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Eine Schere fürs Erbgut – Lena Hochrein optimiert molekulare Methoden

Die Möglichkeiten der Molekularbiologie entwickeln sich rasant. | Foto: AdobeStock/ipopba
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Die Möglichkeiten der Molekularbiologie entwickeln sich rasant.
Die Möglichkeiten der Molekularbiologie entwickeln sich rasant. Heute können Forschende das Genom jeder Zelle mit der CRISPR-Technologie preiswert, schnell und gezielt verändern. In der Arbeitsgruppe Molekularbiologie, die Prof. Bernd Müller-Röber leitet, arbeitet die Wissenschaftlerin Lena Hochrein im vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt ENTIRE daran, dieses Werkzeug noch schneller und effizienter zu gestalten.

Seit es Leben auf der Erde gibt, geschieht es jeden Tag: Das Erbgut von Bakterien-, Tier- oder Pflanzenzellen verändert sich durch Mutationen. Manchmal geraten die Bausteine der DNA durcheinander, wenn der Doppelstrang etwa durch UV-Strahlung bricht und fehlerhaft repariert wird. Manchmal gibt es Fehler beim Kopieren der Erbinformationen, die der Zellteilung vorangeht. Es gibt viele Ursachen, warum sich das Genom lebender Organismen seit Jahrmillionen immer wieder ändert. Die meisten Mutationen bleiben unbemerkt, manche verursachen Krankheiten oder führen zum Tod. Aber einige waren in der Geschichte der Evolution so erfolgreich, dass sie ihren Trägern Vorteile verschafften und immer neue, robustere Arten entstehen konnten.

Auch in der Pflanzenzüchtung nutzt man solche Veränderungen im Erbgut. Der Mensch selektiert diejenigen Exemplare, die resistent gegen bestimmte Krankheiten sind, besonders große Früchte haben oder sehr gut schmecken – all diese Eigenschaften sind durch Mutationen entstanden. In der traditionellen Zucht werden Pflanzen jahrelang untereinander gekreuzt und aussortiert, bevor am Ende eine Sorte mit den gewünschten Merkmalen steht. „Es ist ein sehr langwieriger Prozess“, erklärt die Chemikerin und Molekularbiologin Lena Hochrein. Sie optimiert molekulare Werkzeuge, mit denen Veränderungen im Erbgut nicht zufällig, sondern ganz gezielt vorgenommen werden können. Damit lassen sich etwa neue Pflanzensorten erheblich schneller züchten.

Revolution aus der Bakterienzelle

Die Technologie, die Lena Hochrein dafür verwendet, hat die Welt der Genetik und Molekularbiologie vor fast zehn Jahren revolutioniert. Die sogenannte Genschere – im Fachjargon CRISPR-Cas – ist ein Komplex aus RNA-Abschnitten und einem Enzym, dem sogenannten Cas-Protein. In Bakterienzellen dient dieses System dazu, eindringende Viren zu erkennen und unschädlich zu machen, indem die Viren-DNA an ganz bestimmten Stellen aufgeschnitten wird. Die beiden Forscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna entdeckten 2012 jedoch, dass CRISPR-Cas weitaus mehr kann, als Bakterienzellen vor Eindringlingen zu schützen. Denn mit der Genschere lässt sich der genetische Bauplan jeder Zelle verändern – schnell, präzise und zielgenau.

Seither herrscht Aufbruchstimmung in der Molekularbiologie, Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt arbeiten daran, die Methode zu erweitern und zu verfeinern. „Nicht nur für uns in der Pflanzenforschung, sondern auch in der Medizin ist CRISPR-Cas wahnsinnig wertvoll“, betont Lena Hochrein, die bereits in ihrer Doktorarbeit, für die sie im Jahr 2018 den Potsdamer Nachwuchswissenschaftlerpreis erhielt, erfolgreich an Regulationssystemen für biologische Synthesewege arbeitete. Denn vielleicht können mit dem genetischen Instrument eines Tages auch Erbkrankheiten geheilt werden.

Die Genschere lässt sich so manipulieren, dass sie an zuvor festgelegten Abschnitten des Genoms aktiv wird und den DNA-Strang zerschneidet, um gezielt die Regulation bestimmter Gene zu verändern. Mehr noch: An den aufgeschnittenen Strängen lassen sich neue genetische Informationen einschleusen, die im Labor so konstruiert wurden, dass sie exakt zwischen den Schnittstellen andocken. „Unser Ziel ist es nun, diese Genomeditierung in Pflanzenzellen effizienter zu gestalten und die erfolgreich editierten Zellen besser und schneller zu identifizieren“, erklärt Lena Hochrein.

Empfindliche Protoplasten und grüne Zellhaufen

Dazu muss die Molekularbiologin im Labor erst einmal geeignete Zellen produzieren, in denen die Genschere zum Einsatz kommen kann. Aus Blättern von wenige Wochen alten Pflanzen der Ackerschmalwand und der Tomate schneiden die Forschenden millimeterdünne Streifen und lassen sie in einer Enzym-Lösung schwimmen. Nach einiger Zeit färbt sich die
Lösung grün und die Blattstreifen lösen sich auf.

Unter dem Mikroskop werden kugelrunde Zellen – sogenannte Protoplasten – sichtbar, die keine Zellwand mehr besitzen und nun für die Genschere einsatzbereit sind. „Diese Zellen sind sehr fragil und man muss beim Arbeiten aufpassen, dass sie nicht zerplatzen“, sagt Lena Hochrein. Auf speziellem Nährmedium sollen diese Protoplasten später zu einem sogenannten „Kallus“ heranwachsen – einem wuchernden, grünen Zellhaufen, der aus lauter undifferenzierten Zellen besteht. Erst nach einer speziellen Behandlung bilden sich daraus Blätter und Sprosse und schließlich eine komplette Pflanze.

Das Einschleusen fremder Genabschnitte in die Zellen bezeichnen die Fachleute als „Transfektion“.
Bisher werden die einzufügenden DNA-Bruchstücke und die CRISPR-Cas-Genschere getrennt voneinander der Zellkultur zugeführt. Lena Hochrein und ihr Team wollen dieses Verfahren abwandeln und die Fremd-DNA direkt an die Genschere koppeln. Dadurch, so hoffen sie, kann sich die Erfolgsquote der Transfektion erhöhen. Im Labor stellt Lena Hochrein mit ihrem Team die dafür benötigten molekularen Werkzeuge her und entwickelt die passende Rezeptur. „Ganz normale Molekularbiologie“, nennt es die Wissenschaftlerin: „Klonieren, transformieren und Protein herstellen.“

Erfolge sind sofort sichtbar

Bevor dieser neue Komplex getestet wird, arbeitet die Wissenschaftlerin erst einmal an einem anderen wichtigen Optimierungsschritt: Bisher vergingen viele Wochen, in denen der Protoplast zu einem Pflänzchen heranwuchs. Erst dann konnten die Forschenden überhaupt erkennen, ob die Genomeditierung in einer Zelle erfolgreich war. In einem neuen Ansatz will Hochrein dies nun sofort an den Protoplasten testen.

Dazu schleusen die Forscher beispielsweise DANN in den Protoplasten, die ein zuvor defektes Gen in der Zielzelle reparieren kann, indem die fehlenden Bausteine an der richtigen Stelle des Genoms eingefügt werden. Funktioniert dieser Versuch, fluoreszieren die Zellen unter dem Mikroskop. Die Forschenden können so leicht erkennen, welche Zellen erfolgreich editiert wurden. Mit einer speziellen Sortiermaschine werden diese Zellen herausgepickt und kultiviert. „Das spart sehr viel Zeit“, betont Lena Hochrein.

Welche Gene in einer Pflanze aktiviert, ausgeschaltet oder gezielt verändert werden – das alles ist mit CRISPR-Cas nun kein Zufall mehr. Lena Hochrein faszinieren die neuen Möglichkeiten, die technischen Herausforderungen, vor allem aber die Lösungsmöglichkeiten. „Wir können etwa Genaktivitäten durch gezielte Mutationen verändern, um zum Beispiel die Resistenz von Nutzpflanzen gegen Trockenheit oder auch ihren Vitamingehalt zu erhöhen“, erklärt sie. „Angesichts von Klimawandel und zunehmenden Missernten können wir nicht mehr zehn Jahre warten, bis die passende Mutation kommt. Wir müssen uns Alternativen überlegen.“

Die Forscherin

Dr. Lena Hochrein studierte Chemie an der Technischen Universität Berlin. Sie beschäftigt sich in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernd Müller-Röber mit der Regulation von Genaktivitäten und molekularen Werkzeugen. Für ihre Dissertation wurde sie im Jahr 2018 mit dem Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis ausgezeichnet.
E-Mail: hochreinuni-potsdamde

Das Projekt

Im Forschungsprojekt ENTIRE (Enabling technologies for RNP-mediated genome editing) entwickeln Molekularwissenschaftler neue Methoden, um die Schnelligkeit und Effizienz der Genomschere CHRISPR zu steigern.
Laufzeit: 6/2018–12/2020
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Nutzpflanzen der Zukunft“

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2020 „Gesundheit“.