Optische Linsen, Spiegel, Detektoren, Kabel und allerhand technische Geräte: Im Labor von Prof. Dr. Safa Shoaee sind sie zu einem komplizierten Versuchsaufbau angeordnet. Das scheinbare Durcheinander folgt jedoch strengen Regeln. Das Herzstück des Versuchs ist eine Platte von der Größe einer Speicherkarte. Deren Oberfläche ist mit einem bläulich-violetten Film aus einem organischen Halbleitermaterial beschichtet. PM6:Y6 lautet der geheimnisvolle Name der Substanz. Sie besitzt eine Eigenschaft, die sie für Shoaee besonders interessant macht: Sie kann Licht in Energie umwandeln. Die Forscherin untersucht die physikalischen Prozesse die dahinterstecken.
Interessant auch für Architekten
Die aus dem Iran stammende Physikerin befasst sich seit 13 Jahren mit organischen Materialien für Solarzellen. Seit 2016 ist die Sofja-Kovalevskaja-Preisträgerin als Wissenschaftlerin an der Universität Potsdam tätig. Fünf Jahre lang wird ihre Arbeit hier von der Humboldt-Stiftung gefördert. Mit ihrem Gastgeber Dieter Neher, Professor für die Physik weicher Materie, teilt sie das Interesse für organische Solarzellen. „Safa Shoaee bringt eine besondere Expertise in unsere Arbeitsgruppe“, freut er sich. Die beiden Wissenschaftler betrachten jeweils unterschiedliche Aspekte ihres Forschungsgebiets, ergänzen sich darin gegenseitig und kommen so zu ganz neuen Erkenntnissen. Saubere Energie zu verträglichen Kosten – das ist das ambitionierte Ziel der gemeinsamen Forschung.
„Organische Halbleiter sind sehr vielseitig“, erklärt Safa Shoaee. „Sie können in Solarzellen, Photodetektoren, Sensoren oder LEDs genutzt werden.“ Auf dem Tisch vor ihr liegen Probeplättchen, die mit verschiedenen dieser Materialien beschichtet sind – ihre Farben reichen von Blau über Pink bis Gelb. Sie alle bestehen überwiegend aus Kohlenstoff, Wasserstoff,und Sauerstoff. Ihre Farbe macht sie nicht nur zu einem potenziell attraktiven Material für Architekten, die künftig organische Solarzellen in Fassaden und Dächer von Gebäuden integrieren könnten. Sie zeigt zugleich an, welches Farbspektrum des sichtbaren Lichts das jeweilige Material nutzen kann, um Energie zu erzeugen. Den bisher am häufigsten verwendeten anorganischen Siliziumzellen – die immer dunkelgrau und im Vergleich zu den organischen Zellen recht schwer sind – sind sie aber noch unterlegen: Sie absorbieren das Licht zwar besser, erzeugen aber weniger Energie und sind weniger stabil.
Safa Shoaee und ihr Team arbeiten daran, diese Schwachstellen zu beseitigen. Mit ihren Experimenten möchte die Wissenschaftlerin verstehen, wie die chemische Struktur der Materialien mit ihren optoelektronischen Eigenschaften zusammenhängen, welche Atombindungen oder Kombinationen von Elementen dafür sorgen, dass Lichtenergie besonders effizient eingefangen und in elektrische Energie umgewandelt wird. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten sind für Chemiker wichtig, die Substanzen mit den gewünschten Eigenschaften herstellen können. Schritt für Schritt designen Physiker und Chemiker auf diese Weise gemeinsam die Grundbausteine für künftige Solarzellen.
Auf die Lebensdauer und die Menge kommt es an
Wenn Licht auf die organischen Materialien trifft, läuft eine ganze Reihe von komplexen physikalischen Prozessen ab, in denen die negativ geladenen Elektronen in höhere Energieniveaus angeregt, von den dabei erzeugten positiv geladenen Löchern getrennt und letztendlich zu den Elektroden transportiert werden. Hier ergänzen sich die Forschungsschwerpunkte der Teams um Neher und Shoaee optimal: Sie untersuchen unterschiedliche Aspekte der Trennung und des Transports der durch das Licht entstehenden Ladungen.
Die zwei Ereignisse umrahmen jene Zeitspanne, die für die Energieproduktion entscheidend ist: Die Lebensdauer der entstehenden Ladungen muss möglichst hoch sein, damit sie aus der aktiven Schicht heraus zu den angrenzenden Elektroden transportiert werden können. Denn nur dann kann Strom fließen. „Hoch“ bedeutet in diesem Fall allerdings nur einige Mikrosekunden. In Potsdam entwickelte Shoaee eine neue Methode, um diese kurze Zeitspanne einzufangen. Stundenlanges Messen im Labor ist dafür notwendig. Auf dem Monitor des Computers reihen sich währenddessen schier endlos Zeilen und Spalten von Zahlen aneinander. Am Ende erhalten die Forschenden zwei Werte, die ihnen verraten, ob sich das Material für den Einsatz in organischen Solarzellen eignet: die Lebensdauer und die Anzahl der Ladungen. Zudem werden aus den an verschiedenen Halbleitern gemessenen Daten physikalische Modelle entwickelt, die die Kreation neuer Materialien unterstützen.
Optimale optoelektronische Eigenschaften allein reichen jedoch nicht aus, um organische Halbleiter erfolgreich in Solarzellen einzusetzen. Um im industriellen Maßstab konkurrenzfähig zu sein, müssen sie sehr schnell und kostengünstig produziert werden können. Eine wichtige Voraussetzung dafür bringen die organischen Materialien bereits mit: „Man kann sie in Lösungsmitteln auflösen und großflächig drucken“, erklärt Shoaee. Das Drucken von dünnen Polymerschichten ist sehr gut etabliert und im Vergleich zu anderen Beschichtungsverfahren äußerst schnell. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, müssen die aktiven organischen Schichten der gedruckten Solarzellen jedoch mehrere Hundert Nanometer dick sein. Das ist zwar immer noch dünner als ein Haar, bei der kurzen Lebensdauer der photogenerierten Ladungsträger aber ein Problem: Je dicker die Schicht, desto mehr Ladungsträger gehen auf dem Weg zu den Elektroden verloren. Mit ihrem Team erforscht Shoaee, wie sie die entscheidenden optoelektronischen Parameter optimieren kann, um diese Verluste zu minimieren.
Die Physiker erlangen ständig neues Wissen über die noch wenig erforschten Materialien. Viele verhalten sich physikalisch anders als bisher bekannte Systeme. Auch wenn die Lernkurve steil nach oben geht, ist der Weg zu einer organischen Solarzelle, die ähnlich gut wie eine Siliziumzelle arbeitet, noch weit. „PM6:Y6 besitzt schon sehr gute Eigenschaften, aber es ist auch noch nicht perfekt“, sagt Safa Shoaee, die hartnäckig an der Aufklärung und Optimierung der physikalischen Prozesse in den Solarzellen arbeitet. Das Potenzial organischer Materialien ist jedenfalls enorm, darin sind sich Shoaee und Neher einig. Ihre Forschungen ebnen den Weg dafür, es zukünftig zu nutzen.
Die Wissenschaftler
Prof. Dr. Safa Shoaee studierte Physik an der Universität Manchester und Physikalische Chemie am Imperial College London. Seit 2016 arbeitet sie als Sofja-Kovalevskaja-Preisträgerin an der Universität Potsdam und baut eine eigene Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Optoelektronik auf.
E-Mail: shoaiuuni-potsdampde
Prof. Dr. Dieter Neher studierte Physik an der Universität Mainz. Seit 1998 ist er Professor für die Physik weicher Materie an der Universität Potsdam.
E-Mail: neheruuni-potsdampde
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2020 „Energie“.