023 geführt.

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