Claudia Spies ist Syndikusrechtsanwältin der Asklepios Klinik Gauting bei München und leitet dort die Rechts- und Personalabteilung. „In vielen Auseinandersetzungen und insbesondere vor Gericht“, sagt sie „gibt es meist einen Gewinner und einen Verlierer oder, im Falle von Vergleichen und Kompromissen, zwei unzufriedene Parteien.“ Diese immer wiederkehrende, nicht zufriedenstellende Erfahrung weckte ihr Interesse an der Mediation. Als ihr Arbeitgeber ihr anbot, sich auf diesem Feld berufsbegleitend zu qualifizieren, hat sie sich in Potsdam zur Mediatorin ausbilden lassen.
Der Studiengang an der Universität ist sehr praxisnah und so war sie dort nicht nur Zuhörerin, sondern durchgehend aktiv. „Vor allem in den Rollenspielen habe ich viel über die Mediation, das Verfahren, aber auch über mich selbst gelernt“, erzählt sie. Neben den Kommunikationstechniken und der Theorie sei es tiefgreifend auch um eine Auseinandersetzung mit der eigenen Person und dem eigenen Verhalten in Konfliktsituationen gegangen. Eine der größten Herausforderungen für die Anwältin war es, nicht alleine und still aus Büchern zu lernen, sondern durch Interaktion und Erfahrung. Zu den Rollenspielen musste sie sich erst durchringen. „Von meinem Studium war ich es nicht gewohnt, mir etwas anzueignen, indem ich es – unter Beobachtung – einfach ausprobiere.“ Mit der Zeit habe sie aber großen Gefallen an dieser Art des Lernens gefunden und vom Feedback der anderen profitiert.
Eine erfolgreiche Mediation, weiß Claudia Spies, steht und fällt mit der Haltung des Mediators. Es geht darum, eine vermittelnde Position einzunehmen, neutral und offen gegenüber den Parteien und deren unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen zu sein. „Natürlich kann und werde ich immer noch die Rolle der Rechtsanwältin wahrnehmen, wenn es um eine Auseinandersetzung geht, bei der ich ganz klar die Interessen nur einer Partei vertrete; allerdings werde ich mich zugewandt und außergerichtlich an die ‚Gegenseite‘ wenden, um hoffentlich eine gute Lösung für alle Beteiligten zu erreichen. Alternativ könnte ich nun aber auch als Mediatorin den Konfliktparteien gegenübertreten und ihnen dabei helfen, sich zu einigen.“
Streit schlichten und klug verhandeln
Die Mediationstechniken setzt Claudia Spies in vielerlei Hinsicht ein: Mit Kolleginnen hat sie eine Schulung zur Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz entwickelt. Immer häufiger arbeitet sie auch als Inhouse-Mediatorin, wenn es Probleme in Teams oder zwischen Kolleginnen und Kollegen gibt und die Vorgesetzten und vor allem die Betroffenen sie darum bitten, vermittelnd einzugreifen. In ihrer Position als Personalleiterin hat es allerdings einige Zeit gedauert, das nötige Vertrauen hierfür aufzubauen. „Was mir in der Mediation erzählt wird, bleibt streng vertraulich zwischen den Beteiligten“, erklärt sie. Das sei von allen Seiten uneingeschränkt akzeptiert worden, sodass es nun eine sehr gute Basis gebe. „Dass manche Kollegen skeptisch bleiben, kann ich absolut nachvollziehen. Mediationen durch interne Mediatoren sind einfach natürliche Grenzen gesetzt.“
Die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie in der Ausbildung in Potsdam erworben hat, kann die Juristin auch außerhalb von Mediationsverfahren nutzen, etwa bei der Verhandlung von Verträgen zwischen ihrem Arbeitgeber und dessen Partnern. „Mit den Techniken der Mediation lassen sich sehr genau die Interessen herausarbeiten, die den jeweiligen Parteien beim Vertragsschluss wichtig sind“, sagt die Juristin. Auf diese Weise gelinge es, gute, langfristige und beide Seiten zufriedenstellende Verträge zu schließen.
Engagiert für die Kunst
Ganz nebenbei ist Claudia Spies freiberuflich als Mediatorin tätig. Unter der Marke „Beyond. Babel“ hat sie sich auf Musik, Kunst und Kultur spezialisiert, weil ihr das viel bedeutet und sie, wenn die Not groß ist, auch zu Sonderkonditionen oder ehrenamtlich hilft. Aktuell hat sie eine Gruppe von Musikern als Medianten, die schon einige Jahre sehr erfolgreich Alben aufgenommen haben und gemeinsam auf Tour gegangen waren. Mit der Zeit sind aber Unstimmigkeiten aufgetreten, es kam zum Streit, der schließlich eskalierte. Über mehrere Sitzungen ist es der Mediatorin gelungen, zumindest für einen Teil der Konfliktthemen schriftliche Lösungen zu vereinbaren. „Zuerst musste jeder einzelne erkennen und verstehen, worum es ihm selbst in der Auseinandersetzung wirklich geht“, berichtet Claudia Spies. Standen zunächst finanzielle Aspekte im Vordergrund, sei ziemlich bald klar geworden, dass sich der Streit im Kern um gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung drehte und vor allem darum, wieviel Herzblut jeder Einzelne in das gemeinsame Projekt gesteckt hatte. „Im zweiten Schritt wurde dann daran gearbeitet, jeweils bei den Kollegen Verständnis für die eigenen Interessen und Bedürfnisse zu wecken und gleichzeitig deren davon abweichende Sichtweisen zu erkennen und als andere, berechtigte Bedürfnisse zu akzeptieren“, beschreibt die Mediatorin den mühsamen, aber erfolgreichen Weg der Konfliktlösung.
Mittlerweile arbeiten die Musiker an einer neuen CD und schauen wieder etwas optimistischer in die Zukunft. „Im Laufe der Mediation haben sie eine andere Form der Auseinandersetzung kennengelernt“, sagt Claudia Spies. „Mit dieser Erfahrung können sie nun auch im Alltag auf eine andere Art und Weise miteinander kommunizieren.“
Zertifikatsstudiengang Mediation
Hochschulabsolventen, die im juristischen Bereich und anderen konfliktrelevanten Feldern arbeiten, können sich in der berufsbegleitenden Qualifikation zu Mediatoren ausbilden lassen. Das Studium dauert drei Semester, wobei die Inhalte in insgesamt zehn Blockveranstaltungen vermittelt werden. Nach erfolgreicher Teilnahme erhalten die Absolventen ein Zertifikat. Die Universität Potsdam bietet dieses kostenpflichtige Studium über die UP Transfer Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer GmbH an.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2020/21 (PDF).