Am Sonntag besuchte die Delegation den Botanischen Garten in Zanzibar, dem Partnergarten des Botanischen Gartens der Uni Potsdam. Der Garten ist in städtischer Verwaltung, wird aber weitgehend von Ehrenamtlichen betrieben, die in einer „civil based organisation“ (CBO) organisiert sind, einer Art Bürger*innen-Initiative. Es ist vermutlich der einzige Botanische Garten weltweit, der ganz überwiegend durch ehrenamtliches Engagement getragen wird, und allein deswegen etwas Besonderes. Die Mitglieder der CBO sind überwiegend einfache Leute. Im Garten waren Jungbäume zum Pflanzen vorbereitet. Nacheinander pflanzten Prof. Günther, seine Gattin Frau Swaminathan, der Oberbürgermeister von Zanzibar, Herr Ali Haji Haji, sowie Dr. Michael Burkart, Christiane Benthin und Ingo Kallmeyer vom Potsdamer Botanischen Garten einen Baum und gossen ihn an.
Anschließend betonten Prof. Günther und der OB von Zanzibar in kurzen Ansprachen die Bedeutung des Botanischen Gartens in Zeiten bedrohter Artenvielfalt und sich wandelnden Klimas. Der Klimawandel ist in Zanzibar zurzeit unmittelbar gegenwärtig: Eigentlich herrscht Regenzeit, doch bislang hat es noch keinen Tropfen geregnet. Dieser Umstand trägt stark zur Verunsicherung der Bevölkerung in der Region bei und bedroht unmittelbar ihre Lebensgrundlagen. Aufgrund der mehr oder weniger prekären Lebens- und Arbeitssituation der einfachen Bevölkerung ist das ungewöhnliche Wetter für viele eine direkt wahrnehmbare Bedrohung. Die Länder Afrikas und rings um den Indischen Ozean sind besonders stark von den schon erkennbaren Folgen des Klimawandels betroffen. Da sie zu den Ursachen dieses Wandels bisher nur in sehr geringem Umfang beigetragen haben, erscheint dies aus globaler Sicht besonders unfair.
Der Garten in Zanzibar verfügt über eine gute Sammlung seltener und gefährdeter einheimischer Pflanzen, die der Kustos John Ndege zusammengetragen hat, überwiegend aus natürlichen Beständen des Zanzibar-Archipels. Diese Pflanzen werden bereits zur Vermehrung verwendet, um Nachkommen auch in andere Gärten und zurück in die Natur zu bringen, allerdings bisher noch in kleinem Maßstab. Ndege wurde über mehr als zwei Jahre aus Mitteln eines Kooperationsprojekts zwischen den Stadtverwaltungen von Potsdam und Zanzibar finanziert, an dem auch die Universität Potsdam beteiligt war, insbesondere die Geoökologie mit Dr. Torsten Lipp und der Botanische Garten. Die Reise von Oliver Günther dient vor allem der weiteren Unterstützung der Kooperation.
Durch das starke Bevölkerungswachstum und die oft wenig gesicherten Lebensverhältnisse ist der Nutzungsdruck auf die natürliche Umwelt in Zanzibar besonders groß. Dies äußert sich konkret darin, dass Wald auf dem Zanzibar-Archipel nur noch in Schutzgebieten existiert – zumindest Wald, der diesen Namen verdient. Dies bedeutet auch, dass zahlreiche Arten von Pflanzen, Tieren und Pilzen vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet sind. Es ist deswegen hier besonders dringlich, solchen seltenen und gefährdeten Arten zu helfen. Die Arbeit des hiesigen Botanischen Gartens adressiert daher zugleich zwei der global bedeutsamsten Krisen, nämlich die Klima- und die Biodiversitätskrise. Allen Skeptikern, die die konkret lebensbedrohlichen Folgen dieser Krisen nicht wahrhaben wollen, kann daher nur dringend geraten werden, nach Zanzibar zu reisen und sich nicht tags an den Strand zu legen und abends Partys zu feiern, sondern sich auf eine Reise ins Land zu begeben, wo man die Zusammenhänge sehen kann, wenn man mit offenen Augen und etwas Hintergrundinformation unterwegs ist.
Der Gartenkustos Ndege trägt durch seine botanische Arbeit im Feld erheblich zur Kenntnis der Gefährdungssituation der Pflanzenwelt Zanzibars bei. Diese Kenntnis muss derzeit als noch ziemlich lückenhaft bezeichnet werden.
Zahlreiche Mitglieder der CBO waren am Sonntag im Garten anwesend, sodass die Veranstaltung beinahe festliche Züge hatte. Sie begleiteten die Delegation auf einem Rundgang bis zum Meer – der Garten hat auch einen kurzen Strand. Schließlich erhielten sie von Michael Burkart Gartenwerkzeug als Geschenke. Die CBO hat derzeit bereits über 70 registrierte Mitglieder. Dass sie sich so formell organisiert, ist eine neue Entwicklung, die sehr zu begrüßen ist, denn sie zeigt, dass die Menschen dabei sind, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Aufgrund der Lebensverhältnisse ist das alles andere als selbstverständlich, denn, wenn man abends nicht weiß, was man am nächsten Tag essen soll, fällt es besonders schwer, die Energie für ehrenamtliches Engagement aufzubringen. Umso eindrucksvoller ist die Begeisterung, die im Botanischen Garten vor Ort mit Händen zu greifen ist. Die CBO hat für ihre Mitglieder neuerdings gelbe Leuchtwesten organisiert und bedruckt, sodass gleich zu sehen ist, wer zum Garten gehört. Ein weiterer bemerkenswerter Umstand ist die ungefähr paritätische Verteilung der Geschlechter unter den Mitgliedern der CBO.
Leider hat die Stadtverwaltung von Zanzibar derzeit nicht die Mittel, um Herrn Ndege weiter zu beschäftigen, seit die Projektförderung Ende 2020 ausgelaufen ist. Ndege ist dessen ungeachtet weiterhin fast jede Woche im Garten, leitet die besonders engagierten Mitglieder der CBO an und bringt Vermehrungsmaterial weiterer Pflanzenarten herein, wenn er welche findet. Er arbeitet derzeit freiberuflich als Botaniker für unterschiedliche Projekte auf der Insel und ist dadurch viel unterwegs, hat seit dem Ende der Projektförderung aber ebenfalls Schwierigkeiten, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er ist ein exzellenter Kenner der Pflanzenwelt vor Ort und einer der besten Botaniker der Küstengebiete Ostafrikas. Hier gibt es insgesamt nur wenige Botaniker, sodass sein Engagement für seinen vorherigen Arbeitsplatz besonders hoch zu schätzen ist. Seine Kompetenz vor Ort ist unersetzlich, doch seiner festen Anstellung steht unter anderem auch die Ausländergesetzgebung Tanzanias entgegen – Ndege ist nämlich Kenianer.
Botanische Gärten sind global sehr wichtige Orte für den Umgang mit der doppelten Krise des Klimas und der biologischen Vielfalt. Die Zusammenhänge zwischen den Ursachen und Folgen dieser Krisen und dem individuellen Verhalten jeder und jedes Einzelnen ist zahlreichen Menschen auch in Deutschland immer noch nicht klar. Auf Zanzibar trifft das aufgrund des niedrigen Bildungsstandes noch wesentlich stärker zu. Nach wie vor werden die wildwachsenden Gehölze für den täglichen Bedarf an Feuerholz genutzt oder den Bau von einfachen Häusern. Ähnliches gilt für die Sammlung von Heilpflanzen, beispielsweise die Rinde bestimmter Sträucher und Bäume.
Botanische Gärten können hier in mehrfacher Hinsicht an einer Wende zum Besseren mitarbeiten. Sie können das Überleben der am stärksten in ihrer Existenz bedrohten Arten durch Anpflanzung im Garten sichern und auch durch einfache gärtnerische Vermehrung Material bereitstellen, das zurück in die Natur gebracht werden kann, wenn es dort Flächen gibt, wo ihr weiteres Überleben gesichert erscheint. Weiterhin können sie in nachhaltigem Wirtschaften unterrichten – bei der Nutzung der natürlichen Umwelt, aber auch in der bäuerlichen Landwirtschaft. Entsprechende Kurse wurden während der Laufzeit des Projektes mehrfach abgehalten. Botanische Gärten können sich aber vor allem auch in der Bildung engagieren, um die genannten Zusammenhänge allgemein begreiflich zu machen. Dafür eignen sich die gesammelten einheimischen Arten besonders gut, da sie von den Folgen direkt betroffen sind. Derzeit laufen Bemühungen, derartige Bildungsarbeit im Garten zu etablieren. Allerdings ist es unter den herrschenden Bedingungen schwierig, die dafür nötigen finanziellen Ressourcen aufzutreiben. Der Besuch der Delegation aus Potsdam versucht hier zu helfen und auch, den Botanischen Garten vor Ort besser bekannt zu machen.