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Von globalen Positionsdaten zur Geodynamik – Wie Messungen an der Oberfläche helfen, Erdbeben und Strukturen im Innern der Erde zu verstehen

Jonathan Weiss bei der Wartung von GPS-Sensoren zur Aufzeichnung der Bodenbewegungen im Hochland der Anden. Foto: J. Weiss.
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Jonathan Weiss bei der Wartung von GPS-Sensoren zur Aufzeichnung der Bodenbewegungen im Hochland der Anden. Foto: J. Weiss.

Jonathan Weiss ist als Forscher vor allem an einer Frage interessiert: Wie entstehen Gebirge? Obwohl es einige etablierte Theorien zur Orogenese – so der Fachbegriff für die Gebirgsbildung – gibt, sind zahlreiche Aspekte rund um das Wie, Wann und Warum der Entstehung von Gebirgsketten nach wie vor unklar. Dies gilt insbesondere für die Anden, die über 7.500 Kilometer lange Kette von Bergen und Vulkanen, die sich entlang der Grenze zwischen dem Südamerikanischen Kontinent und dem Pazifik erstreckt. Auf der einen Seite werden die sogenannte Pazifische und die Nazca-Platte durch die Kollision mit der Südamerikanischen Platte in den Untergrund gedrängt – ein Prozess, der als Subduktion bezeichnet wird. Auf der anderen Seite scheint die Südamerikanische Platte relativ stabil und unbeeinflusst zu bleiben. Die Kräfte, die bei diesem Zusammenstoß der tektonischen Platten entstehen, sind der Grund für das Wachstum der Anden und für die geologischen Naturgefahren der Region, insbesondere für den intensiven Vulkanismus und die häufig auftretenden, teils sehr heftigen Erdbeben. Jonathan Weiss ist bei seiner Forschung vor allem an den östlichen Anden im südlichen Bolivien interessiert. Hier ist die Gebirgskette noch relativ jung und, so nehmen die Wissenschaftler an, das Gefahrenpotenzial stark unterschätzt.

Als Teil seiner Arbeit haben Jonathan Weiss und das Team internationaler Erdwissenschaftler einige Hundert GPS-Stationen in Südamerika aufgestellt – verteilt von der Chilenischen Pazifik-Küste bis hinein in den Regenwald Brasiliens. GPS stehet dabei für Global Positioning System, eine Technologie, die heute in fast jedem Handy und in PKWs für die Positionsbestimmung genutzt wird. Die GPS-Stationen selbst sollen die horizontalen und vertikalen Bewegungen des Untergrundes millimetergenau und lückenlos aufzeichnen. Aus der Analyse dieser Bewegungen hoffen die Wissenschaftler Informationen über zahlreiche Prozesse der Gebirgsbildung zu gewinnen. Es geht dabei zum Beispiel um die Kräfte, die für das Wachstum der Berge über lange Zeiträume hinweg verantwortlich sind, das direkte Verhalten von Gesteinen nachdem starke Erdbeben den Druck und die Spannungen im Untergrund verändert haben oder um mögliche saisonale Prozesse, die zum Beispiel durch Veränderungen des Niederschlags im Amazonasbecken hervorgerufen werden.

Nun haben Jonathan Weiss und Dr Qiang Qiu, der derzeit an der University of Southern California tätig ist, die Oberflächenbewegungen untersucht, die Wochen, Monate und Jahre nach sehr starken Erdbeben zu beobachten sind. Durch die Kombination von GPS-Messungen und neuen numerischen Modellrechnungen erhoffen sich die Wissenschaftler, die Strukturen unter den Anden, insbesondere in der Erdkruste und dem Oberen Mantel, zu identifizieren. Die Methode, die Sie hierzu nutzen, ist eine geophysikalische Datenbearbeitung, die nur durch die Messdaten an der Oberfläche detaillierte Informationen über physikalische Gesteinseigenschaften in der Tiefe verspricht. Während diese etablierten Methoden durch immer wieder leicht veränderte, theoretische Untergrund Modelle versuchen, die Messdaten möglichst gut zu reproduzieren, nutzt die neue Methode die Messdaten, um die geologischen Strukturen zu berechnen. Dieser innovative Ansatz könnte die bisherigen Modellrechnungen ersetzen, die hohe Anforderungen an Rechnerkapazitäten und Zeitaufwand stellen.

Weiss und seine Kollegen analysierten die zur Verfügung stehenden GPS-Daten, die nach dem starken Erdbeben mit Magnitude 8.8 in der Region Maule in Chile im Jahr 2010 aufgezeichnet wurden – dem stärksten Erdbeben seit über 50 Jahren in dieser Region. Dabei zeigte sich ein komplexes Muster von Bodenbewegungen an der Erdoberfläche, das sich mit den Verwerfungen des Erdbebens in Küstennähe erklären lassen könnte. Besonders interessant ist, dass die Daten auf elastische Gesteinseigenschaften in der Erdkruste und den Oberen Mantel hindeuten, die sich weit nach Osten unter die Anden und das argentinische Flachland erstrecken. Diese Gesteinseigenschaften sind es, die den Vulkanismus der Anden und die Prozesse, die zu Erdbebenführen, steuern.

In einer aktuell veröffentlichten Studie konnten die Forschenden belegen, dass es möglich ist, mithilfe der Kombination eines dichten GPS-Messnetzes mit der neuen Methode zur Dateninversion unser Wissen über die Subduktionszone und die Tiefe Erdkruste sowie den Oberen Erdmantel deutlich zu vergrößern. Jonathan Weiss und seine Kollegen hoffen nun, dass ihre neue Methode zur Bestimmung von Gesteinseigenschaften der Kruste und des Mantels dazu beitragen kann, einer Antwort auf die Fragen, wo und wann das nächste starke Erdbeben auftreten wird, etwas näher zu kommen.

Der Wissenschaftler

Jonathan Weiss ist derzeit als PostDoc in Forschung und Lehre am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam beschäftigt. Er ist Teil der Arbeitsgruppe um Professor Manfred Strecker und arbeitet eng mit nationalen und internationalen Forscherteams zusammen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden jüngst von der National Science Fundation der USA (NSF), dem britischen Natural Environment Research Council (NERC), der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und dem Land Brandenburg gefördert.

Publikation

Illuminating subduction zone rheological properties in the wake of a giant earthquake. Jonathan R. Weiss et al.. Science Advances Vol. 5, no. 12, eaax6720, DOI: 10.1126/sciadv.aax6720


Text: Dr. Simon Schneider/Dr. Jonathan Weiss
Online gestellt: Matthias Zimmermann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktion@uni-potsdam.de